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Datum:   20.02.1999
Ressort:   Feuilleton
Autor:   Jens Jessen
Seite:   16

Ordnungswahn und Strafe

Robert Altmans großartige Parabel vom notwendigen Durcheinander

Es gibt diese Frauen von vierzig oder fünfzig Jahren, die nichts zu tun haben, aber alles kontrollieren. Sie haben keine Aufgabe, aber einen wütenden Ehrgeiz, keine Verantwortung, aber den Willen zur Macht. Alles Warme, Lebendige ist ihnen verhaßt. Sie unterjochen, was ihnen in die Quere kommt. Selten werden sie für das Unheil, das sie über ihre Umgebung bringen, bestraft (es sei denn vom Leben selbst); denn sie treten auf als Hüter der Ordnung, des Anstands und der Sauberkeit. Wo sie putzen, wächst kein Halm mehr.

Es gehört daher zu den wunderbaren, märchenhaften Zügen von Robert Altmans Wettbewerbsbeitrag "Cookie s Fortune", daß es hier einmal anders herum kommt, und das unordentliche, organisch wuchende Prinzip des Lebendigen über den weiblichen Kontrollwahn siegt. Glenn Close, die das Monster namens Camille Dixon mit dem nervösen Charme der Erleuchteten spielt, eckig, hastig, wie ferngesteuert, tritt als Tyrannin einer jüngeren Schwester auf, die jeden eigenen Willen verloren zu haben scheint.

Diese Schwester (Julianne Moore) ist ein somnambules, weiches Wesen, das nicht nur im Leben von der Älteren manipuliert wird, sondern auch in dem Laientheater, in dem sie zu Ostern die Salome geben soll. Wie Oscar Wildes Salome an den unsichtbaren Fäden ihrer Mutter Herodias hängt, deren Wünsche sie unbewußt ausführt, so bewegt sich Cora unter der Regie der älteren Schwester. Es ist ein rührendes, dilettantisches Gemeindekirchentheater, aber immerhin doch eine Kunstwelt, in der die Strenge von Camille triumphieren kann und die daher gut geeignet ist als Gegenstück zu der faulen, schläfrigen Atmosphäre der Südstaaten-Kleinstadt, in der die Geschichte spielt.

Dort lebt auch die Tante der beiden Schwestern (Patricia Neal), schwermütig ihrem verstorbenen Mann nachhängend, aber liebevoll umsorgt von dem schwarzen Diener Willis (Charles S. Dutton). Sie sind ein rührendes Paar, dessen gutmütige Verschrobenheit sich bis in die Körpersprache ausdrückt: wie der dicke Willis leicht angetrunken durch die Gegend zockelt, die Alte arthritisch die Treppe hochklettert. Es gibt wohl kaum einen Regisseur, der seine Figuren schon im Gestischen so plastisch charakterisieren kann wie Robert Altman; die Schärfe seines Blicks ist die eines mitleidenden Verstehens. Er liebt, was er analysiert, er denunziert es nicht.

In seiner Kleinstadt sind alle etwas skurril und etwas enthemmt und der Trunksucht sachte ergeben; auch die süße, knabenhafte Großnichte der Alten (Liv Tyler), die mit Willis den Whiskey teilt und mit dem einfältigen Jungpolizisten das Bett; anfallsweise auch ein rummeliges Eckchen in der Polizeistation. Nicht nur Camille Dixon ist verrückt in ihrem Puritanismus. Ein bißchen verwirrt ist auch die Tante im Schmerz um ihren toten Gatten. Sie bringt sich eines Tages um; sie will ihm folgen ins Paradies. Da kommt es nun zum Kampf von Wahn gegen Wahn, der aggressive Ordnungswahn der lebenden Camille, für die ein Selbstmord in der Familie nicht sein darf, gegen den sanften tristanhaften Liebeswahn der toten Tante.

Für einen schrecklichen Moment scheint es, als könnte Camille siegen und dem armen Willis den Selbstmord als Mord in die Schuhe schieben; dann wäre wenigstens in der Lüge alles in Ordnung. Als Werkzeug der Denunziation soll ihr die willenlose Cora dienen; Cora wird von ihr zur Lüge programmiert wie ein Roboter. Aber dann ändern sich plötzlich die Koordinaten der Wirklichkeit, das sanfte, weiche Gewebe der faulen Kleinstadt gibt gleichsam nach und verformt sich. Cora aber kann nicht schnell genug umprogrammiert werden; sie reißt statt des unschuldigen Willis die große Schwester ins Verderben.

Das ist die philosophische Pointe dieses großartigen Kammerspiels: Camille ist zwar des Mordes ebenfalls nicht schuldig, aber sie hat sich an dem Lebensgesetz der Kleinstadt versündigt, dem friedvollen Durcheinander, in das Ordnung nur um den Preis der Bosheit zu bringen ist.

Cookie s Fortune

20.2., 20 Uhr Zoo-Palast, 21., 12 Uhr Royal-Palast, 18.30 Uhr Urania, 22.30 Uhr International

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24. Januar 2005
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