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Ian Paisley ist der stärkste und umstrittenste Politiker Nordirlands

Ein kompromissloser Protestant

Von Sigrun Saunderson

Wenn es um seine Überzeugungen geht, stellt sich Ian Paisley notfalls allein gegen den Rest der Welt. Was ihm so zweifelhafte Titel wie "engstirniger Fanatiker", "Sektierer", "Dinosaurier" oder bestenfalls "unterhaltsames Original" eingebracht hat. Bei den Parlamentswahlen im letzten November machte eine Mehrheit der Nordiren diesen Exzentriker allerdings erstmals zum stärksten Mann im Land.

Mit 33 Sitzen ist seine Partei, die extrem-unionistische DUP, von einer Minderheitenpartei mit nur zwei Sitzen zur größten in der nordirischen Lokalregierung angewachsen. Im britischen Parlament sind die Demokratischen Unionisten mit sieben von 18 Vertretern aus der Provinz die mächtigste nordirische Partei in Westminster, wo Paisley inzwischen als Tony Blairs schlimmster Alptraum bezeichnet wird. Und im Europäischen Parlament, wo Paisley seit 25 Jahren standhaft seinen Sitz verteidigt, seufzt das Plenum bei jeder seiner Wortmeldungen auf . . .

Er ist aufrichtig überzeugt von dem, was er sagt, und wird, wie er betont, diese Überzeugungen bis zu seinem Tod verteidigen. Sein Kampf ist kein rein politischer. Seine ideologische Botschaft ist eine Kombination aus militantem Anti-Katholizismus und militantem Unionismus. Paisleys Sprache kombiniert biblische Bestimmtheit mit politischer Kompromisslosigkeit. Ian Paisley braucht keinen Spin Doctor, hält nichts von Diplomatie und geißelt jede Schönrederei lautstark und mit Genuss.

Bei den letzten Wahlen haben Nordirlands Unionisten gezeigt, dass sie der ständigen Zugeständnisse des moderaten Unionisten-Führers David Trimble an die IRA-nahe Sinn Fein müde sind. Die protestantische Gemeinschaft will einen starken Mann, der kompromisslos die Interessen seiner Leute verteidigt und keinen politischen Zwängen nachgibt.

Gewissheit aus der Bibel

Seine unbeugsame Haltung erwarb sich Paisley schon in der Jugend. Als Sohn eines Baptistenpfarrers hielt er im Alter von 16 Jahren seine erste Predigt. Nach einer umfassenden Ausbildung an drei Bibelschulen in Nordirland, Wales und Amerika verschrieb er sich dem Kampf für ein fundamentalistisches Christentum, das allein auf der originalgetreuen Bibel beruht. Nach einem Streit mit den Kirchenältesten gründete der feurige junge Prediger 1951 seine eigene "Freie Presbyterianische Kirche", deren Oberhaupt er bis heute ist.

Seine Anhänger glauben an die King James Bible als an die einzig richtige Bibelversion. Jede andere Version verfälsche Gottes Wort und sei des Teufels. Dementsprechend seien sämtliche christliche Kirchen, allen voran die katholische, aber auch protestantische Denominationen, wie die anglikanische und die presbyterianische Kirche, Teufelswerk. Die "Freie Presbyterianische Lehre" wird derzeit in 42 Kirchen und 13 Missionen in Großbritannien, Europa, Amerika, Kanada, Afrika und Australien gepredigt.

Paisleys "Freie Presbyterianer" wehren sich auch militant gegen jede Annäherung an die katholische Kirche. Ökumene ist für sie Abtrünnigkeit von der wahren christlichen Lehre. "Wer kein Protestant ist, kann kein Christ sein! Lasst euch das gesagt sein." Dabei betont Paisley, dass er nicht gegen einzelne Katholiken kämpft, sondern gegen die Katholische Kirche als Institution mit Weltherrschaftsambitionen.

Seit jeher nur eine Minderheitenkirche, machen die heute rund 12.000 "Freien Presbyterianer" nicht einmal ein Prozent der nordirischen Bevölkerung und nur 1,6 Prozent der dortigen Protestanten aus. Auf der politischen Bühne erwarb sich der leidenschaftliche Prediger jedoch allmählich das Vertrauen einer unionistischen Mehrheit.

Attacke gegen den Premier

Anfangs Aktionist und Rädelsführer bei protestantischen Straßenaufmärschen der sechziger Jahre, entwickelte er sich mit seiner radikalen Ablehnung des Katholizismus in Kombination mit seiner Kompromisslosigkeit rasch zum zuverlässigen Gegner jedes Annäherungsversuchs zwischen Katholiken und Protestanten. Im Jahr 1965 attackierte er den damaligen britischen Premierminister Terence O'Neill, als dieser zum ersten Mal den irischen Premierminister zu Gesprächen nach Westminster einlud.

1971 gründete Paisley seine eigene Partei, die extreme Demokratische Unionisten Partei (DUP), die rasch zum schärfsten Kritiker der IRA, der britischen Regierung und der gemäßigten Ulster Unionist Party wurde. Das Sunningdale-Abkommen von 1973 sah, ähnlich dem jetzigen Karfreitags-Abkommen, eine Gewaltenteilung zwischen Protestanten und Katholiken innerhalb einer lokalen Regierung vor. Außerdem sollte die stärkere Zusammenarbeit mit der Republik Irland gefördert werden. Sämtliche Minister der bis dahin dominierenden Ulster Unionist Party traten zurück. Paisleys Anhänger organisierten den größten Streik der Provinz, der sogar die Wasser- und Stromversorgung lahmlegte. Das Abkommen war damit gestorben.

Wie alle anderen Unionistischen Parteiführer stellte sich auch Paisley gegen das Anglo-irische Abkommen von 1985, das den Einfluss der Republik Irland auf die nordirische Verwaltung sichern sollte. Im Kampf gegen dieses Abkommen installierte Ian Paisley eine nur kurzlebige paramilitärische Einheit, die "Third Force", die mit Gewalt drohte, sollte Dublin je Einfluss in Ulster erhalten.

Die "Third Force" war nicht die erste und einzige paramilitärische Organisation unter Paisleys Führung. Schon 1966 sammelte er gewaltbereite Freiwillige unter dem Namen "Ulster Protestant Volunteers", die mit dem Slogan "Für Gott und Ulster" als paramilitärische Ergänzung seiner Kirche fungierten. Und im November 1986 gründete er die neun Batallione der "Ulster Resistance", die in den neunziger Jahren schließlich im "Vereinten Loyalistischen Militärkommando" aufgingen.

Auch das aktuelle Karfreitags-Abkommen kommentierte Paisley mit einem lauten Nein. In der aus dem Abkommen resultierenden neuen Lokalregierung erlangte Paisleys Partei nach den Wahlen von 1998 zwei von 108 Sitzen. Doch während die zwei DUP-Minister ihre Ämter ausübten, weigerten sie sich standhaft, an Kabinettsitzungen teilzunehmen, aus Protest gegen die Teilnahme von Sinn Fein-Abgeordneten.

Inzwischen 77 Jahre alt, lässt Ian Paisley immer noch nicht mit sich reden. Auch vor den Wahlen im letzten November gelobte er erneut, unter keinen Umständen mit Terroristen zu verhandeln. Er meint damit die republikanische Partei "Sinn Fein" unter Gerry Adams. Da aber "Sinn Fein" immerhin 24 Abgeordnete stellt, kann keine Regierung zustande kommen, solange die DUP die Zusammenarbeit verweigert.

Rückzug aus Europa

Wer in den Statuten des Abkommens nachliest, kann Paisleys Standpunkt vielleicht sogar verstehen: Das Abkommen verlangt, dass sich alle Abgeordneten ausschließlich auf die Anwendung friedlicher und demokratischer Mittel beschränken müssen. Eine Verbindung zu terroristischen Aktivitäten würde zum Ausschluss aus der Regierung führen. Die republikanische Partei "Sinn Fein" wird aber weiterhin als Gesprächspartner akzeptiert, obwohl einigen ihrer Mitarbeiter im letzten Jahr eine Zusammenarbeit mit der IRA nachgewiesen wurde.

Im Laufe des Februar sollen die Verhandlungen zu Änderungsvorschlägen im Karfreitags-Abkommen beginnen. Änderungen sind für Ian Paisley allerdings nicht genug. Er hat schon seine Vorstellungen eines völlig neuen Abkommens zu Papier gebracht und wird wohl nicht davon abgehen.

Nach 25 Jahren als Abgeordneter im Europäischen Parlament verlautbarte Ian Paisley kürzlich, sich aus Europa zurückzuziehen, um sich völlig der Lokalpolitik zu widmen. Spekulationen über seine Gesundheit und altersbedingtes Leisertreten bringt Paisley allerdings rasch zum Schweigen. "Ich werde hier in Nordirland sein. Ich

werde bei jeder Verhandlung

dabei sein. Bertie Ahern (der irische Premierminister,) wird mit nichts durchkommen. (. . .) Denn das sage ich euch: Unionismus

ist im Anmarsch! Aufrichtiger, altmodischer, traditioneller Unionismus."

Ian Paisley in Aktion -eine Chronik

1963: Paisley organisiert einen Protestmarsch gegen die Entscheidung, anlässlich des Todes von Papst Johannes XXIII. die britische Fahne vor Belfasts Rathaus auf Halbmast zu hissen.

1966 und 1969: Ian Paisley verbringt jeweils einige Monate im Gefängnis wegen der Organisation von Protestmärschen, die in brutalen Ausschreitungen endeten.

1972: Bei einer Pferdemesse in Ballymena wirft Paisley dem ökumenischen Methodisten Donald Soper eine Bibel an den Kopf.

1979: Paisley wird in das Europäische Parlament gewählt. Während der ersten Sitzung meldet er sich als erster zu Wort, nur um sich darüber zu beklagen, dass die britische Fahne vor dem Parlamentsgebäude verkehrt aufgehängt wurde.

Juni 1985: Paisley wird als Teilnehmer an einem Sitzstreik im Regierungsgebäude von der Polizei grob abtransportiert, und droht den Polizisten: "Beklagt euch nicht bei mir, wenn eure Häuser attackiert werden! Ihr werdet ernten, was ihr gesät habt!"

1986: Paisley tritt aus dem Oranier-Orden aus, weil ein anderes Ordensmitglied einer Totenmesse in einer katholischen Kirche beiwohnt.

Oktober 1988: Ian Paisley wird brutal aus einer Sitzung des Europäischen Parlaments getragen. Papst Johannes Paul II. hat gerade seine Rede vor dem Parlament begonnen, als Paisley aufsteht und ein Plakat mit den Worten "Johannes Paul II. ANTICHRIST" hochhält. Dazu ruft er mit donnernder Stimme: "Ich lehne Sie ab als den Feind Christus' und Antichrist mit all Ihrer falschen Doktrin."

Mai 2001: Paisley warnt seine Glaubensgemeinde vor den Gefahren des Tanzens für die christliche Seele: "Line Dancing ist genauso sündig wie jede andere Form des Tanzes mit seinen sexuellen Gesten und Berührungen. Es ist eine Verführung zur Lust."

Dezember 2003: Nach Bekanntwerden seines Wahlerfolges packt Paisley einen Fernsehreporter vor laufender Kamera an den Anzugaufschlägen, schüttelt ihn und brüllt ihm ins Gesicht: "Darauf können Sie sich verlassen, ich werde niemals mit Terroristen verhandeln. Das Gleiche gilt für alle meine Parteiangehörigen!" (Siehe Foto rechts)

Jänner 2004: Nach dem Sonntagsgottesdienst steht er mit Angehörigen seiner Kirche vor dem Eingang des Rugby-Stadions in Belfast und protestiert gegen die Abhaltung eines Rugby-Matchs am "Tag des Herrn".

Freitag, 06. Februar 2004

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