Volapük

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Volapük

Projektautor Johann Martin Schleyer
Jahr der Veröffentlichung 1880
Sprecher etwa 25
Linguistische
Klassifikation
Volapük
Besonderheiten Erste verbreitete und praktisch verwendete Plansprache.
Sprachcodes
ISO 639-1: vo
ISO 639-2: vol

Volapük ist eine Plansprache, die 1879 bzw. 1880 von dem aus Oberlauda (heute Stadtteil von Lauda-Königshofen) stammenden Pfarrer und späteren Prälaten Johann Martin Schleyer aus Litzelstetten (heute Stadtteil von Konstanz) geschaffen und vorgestellt wurde. Nach Solresol 1817 bzw. 1856 (die Sprache der Kinder in Spielbergs Film "Unheimliche Begegnung der dritten Art", 1977) war sie die zweite Plansprache überhaupt, die nennenswerte Verbreitung gefunden hat. Wie Solresol bildet sie in ihren Aspekten einen Forschungsgegenstand der Interlinguistik.

Mit dem Namen Volapuk (engl. Wikipedia) bezeichnet man heute im slawischen Sprachraum auch die (inoffizielle) Transliteration kyrillischer Buchstaben über Computersysteme mit westlichem Lateinalphabet, etwa per Chat oder Instant messaging.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anfangs war die Sprache recht erfolgreich. Es bildeten sich Volapük-Gesellschaften in Europa, die sich nach Nord- und Südamerika und sogar einigen Teilen von Asien ausbreiteten. Bereits nach wenigen Jahren hatte Volapük angeblich über 100.000 Anhänger – ob diese jedoch die Sprache wirklich beherrschten, ist ungewiss. Es gab aber immerhin mehr als 1.000 diplomierte Volapük-Lehrer.

Mit der Zeit erwies sich Volapük als zu schwer erlernbar, um sich dauerhaft durchsetzen zu können. Der Wortschatz wurde zwar verschiedenen europäischen Sprachen entnommen, allerdings wurden die einzelnen Wörter z.T. so stark verändert, dass sie kaum noch einen Wiedererkennungswert hatten. Der Name „Volapük“ selbst wurde aus den englischen Wörtern world und speech gebildet. Volapük heißt also Sprache der Welt oder Weltsprache.

Eine weitere, nicht minder folgenschwere Bürde für die Entstehung eines lebendigen Volapük war, dass Schleyer versuchte, die Kontrolle über seine Sprache zu behalten und die Volapük-Akademie autokratisch zu beherrschen.

Ab Mitte der 80-er Jahre des 19. Jahrhunderts kehrten viele Volapük-Anhänger der Sprache den Rücken und verließen die Weltsprachbewegung. 1888 trat der Nürnberger Volapük-Verein zum Esperanto über.

Volapük war relativ rasch gegen Ende der 1880-er Jahre "out", und damit die Idee einer Welthilfssprache. Erst etwa ein Jahrzehnt später wird das schon 1887 von Ludwig Samenhof entwickelte Esperanto wieder einen zahlenmäßig größeren Kreis von Menschen für sich gewinnen.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg begann der Niederländer Arie de Jong mit einer kompletten Durchsicht von Wortschatz und Grammatik. 1929 traf er sich mit Mitgliedern der noch immer bestehenden Volapük-Akademie und dem Volapük-Präsident ('Cifal'). Nachdem diese revidierte Fassung akzeptiert wurde, veröffentlichte er zu Beginn der 1930er Jahre eine neue Leitgrammatik und ein modellhaftes Wörterbuch Volapük-Deutsch und Deutsch-Volapük.

Zur Zeit gibt es nur noch wenige Menschen, die Volapük beherrschen, vor allem, um das historische Erbe der kurzen Volapük-Ära zu bewahren. Die Bedeutung des Volapük liegt darin, dass zum ersten Mal eine neue Sprache nicht ein bloßes Projekt blieb, sondern von einer Sprachgemeinschaft angewandt wurde.

Volapük hat die ISO 639-Kürzel vo und vol.

Chronologie

  • 1879 Johann Martin Schleyers Konzept einer Welthilfssprache
  • 1880 Veröffentlichung des ersten Volapük-Lehrbuchs in Sigmaringen
  • 1884 Erster Weltkongress in Friedrichshafen
  • 1887 Zweiter Weltkongress in München - Gründung der Volapük-Akademie
  • 1888 Nürnberger Volapük-Gruppe tritt geschlossen zum Esperanto über
  • 1889 Dritter Weltkongress in Paris
  • 1889 Auguste Kerckhoffs wird Präsident der Volapük-Akademie; es kommt zum Streit mit Schleyer.
  • 1902 Die ehemalige Volapük-Akademie veröffentlich unter Rosenberger ein völlig anderes Sprachprojekt: Idiom Neutral
  • 1931 Arie de Jong veröffentlicht das revidierte Volapük nach Billigung durch Akademie und Cifal.

Rezeption

Auf einige Europäer wirkt Volapük auf den ersten Blick nicht sehr attraktiv. Diesen Eindruck gab der Schwede Paul Nylen (1870-1958) rückblickend nach seiner Konversion zu einem anderen System mit folgenden Worten wieder:

"Es war im Jahr 1891, glaube ich. Ich war Gymnasiast in Norrköping. Volapük befand sich in seiner Blütezeit; auch ich lernte es, korrespondierte darin mit einigen Fremden, und versuchte mich bis zur Begeisterung für die Grobheiten zu erwärmen, die der Abt Schleyer vorstellt hatte - eine Begeisterung, deren natürliches Ziel die Idee einer internationalen Hilfssprache selbst war, doch deren konkretes Objekt nicht geeignet war, um diese Begeisterung langfristig zu nähren."

1892 lernte Nylen dann Esperanto kennen und er bekannte: "Meine vorherige Begeisterung für Volapük wurde ab diesem Moment erstaunlich gering..."

Im Dänischen wird das Wort 'volapyk' heute synonym für (absichtlich) Unverständliches (Fach-Chinesisch, elitäres Kauderwelsch) benutzt. Ähnlich hat es Erich Kästner in seinem zynischen Gedicht "Sogenannte Klassefrauen" verwendet:

Wenn es gälte, Volapük zu lernen,
und die Nasenlöcher zuzunähn
und die Schädeldecke zu entfernen
und das Bein zu heben an Laternen
morgen könnten wir's bei ihnen seh'n.

Volapük-Alphabet

Das Volapük-Alphabet besteht aus 27 Buchstaben : a ä b c d e f g h i j k l m n o ö p r s t u ü v x y z. Diese werden alle wie im Deutschen ausgesprochen. Abweichungen gibt es nur bei:

c = dsch. cil (dschil) = Kind
j = sch. jad (schad) = Schatten
v = w. vin (win) = Wein
y = jott. yag (jag) = Jagd

Beispiele

Volapük ist eine agglutinierende Sprache, das heißt Wörter bekommen durch das Anhängen von Vorsilben und Nachsilben unterschiedliche Bedeutungen:

pük = Sprache
pükön = sprechen (-ön ist die Infinitiv-Endung)
pükel = Redner
pükelä = rhetorisch (-ä ist die Adjektivendung)
nepük = Schweigen (ne- ist die verneinende Vorsilbe)

Vaterunser in Volapük

O Fat obas, kel binol in süls,
paisaludomöz nem ola!
Kömomöd monargän ola!
Jenomöz vil olik,
äs in sül, i su tal.
Bodi obsik vädeliki givolös obes adelo.
E pardolös obes debis obsik,
äs id obs aipardobs debeles obas.
E no obis nindukolös in tentadi,
sod aidalivolös obis de bad.

Volapük-Hymne

Volapükahüm fa Zorell F.

Sumolsöd stäni blodäla!
Dikodi valik hetobs;
Tönöls jüli baladäla
Volapüke kosyubobs,
Vokobsöz ko datuval:
"Menade bal, püki bal!"

Volapükhymne von F. Zorell

Friede, Brudersinn zu pflegen
Eintrachtsinn sei uns Panier!
Jauchzet diesem Werk entgegen!
"Eine Sprache", ruft mit mir
gelte auf dem Erdenrund!
Das erstrebe unser Bund!

Anfang des Johannes-Evangeliums in Volapük

1. Primo vöd ädabinon, e vöd äbinon in God, e vöd äbinon God.
2. Si! vöd äbinon primao in God;
3. val edavedon dub on, e nen on nos edavedon uta, kel edavedon.
4. In on lif äbinon, e lif äbinon lit menas.
5. Lit stralon ini dag, e dag no elasumon oni.

Grammatik

Kasus

Deklination Singular Plural
Nominativ vol (die Welt) vols (die Welten)
Genitiv vola (der Welt) volas (der Welten)
Dativ vole (der Welt) voles (den Welten)
Akkusativ voli (die Welt) volis (die Welten)

Wortbildung

Bei zusammengesetzten Wörtern steht das Wichtige am Ende:

pokamon = Taschengeld
monapok = Geldtasche

Man beachte: "Pokamon" hat nur rein äußerlich etwas mit Pokémon zu tun. Es ist lediglich eine Zusammensetzung aus den englischen Wörtern "pocket" (= Tasche) und "money" (= Geld).

Eigenschaftswörter

Eigenschaftswörter (Adjektiva) enden immer auf ik:

gret = Größe, gretik = groß (geht zurück auf englisch "great")
smal = Kleinheit, smalik = klein (geht zurück auf englisch "small")
pöf = Armut, pöfik = arm (geht zurück auf lateinisch "pauper")
gud = Güte, gudik = gut – bad = das Böse, badik = böse (geht zurück auf englisch "good" und "bad")
cem = Zimmer (geht zurück auf französisch "chambre")
yad = Hof (geht zurück auf englisch "yard")
völ = Wand (geht zurück auf englisch "wall")
böd = Vogel (geht zurück auf englisch "bird")
log = Auge (geht zurück auf lateinisch "oculus") – lil = Ohr (geht zurück auf französisch "oreille")

Von den Substantiven Auge und Ohr sind die Verben logön (= sehen) und lilön (= hören) abgeleitet.

Grundzahlen

Die Grundzahlen beginnen und enden auf einem Konsonanten mit einen Vokal. Endkonsonant ist stets ein "l". Man beachte die Reihenfolge der Vokale (a, e, i, o, u, ä, ö, ü) ; nur bei „7“ ist wieder ein "e" eingeschoben. Im Originalvolapük wurden die Zehner mit dem Plural-s gebildet: 10 bals, 20 tels, 30 kils usw. 11 balsebal, 12 balsetel, 13 balsekil usw. Erst später wurde mit Einführung des Wortes "deg" ein dem Esperanto angepasstes System eingeführt.

bal = 1 eins
tel = 2 zwei
kil = 3 drei
fol = 4 vier
lul = 5 fünf
mäl = 6 sechs
vel = 7 sieben
jöl = 8 acht
zül = 9 neun
deg = 10 zehn
degbal = 11, degtel = 12, degkil = 13 ...
teldeg = 20, teldegbal = 21, teldegtel = 22 ...
tum = 100
tumbal = 101, ... tumteldegkil = 123
mil = 1.000
telmil kiltumfoldeglul = 2.345
degmil = 10.000
balion = 1.000.000 Million
folbalion jöltumveldegmälmil kiltumteldegzül = 4.876.329
telion = 1.000.000.000 Milliarde

Bims gretik lul = fünf große Bäume

Verbformen

Die Passivformen der Verben werden durch Voransetzen des Konsonanten "p" und eines Vokals gebildet. Hier aufgezeigt an Hand des Verbs "löf" (= lieben, abgeleitet vom englischen Wort "love"):

pa = Präsens: palöfob = ich werde geliebt
pä = Imperfekt: löfob = ich wurde geliebt
pe = Perfekt: pelöfob = ich bin geliebt worden
pi = Plusquamperfekt: pilöfob = ich war geliebt worden
po = Futur I: polöfob = ich werde geliebt werden
pu = Futur II: pulöfob = ich werde geliebt worden sein

Kritik

Die bedeutungstragenden Unterschiede sind oft sehr gering, so dass viele Wörter nur schwer auseinander zu halten sind.

Die Laute ö ([œ]) und ü ([y]) sind für einen großen Teil der Menschen schwer auszusprechen, wenngleich der Projektautor Johann Martin Schleyer das „gerollte“ Zungenspitzen-R ([r]) aus seiner Plansprache eliminierte, um den Chinesen den Zugang zu Volapük zu erleichtern.

Der Wortschatz ist bizarr. Die Sprache wirkt auf den ersten Blick befremdend und manchmal sogar kindisch. Es fehlen die internationalen Wörter oder sie sind so entstellt, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen sind.

Weblinks

Wikipedia auf Volapük
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