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Die konservative Linke

Von Hermann Schlösser

„Links" · das war einmal gleich
bedeutend mit Fortschritt,
dynamischem Wandel und Zukunftspathos. Doch muß bezweifelt werden, daß dies noch immer so ist. Denn während sich das traditionell rechte Milieu der Wirtschaftsführer und Ingenieure in einer
forcierten Fortschrittsrhetorik gefällt, sehen Traditionslinke ihre vornehmste Aufgabe darin, kommende Entwicklungen zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Weder Gerhard Schröders Unternehmer-
Zigarre noch Viktor Klimas Windstoßfrisur oder Tony Blairs Bubengesicht können darüber hinwegtäuschen, daß die jüngsten Wahlerfolge der Sozialdemokratie mit genuin konservativen Versprechungen
erzielt wurden: Wahrung der erworbenen Besitzstände, Erhaltung einer lebenswerten Umwelt, größtmögliche Sicherung vor den Gefahren und Zumutungen der globalen Risikogesellschaft. Der Slogan „Keine
Experimente" wäre heute ein genuin sozialdemokratischer. Im Deutschland der fünfziger Jahre gewann noch der christdemokratische Bundeskanzler Adenauer mit seiner Hilfe die Wahlen.

Trotzdem ist die Sozialdemokratie wohl noch die beweglichste Kraft im linken Spektrum. Wenn man den Presseberichten glauben darf, dann behauptet sich bei den Grünen eine ängstliche und enge
Basis neben der weltläufigen Intelligenz ihrer profiliertesten Vertreter: Nicht nur Alexander van der Bellen oder Joschka Fischer repräsentieren die grüne Bewegung, sondern auch fundamentalistische
Gesinnungsethiker, deren Hauptsorge den Prinzipien, und nicht den Tatsächlichkeiten gilt.

Das hartnäckigste Bewahrungsmilieu konserviert sich jedoch im Umfeld der Gruppierung, die einmal als die revolutionäre Partei schlechthin angetreten ist: die Kommunisten. Vor allem in den neuen
deutschen Bundesländern macht sich die PDS zur Sprecherin all derer, die von den neuesten Entwicklungen nicht profitieren oder nicht zu profitieren glauben. Um sie zu trösten, bewahrt die PDS die
Rituale und Grundüberzeugungen der alten DDR so treu, wie es nur irgend geht. Die Wahlerfolge, die sie damit erzielt, bestätigen, daß ein Bedürfnis nach DDR-Nostalgie besteht. Damit haben die
dynamischen Investoren und Zukunftsplaner in den Jahren der Wiedervereinigung wahrscheinlich nicht gerechnet · was wiederum der PDS zugute kam.

Man sieht also: es gibt Gründe dafür, daß die Linke konservativ geworden ist. Jede Veränderung fordert ihren Preis, und deshalb war es noch nie falsch, daß politische Gruppierungen auf die
Opfer und Kosten aufmerksam machen, für die Fortschrittspathetiker meist wenig Sinn haben.

Trotzdem muß man sich · gerade als Sympathisant · Sorgen machen, wenn sich die Linke völlig aufs Beschützen, Bewahren und Begrenzen konzentriert. Denn Solidarisierungseffekte über die eigene Klientel
hinaus lassen sich mit einer solch defensiven Politik kaum erzielen. Vor allem die Jugend, die noch keine Besitzstände und Errungenschaften zu verteidigen hat, sondern erst noch die Gelegenheit
braucht, sie zu erwerben, wird sich von einer konservativen Linken nicht auf Dauer angesprochen fühlen. Wie aber soll es langfristig weitergehen, wenn die jungen Generationen die Gefolgschaft
verweigern? Kein Zweifel, daß sich Arbeitsgruppen und Unterausschüsse aller Parteien mit dieser Frage beschäftigen. Aber irgendwie hat man manchmal das Gefühl: Damit ist es nicht getan.



Freitag, 19. März 1999

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