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Artikel aus dem EXTRA LexikonPrint this

Die Farben der Sterne sind eine Herausforderung für das Sehvermöge n

Ein Kosmos in Pastell

Der Pelikannebel ist mit freiem Auge schwieriger zu beobachten als auf dieser lang belichteten Amateuraufnahme. Foto: Johannes Schedler

Der Pelikannebel ist mit freiem Auge schwieriger zu beobachten als auf dieser lang belichteten Amateuraufnahme. Foto: Johannes Schedler

Von Christian Pinter

Seit dem 20. Mai 1990 verblüfft uns das Hubble-Weltraumteleskop mit spektakulären, bunten Bildern aus dem All. Hingegen mutet uns der Kosmos, blicken wir selbst zum Firmament hinauf, farblos an. Wir sehen zunächst bloß weiße oder graue Lichtpünktchen vor schwarzem Hintergrund. Lügen die Farbfotos oder ist das menschliche Auge, himmelskundlich betrachtet, eine „Fehlkonstruktion“?

Im Prinzip sind die Sterne Sonnen wie die unsere – allerdings höchst unterschiedlich temperiert. Anhand ihrer Spektren und abfallender Hitzegrade ordnet man sie den Klassen O, B, A, F, G, K und M zu. (Merksatz: "Oh Be A Fine Girl/Guy Kiss Me" .) Im Inneren der mächtigen Himmelsgaskugeln verschmelzen leichte Atomkerne zu schwereren. Die so erzeugte Energie dringt langsam zur Sternoberfläche vor. Astronomen nennen sie "Photosphäre" (griechisch photos bedeutet: das Licht). Sie sendet elektromagnetische Strahlung aller Wellenlängen aus, darunter auch sichtbares Licht. Deshalb leuchten Sterne grundsätzlich weiß.

Könnte man einen Fieberthermotmeter in die Photosphäre unserer Sonne stecken, kletterte er auf 5.500 Grad C. Doch Sterne mit größerer Masse strahlen um vieles heißer. Das Maximum ihrer Lichtabgabe zielt darum in Richtung Blau oder gar Ultraviolett. So mischt sich etwa bei Iota Orionis oder bei Zeta Orionis, Orions linkem Gürtelstern, ein Schuss Blau ins Sternenweiß. Beide gehören zur Spektralklasse O, deren Mitglieder bis zu 50.000 Grad C heiß werden. Ebenfalls sehr hitzig geht es auf den B-Sternen zu. Temperaturbereich: 25.000 bis 11.000 Grad. Die meisten hellen Orion-Sterne reihen sich hier ein und zeigen deshalb bläulichen Einschlag.

Sirius im Großen Hund oder Castor in den Zwillingen repräsentieren die A-Klasse. Bei Temperaturen über 7.500 Grad lässt sich der bläuliche Ton meist nur erahnen; das Sternenweiß mutet einfach "kalt" an. Praktisch ohne Farbstich nimmt man die über 6.000 Grad heißen F-Sterne wahr – etwa den berühmten Polarstern. In scheinbar "warmes", also leicht gelbliches Weiß kleiden sich hingegen G-Sterne wie Capella im Fuhrmann. Auch unsere Sonne gehört zu dieser Spektralklasse.

Bei den kühleren Sternen rückt das Maximum der Lichtproduktion zunehmend gegen gelb oder orange. Aldebaran im Stier und Pollux in den Zwillingen gehören zu Klasse K. Photosphärentemperaturen zwischen 4.700 und 3.200 Grad C sorgen für gelblichen, golden, mitunter auch etwas orangefarbigen Einschlag. In etwas deutlicheres Orange hüllen sich die noch kühleren M-Sterne, wie etwa Beteigeuze im Orion beweist.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als noch sehr wenige Spektraluntersuchungen vorlagen, zog man Sternfarben zur Abschätzung der Oberflächentemperaturen heran. Eine britische Amateurastronomengruppe verglich die Tönungen von 900 Sternen mit einer neben das Teleskop gelegten Farbtafel. Kein leichtes Unterfangen – sehen die Sternfarben doch allesamt blass aus. Die Farbsättigung ist bescheiden. So dominiert Weiß in den heißen Klassen O und B mit einem Anteil von 90 Prozent. Kein Wunder, dass Josef Johann Littrow, 1819 bis 1840 Direktor der Wiener Sternwarte, das "Fehlen" wirklich blauer Sterne beklagte. Selbst bei den kühlsten M-Sternen beträgt der Weißanteil noch 80 Prozent.

Orions Schulterstern Beteigeuze hat das Ende seiner Karriere erreicht. Er hat sich mächtig aufgebläht, ist 700 Mal größer als unsere Sonne. Dabei sank die Oberflächentemperatur auf 3.000 Grad C. In der dünnen Gasatmosphäre solcher Riesensterne kondensiert bereits wieder Staub aus: Vor allem das darin enthaltene Titanoxid schluckt den Blauanteil des Photosphärenlichts. Die Sternoberfläche erscheint deshalb in einem etwas kräftigeren Orangeton, als es ihrer Temperatur entspricht.

Rote Riesen im Teleskop

Noch effizienter filtern Kohlenstoffverbindungen kurzwelliges Licht fort. Der im Teleskop eindrucksvolle W Orionis zählt zu diesen Kohlenstoffsternen. 1845 verglich John Hind den Kohlenstoffstern R Leporis – sein Sternbild "Hase" hockt zu Orions Füßen – mit einem "Blutstropfen". Knapp zuvor hatte William Herschel die Konstellation des Cepheus gemustert und dessen Riesenstern My Cephei "Granatstern" getauft. Freilich: In Relation zu den kräftigen Farben, die uns im Alltag umgeben, schimmern auch diese Sterne bloß pastell. Wirklich "rote" Riesen gibt es zwar in der astronomischen Terminologie – am Nachthimmel aber suchen wir sie vergeblich. Ähnlich blass getönt sind rote Zwerge. Diese kühlen, lichtschwachen Gnome entziehen sich dem freiäugigen Blick – obwohl doch etliche von ihnen in unmittelbarer Sonnenumgebung weilen. Arm an Brennstoff, glimmen sie oft kühler als der Leuchtfaden einer Glühbirne. Mit noch geringerer Masse müssen die braunen Zwerge auskommen. Bei Temperaturen weit unter 1.700 Grad C kondensiert Natrium in den Atmosphären der Ministerne aus. Es schluckt den Gelbanteil des Photosphärenlichts. Könnten wir braune Zwerge sehen, hätten diese wohl einen purpur- bis magentafarbigen Teint.

Farbeindrücke sind grundsätzlich auch von der Helligkeit abhängig. Intensives Licht "überlädt" die Rezeptoren, lässt Farben ausbleichen. In der Regel muten punktförmige Gebilde blasser an als flächige. Um kräftigere Farben wahrzunehmen, stellen erfahrene Beobachter Fernglas oder Fernrohr bewusst ein wenig unscharf: Die Sternpünktchen zerrinnen zu Scheibchen, die Farbsättigung steigt.

Helles Licht regt im Auge unsere drei farbtüchtigen Zapfenarten an. Deren Empfindlichkeitsmaxima liegen im Blauen, Grünen und Gelben. Aus der Kombination der drei Reize bastelt das Gehirn die Mischfarben zusammen. Nachts schaffen es nur die prominentesten Sterne, die lichtverwöhnten Sehzapfen anzuregen. Alle anderen nimmt man mit den Stäbchen wahr. Die sind zwar viel empfindlicher – doch leider farbuntüchtig. Deshalb erscheint das Gros der Sterne grau wie die "Katzen in der Nacht". Zum Glück sammeln optische Instrumente Licht und lenken so ein Vielfaches an Photonen zu den Zapfen. Das Fernglas rückt tausende, ein Amateurfernrohr zigtausende Sternchen in den Bereich der Farbwahrnehmung. Teleskopbesitzer leben also in einem bunteren Universum.

Außergewöhnliche Farbwahrnehmungen bescheren uns die Doppelsterne. Die Mehrzahl der fremden Sonnen gehört solchen Systemen an, in denen die jeweiligen Partner einander umkreisen. Im Fall Castor, den jetzt schon kleinere Teleskope "trennen", dauert der Umlauf 445 Jahre. Besitzen beide Partner ähnliche Helligkeit, aber unterschiedliche Spektralklassen, übertreibt das Auge die subtilen Farbdifferenzen und gaukelt uns intensivere Tönungen vor. Dies lässt sich z.B. an Alamak in der Andromeda, Ras Algethi im Herkules oder Albireo im Schwan prüfen.

Bei ungleichen Paaren nimmt der schwächere Partner mitunter sogar die Komplementärfarbe des kräftigeren an: Rote Riesensterne hauchen ihren blassen Begleitern ein zartes Grün ins Antlitz. Schon Alexander von Humboldt schwärmte 1827 von den Farben der Doppelsterne. Vielleicht sähe man hier Sonnen, die kurz vor dem Erlöschen standen – so spekulierten manche Zeitgenossen Humboldts. Doch in Wahrheit wurden die Astronomen bloß von einer Eigenart der menschlichen Farbwahrnehmung getäuscht – dem Phänomen des "Simultankontrasts".

Gas- und Staubwolken

Sterne werden haufenweise in ausgedehnten Gas- und Staubwolken geboren. Kaum leuchten die ersten heißen Sonnen der Klassen O und B auf, ionisiert deren harte UV-Strahlung das übrig gebliebene Gas. Es reißt Elektronen von ihren Atomkernen fort. Nun leuchten vor allem Wasserstoff und Sauerstoff auf. Im Gegensatz zu den Sternen strahlt das Nebelgas dabei jedoch nicht auf allen Wellenlängen und somit weiß, sondern vielmehr in wenigen, überaus schmalen Frequenzbereichen. In den Spektren der Emissionsnebel dominieren die beiden sattgrünen Linien des ionisierten Sauerstoffs sowie die bläulich-grüne und die tief rote Emissionslinie des Wasserstoffs. Unterhalb der drei Gürtelsterne erkennt man durch das Fernglas Orions legendären Nebel M42 als recht ausgedehnten, farblosen Schimmer. Größere Teleskope lassen ein gespenstisches Grün erahnen. Die rote Wasserstoff-Emission, auf Fotos überaus prominent, entgeht uns leider. Die Sehzapfen – und noch mehr die Stäbchen – sind zu wenig empfindlich für derart langwelliges Licht .

Am Ende ihres Daseins schleudern rote Riesen ihre Gashüllen ins All. Jetzt liegt der unglaublich heiße Sternenkern frei. Ein paar zehntausend Jahre lang gelingt es ihm noch, das davon eilende Hüllengas zum Leuchten anzuregen. Nur deshalb werden die kleinen, meist rundlichen Gebilde überhaupt sichtbar. Astronomen nennen sie - recht unglücklich - "planetarische Nebel". Wieder tut sich der doppelt ionisierte Sauerstoff besonders hervor und stattet etliche dieser Himmelsobjekte mit lebendigem Grün aus, was etwa an den Eskimonebeln in den Zwillingen zu erkennen ist.

Die Netzhaut kann Lichteindrücke nicht addieren. Ein zartes Sternchen bleibt schwach und mausgrau, selbst wenn man es stundenlang anstarrt. Anders verhält sich der fotografische Film oder der CCD-Chip einer elektronischen Kamera. Je länger die Belichtungszeit, desto mehr Photonen werden "angespart". Dank erhöhter Empfindlichkeit im langwelligen Bereich fangen künstliche Rezeptoren auch die kräftige rote Wasserstoff-Emission ein. Das Resultat sind atemberaubende, farbenfrohe Himmelsporträts der lichtschwachen Nebelgebilde. Selbst wenn wir durch das größte Teleskop der Welt lugten oder per Raumschiff zum Orionnebel reisten – so wie auf den Fotos werden wir die kosmischen Strukturen nie sehen können. Die schönen Farbaufnahmen sind meist aus drei Schwarzweißbildern zusammen gesetzt, die durch einen Blau-, einen Grün- und einen Rotfilter belichtet wurden. Besonders schmalbandige Filter lassen oft nur die interessantesten Photonen durch: Vor allem jene des ionisierten Sauerstoffs, Stickstoffs, Schwefels oder Wasserstoffs. Wo aber schon der Schwefel rot strahlt, wird der ebenfalls rote Wasserstoff auf Hubble-Fotos grün eingefärbt. Mitunter gewinnt man eine, zwei oder alle Einzelbelichtungen im Infrarot oder Ultraviolett. Diese Bereiche entziehen sich unserer Wahrnehmung. Doch entstehen daraus grandiose Farbaufnahmen, die unser Auge in Staunen versetzen.

Christian Pinter , geboren 1959, schreibt seit 1991 im "extra" über Astronomie.

 

Printausgabe vom Samstag, 25. Februar 2006
Update: Freitag, 24. Februar 2006 14:42:00

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