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Kampf um Religionsfreiheit

Religionsfreiheit und Religionskonflikte sind im heutigen Europa brisante Themen
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- Welchen Weg geht die Religion in der modernen Welt? Foto: BilderBox

Welchen Weg geht die Religion in der modernen Welt? Foto: BilderBox

Von Heinrich Schneider

In Europa leben Christen verschiedener Bekenntnisse, Andersgläubige und dezidiert Glaubenslose seit langem nicht nur nebeneinander, sondern miteinander. Dass sich dabei längst nicht alles von selbst versteht, ist aber mindestens seit dem "Karikaturenstreit" klar. Vor allem dort, wo es Muslime gibt, die ihre Religion ernst nehmen; diese Religion schließt ja auch Lebensregeln für die ganze Gesellschaft ein. Deshalb sind Muslime nach herkömmlicher Lehre verpflichtet, dort zu leben, wo das islamische Gesetz gilt. Heute meinen fortschrittliche muslimische Gelehrte, es genüge, wenn die Gläubigen ihre Religion bekennen und praktizieren können: gemeinsam, und in Distanz zur ungläubigen Umwelt. Denn im Koran steht: "Ihr Gläubigen, nehmt euch nicht. . . die Ungläubigen zu Freunden". Daher pflegen gläubige Muslime ihre eigene Subkultur. Die Angleichung an die christliche oder weltliche Lebensweise widerspricht in ihren Augen dem Gebot Gottes.

Sagen ihnen die Europäer, sie sollten sich gefälligst den hier herrschenden Regeln und Einstellungen anpassen, dann verlangen sie in strenggläubiger Sicht schlicht und einfach den Abfall vom Glauben. Glaubensabfall ist in der islamischen Tradition ein todeswürdiges Verbrechen. Aber die Europäer, Christen oder nicht, nennen das, was sie von den Muslimen verlangen, Religionsfreiheit.

Religion und Säkularität

Für uns schließt Religionsfreiheit ja nicht nur das Recht ein, die eigene Religion zu bekennen, sondern auch das Recht zum Glaubenswechsel. Vor wenigen Wochen entging der zum Christentum übergetretene Afghane Abdul Rahman Kabul dem Todesurteil nur, weil man ihn unter westlichem Druck für unzurechnungsfähig erklärte, um ihn – am Rande der islamischen Legalität – abschieben zu können. Gewiss sind längst nicht alle aus islamischen Ländern Eingewanderte so strenggläubig, dass sie durch die Forderung nach "Integration" in unerträgliche Gewissenskonflikte geraten. Aber der uns geläufige Rückgang des religiösen Glaubens und Bekenntnismutes sollte nicht dazu verleiten, die Gläubigkeit von Gläubigen nicht mehr ganz ernst zu nehmen. Wie wird ein frommer Muslim mit der Spannung zwischen religiösen Pflichten und dem, was von ihm hier an kultureller Anpassung erwartet wird, fertig? Der Konflikt kann bis zu existenziellen Kurzschlüssen führen (Muhammad Atta, der Terrorist, lässt grüßen. . .)

Sich über diese und ähnliche Probleme Sorgen zu machen, ist "in". Dialog und Verständigung sind angesagt, bei der Katholischen Aktion oder in der "Europäischen Imame-Konferenz".

Weniger Aufmerksamkeit findet es, dass der bisher selbstverständliche Kulturfrieden um Religiosität und Säkularität auch noch in anderer Hinsicht brüchig werden könnte. In Österreich haben namhafte Intellektuelle unlängst die friedliche Koexistenz zwischen religiösem Glauben und irreligiöser Weltsicht aufgekündigt. Rudolf Burger meinte in einem "Profil"-Interview, er halte als "strenggläubiger Atheist" einen katholischen Pfaffen, einen jüdischen Rabbi oder einen islamischen Imam alle für "geistig zurückgeblieben" ; Dummheit sei ein Sozialprodukt, und damit müsse man strategisch umgehen. (Strategie ist die Kunst, den Feind niederzuringen. . .) Michael Scharang schrieb in der "Presse", die Lehre, der Mensch sei von Natur aus religiös, besage, der nicht religiöse Mensch sei minderwertig, und diese These sei "die faschistische Grundlage" einer "fundamentalistischen Hetze, welche den Gläubigen in Aussicht stellt, schließlich im Blut derer baden zu dürfen, die nicht glauben" .

So hanebüchen und von der Kenntnis christlichen Denkens ungetrübt las man das selten. Aus der These, der Mensch habe von Natur aus eine Anlage zur Religion (nämlich zur Sehnsucht nach einer über alle unvollkommenen Erfahrungen hinausweisenden Sinnerfüllung) haben die christlichen Theologen bekanntlich gefolgert, dass Menschen, die nicht an Gott glauben, irgendein anderes absolutes Anliegen zur Hauptsache des Lebens machen. Ebenso bekanntlich haben sich die Kirchen erstens dazu durchgerungen, die Glaubensfreiheit als ein unantastbares Menschenrecht zu betrachten, das in der Personwürde des Menschen begründet ist, und zweitens machen sie die Menschenwürde gerade nicht davon abhängig, ob ein Mensch klug oder dumm, weiß oder schwarz, gesund oder krank, leistungsfähig oder behindert, gläubig oder ungläubig ist. (Von Nietzsche bis Hitler haben viele eben das dem Christentum vorgeworfen.)

Wenn angesichts dessen so berserkerhafte Thesen wie die zitierten den Segen gutbürgerlicher Redaktionen erhalten, dann spricht das für das Aufkommen rauerer Winde. Tastsächlich sprechen renommierte Publizisten schon seit geraumer Zeit von einem neuen "Kulturkampf".

Nur einige Indizien dafür: Kirchenmänner und christliche Politiker hatten sich für eine Anrufung Gottes oder doch für einen Hinweis auf das christliche Erbe Europas in der Präambel der – inzwischen auf Eis liegenden – EU-Verfassung stark gemacht. Sie waren auf massiven Widerspruch gestoßen.

Als es um die Berufung von Rocco Buttiglione in die EU-Kommission ging, meinte Kommissionspräsident Barroso, gewiss kein Antiklerikaler: das Wort "Sünde" gehöre nicht in eine politische Debatte. Wäre also die Verwendung eines der religiösen Sprache entstammenden Begriffs im heutigen Europa unanständig oder gar unzulässig? Noch gehört das nicht zur herrschenden "political correctness": Jürgen Habermas plädiert zum Beispiel für die Verwendung religiöser Sprache, wenn Gläubige sich an öffentlichen Diskussionen beteiligen, und er meint, dass glaubenslose Mitbürger sich um Verständnis dafür bemühen müssten. Aber immerhin hat Günter Verheugen, heute Stellvertreter Barrosos, einmal lapidar gemeint, die Glaubenslehren der katholischen Kirche seien "absolut nicht deckungsgleich. . . mit den Grundsätzen des liberalen Rechtsstaates". Muss man also gläubigen Katholiken unterstellen, sie könnten sich nicht wirklich zur freiheitlichen Demokratie bekennen?

Als EU-Kommissionspräsident Barroso Vertreter christlicher Kirchen zum Gespräch einlud, aber eine ähnliche Zusammenkunft mit laizistisch-humanistischen Gesprächspartnern erst danach vorsah, handelte er sich massive Kritik im Europäischen Parlament ein: Schließlich träten die Religionen gegen die Rechte von Frauen, Lesben und Schwulen auf. . . Ein Debattenredner meinte sogar, der Papst hätte, wie sein Vorgänger "die demokratischen Parlamente, die Demokratie selbst, ständig verunglimpft", sollte Barroso im Dialog mit Kirchenvertretern darüber stillschweigend hinweggegangen sein, wäre das "abscheulich" . Solche Vorgänge (und es gibt deren viele) lassen zumindest eine, sagen wir es vorsichtig, Nervosität erkennen.

Ein langer Kampf

Religionsfreiheit ist im Lauf der Geschichte mühsam errungen und unterschiedlich verstanden worden. Für sie gilt dasselbe wie für viele andere Rechtsgrundsätze und Rechtsnormen: ihr Inhalt und ihre Tragweite verstehen sich nicht von selbst, sondern hängen vom herrschenden Problembewusstsein ab. In modernen Gesellschaften gibt es aber kein solches Problembewusstsein in der Einzahl, sondern – von totalitären Systemen abgesehen – stets eine Mehrzahl unterschiedlicher, mehr oder weniger maßgeblicher oder oppositioneller Sichtweisen. Was wirklich gilt, ist Sache beständigen Ringens. Wer seine Sicht durchsetzt, möchte sie vielleicht zur "öffentlichen Ordnung" oder zur "Leitkultur" erheben und die Auseinandersetzung darüber als beendet erklären. Aber die Geschichte begann vor langer Zeit. In den Hochkulturen des Altertums wurde, gleichsam oberhalb der Götterwelten der Stämme und Völkerschaften, eine Reichsreligion verkündet, die die menschliche Herrschaftsordnung zu einer göttlichen Weltordnung in Bezug setzte. Im Römischen Imperium konkurrierten mehrere solche Hochkulturreligionen miteinander um die Anerkennung als Reichsreligion. Die "Konstantinische Wende" führte zur reichsrechtlichen Durchsetzung des Anspruchs der Christen, die wahre Religion zu vertreten.

In Europa wurden Kirchenorganisation und Reichsgewalt zu einer Zweieinigkeit. Abweichungen, Häresien, wurden bekämpft. Im mittelalterlichen Abendland setzt die Kirche ihre Emanzipation aus dem Dienst an der Reichsordnung durch. Aber schon das Wormser Konkordat (1122) besiegelt ein Gegenüber und Miteinander. Tatsächlich fanden im Rahmen der formellen Glaubenseinheit des Heiligen Römischen Reiches heftige Auseinandersetzungen um die wahre Christlichkeit statt, mit Ketzer- und Reformbewegungen, Vermittlungs- und Versöhnungsversuchen, mit Dialogen zwischen Christen und Muslimen, mit Aufklärungsideen und Ansätzen zum Staatskirchentum (Friedrich Heer hat, neben anderen, daran erinnert).

Dann aber brachte die Glaubensspaltung ein unbehebbares Nebeneinander mehrerer Konfessionen. Nach oft überaus blutigen Konflikten kam es zur Duldung von Minderheiten. Bis ins späte 18. Jahrhundert bedeutete "Religionsfreiheit" geregelte Koexistenz verfasster, nicht aber auch gleichberechtigter Glaubensgemeinschaften. Toleranz gegenüber Außenseitern, gar Gottesleugnern, kam nicht in Frage.

Doch schon diese Koexistenz war das Resultat bitterster Erfahrungen der Friedlosigkeit und der Gewissensnot. Nach Ernst Wolfgang Böckenförde war der Weg zu Toleranz und Religionsfreiheit der "große Leitensweg der abendländischen Christenheit". Er führte zur Erschöpfung (oft auch der Seelen), zum Streben nach Verständigung – und zu neuen Einsichten: Erstens lässt sich das Christentum nicht dadurch retten, dass die Kirchen sich um ihrer Lehr- und Kultunterschiede willen gegenseitig ausrotten; und zweitens wird die Instrumentalisierung staatlicher Rechtshoheit und Zwangsgewalt zur Durchsetzung einer Konfession gegen die andere(n) mehr und mehr als illegitim erkannt. So wird die Glaubensfreiheit zu einem hohen Rechtsgut, und der Staat zu ihrem Hüter und Bürgen.

Religion als Menschenrecht

In Europa hatte "Religionsfreiheit" die Zulassung eines Plurals von Religionsgemeinschaften bedeutet, meist in Form der Privilegierung staatsnaher Großkirchen und der Tolerierung von Sekten. In Nordamerika wurde erstmals das Menschenrecht auf freie Religionsausübung als naturrechtlich fundiert begriffen und verfassungsmäßig verankert. Die Umsetzung in die Verfassungswirklichkeit kostete noch viel Mühe und Zeit, auch in den USA. Die Entkonfessionalisierung des Staates setzte dort allerdings eine christlich geprägte Kultur der Gesellschaft voraus. Ganz anders reagierten die Träger der Französischen Revolution auf die vorherige Verbindung von Thron und Altar. Auch nach den Zwischenspielen der napoleonischen und nachnapoleonischen Epoche blieb das Gegenüber von Katholizismus und Französischer Republik kühl oder gar feindselig, wenngleich es später zur Entspannung der Beziehungen kam und die Kirche sich an ihre private Rechtsstellung im "laizistischen" Staat gewöhnte.

Anderswo hat sich eine Partnerschaft zwischen politischen und religiösen Institutionen herausgebildet, da und dort haben Kirchen einen öffentlich-rechtlichen Status (wie in Österreich und Deutschland), und beiderseitige Beziehungen werden vertraglich geregelt. Wieder anderswo gibt es eine Vorzugsstellung für bestimmte Bekenntnisse (wie für die Orthodoxie in Griechenland) oder Staatskirchen (wie in Großbritannien und in Skandinavien), ohne dass dies die Vielfalt der Religionen und Weltanschauungen beeinträchtigt.

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Inzwischen genießen ja nicht nur religiöse Glaubensüberzeugungen, sondern auch andere Weltanschauungen den Schutz der "Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit". Den Religionsgemeinschaften sind andere Überzeugungsgruppen an die Seite getreten, also wurde die "negative Religionsfreiheit" zunehmend wichtig (das Recht zur Ablehnung religiöser Überzeugungen und Praktiken), aber auch die Einbeziehung nichtreligiöser Weltanschauungen in die Landschaft der menschenrechtlich geschützten Überzeugungen. Seither ist das Kräftefeld der öffentlichen Selbstverständigung darüber, was einer Gesellschaft wichtig (oder gar heilig) ist oder sein soll, bunt und vielfältig.

Übrigens haben sich die christlichen Kirchen mit der Anerkennung der neuen Lage lang genug schwer getan. Schon zum ökumenischen Miteinander kamen sie erst allmählich, und vor allem die katholische Kirche hielt sich dabei fast bis zum Konzilsdekret über den Ökumenismus (1964) ziemlich zurück. Nun hingegen sind die Christen anderer Konfessionen "getrennte Brüder" ; auch die Haltung gegenüber nichtchristlichen Religionen wurde im Geist des Respekts neu bestimmt.

Noch wichtiger ist ein anderes Dokument, mit dem sich das letzte Konzil 1965 zum Paradigmenwandel durchgerungen hat: in der "Erklärung über die Religionsfreiheit" wird diese in der Gewissensfreiheit der Person verankert; die Argumentation stellt nicht mehr auf die Wahrheit oder Unwahrheit einer Glaubenslehre ab, sondern auf die Menschenwürde, und darauf, dass der Glaubensakt seiner Natur nach Ausfluss der Freiheit ist. Alle Menschen (und alle Religionsgemeinschaften) sind Inhaber des Naturrechts auf Religionsfreiheit, und die öffentliche Gewalt ist verpflichtet, es zu schützen, aber auch Missbräuche hintanzuhalten. Damit waren, in unseren Breiten, jahrhundertelange Belastungen überwunden. Religionsfreiheit schließt in den Augen der Christen auch das Recht ein, herrschende Mächte und deren Politik gemäß der Glaubensüberzeugung zu kritisieren.

Neue Herausforderungen

Nun ist friedliches Miteinander nicht mehr selbstverständlich. Die als gefährlich empfundene Präsenz des Islam in unserem Kulturraum dürfte eine der Ursachen dafür sein, und die neuen Spannungen zwischen Christentum und Säkularismus mögen damit zusammenhängen: Manche Zeitgenossen befürchten Konflikte zwischen den Religionen, andere eine Allianz der Religionen gegen religionskritische Tendenzen, vielleicht auch gegen den Verfall herkömmlicher Moralvorstellungen. Gegen die monotheistischen Religionen wird vorgebracht, sie würden mit ihrem Alleinanspruch auf die Wahrheit und mit Vorstellungen vom Gegenüber heiliger und teuflischer Mächte den gesellschaftlichen Frieden stören, ja Hass produzieren. Vielleicht spielt bei der schon angesprochenen neuen "Nervosität" gegenüber der öffentlichen Präsenz der Religionen auch Sorge angesichts "theokonservativer" Aufladungen des politischen Lebens (einschließlich der Wiederkehr von Kreuzzugsideen) in den USA eine Rolle. Ist etwa eine Renaissance von Glaubenskonflikten zu befürchten, die grundlegende Errungenschaften der Neuzeit in Frage stellt? Sollte man angesichts dessen die Religionen nicht in Quarantäne versetzen, ihre engagierten Parteigänger aus dem öffentlichen Raum verbannen? So denken anscheinend viele Säkularisten.

Schwierige Fragen

Andere Fragen sind schon längst an die Kirchen und die Christen herangetragen worden: Sollen, wollen sie sich zu einer "Großen Koalition der Gläubigen" zusammentun, mit den beiden anderen abrahamitischen Religionen vor allem, womöglich unter Einschluss der Islamisten? Nämlich zur gemeinsamen Abwehr des Unglaubens, der Materialismen, des Wellnesskults, der Moralzersetzung? (Dafür werben auch solche islamische Sprecher, die den heiligen Kampf gegen die Allianz von "Kreuzrittern" und "Zionisten" proklamieren. . .)

Oder sollen, wollen sie eine Große Koalition von Freunden der Toleranz und der Menschenrechte eingehen, zusammen mit den Humanisten, den Freunden der Aufklärung, die Irreligiösen eingeschlossen? Zugunsten der Mitmenschlichkeit und gegen intolerante Fundamentalismen?

Oder sollen sie sich dieser Alternative verweigern? Aber wie positionieren sie sich dann? Als Splitterpartei in der geistigen Landschaft? Als die "kleine Herde", deren Glaube, wie zu Zeiten des Apostels Paulus, den einen als Torheit, den anderen als Ärgernis erscheint?

Sollen sie sich als Besatzung einer belagerten Festung betrachten, oder die von Hans Urs von Balthasar vor mehr als 50 Jahren angesprochene "Schleifung der Bastionen" bejahen und auf Offenheit setzen? Auf Dialog? Auf Verständigung mit allen Kräften guten Willens? (Wem dürften sie guten Willen von vornherein absprechen?) Das sind nicht nur kirchenpolitisch-strategische Fragen. Sie gehen ans Eingemachte.

Was die christlich-muslimischen Beziehungen betrifft: Zeitgenossen wie Bassam Tibi meinen, es gelte auf einen "europäischen Islam" hinzuarbeiten, der die Prinzipien und Gestaltformen unserer Kultur bejaht. Aber die christlichen Konfessionen haben erst in Jahrhunderten blutiger Konflikte den Weg zu dieser Bejahung gefunden. Sollen wir den muslimischen Zeitgenossen den gleichen "Leidensweg" (Böckenförde) wünschen?

Oder gibt es Alternativen? Etwa im Zeichen einer Kultur der Begegnung, die zur Überwindung von Kreuzzugsmentalitäten führt? Auf beiden Seiten? Noch ist die Zukunft offen. Noch haben wir, vielleicht, die Chance der Besinnung und Entscheidung.

Heinrich Schneider, geboren 1929, lehrte Philosophie der Politik, Politikwisssenschaft, Sicherheits- und Europapolitik an in- und ausländischen Universitäten (von 1968 bis 1991 an der Universität Wien). Der Beitrag beruht auf Teilen eines Vortrags in der von der Österr. Kommission "Iustitia et Pax" organisierten Veranstaltungsreihe "Kirche und Europa".

Samstag, 15. April 2006

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