Hauptnavigation:

Sie sind hier:

 

Lesen!

 
Harald Schmidt und Elke Heidenreich. Quelle: ZDF
Harald Schmidt und Elke Heidenreich (in der Kulisse von "Des Kaisers neue Kleider" in der Kölner Kinderoper)

Lesen!

Unterschiedliche Interessen

Elke Heidenreich und Gast Harald Schmidt mit Büchern für Frauen und Männer

Bernhard Vetter

Frauen lesen Frauen- und Männerbücher, beklagt sich Elke Heidenreich, aber Männer lesen nur Männerbücher. Das liegt wohl daran, dass sie sich nicht wirklich dafür interessieren, was Frauen denken und fühlen. Vielleicht machen die Männer ja bei einigen der vorgestellten Bücher mal eine Ausnahme.

 
 
 
 

Sybille Bedford, inzwischen hochbetagte Gerichtsreporterin, ist "Ein Liebling der Götter", ihr Roman ist stark autobiografisch. 1911 geboren als Tochter eines deutschen Barons und einer Engländerin, wuchs Bedford zunächst in Berlin auf. Als die Mutter von einer Affäre ihres Mannes erfährt, bricht sie dort ihre Zelte ab und begibt sich mit ihrer Tochter auf eine rastlose Reise durch Europa. Materielle Not gibt es nicht, stattdessen viel Bildung, aber keine Liebe, fasst Elke Heidenreich zusammen.

Zitat

»Deren wichtigstes Problem ist, dass man den richtigen Champagner zur Zwiebelsuppe trinkt.«

Elke Heidenreich über die Frauen in "Ein Liebling der Götter"

Reisende Großbürger

Bereits 1963 ist das Buch erschienen und es beschreibt die Probleme großbürgerlicher Reisender. "Deren wichtigstes Problem ist eigentlich immer, dass man den richtigen Champagner zur Zwiebelsuppe trinkt", so Elke Heidenreich. Das Leben ist anscheinend ohne Sinn und Ziel. Und letztlich geht es darum, dass Frauen sich den Umständen hingeben, anstatt ihr Leben in die Hand zu nehmen und etwas daraus zu machen.

 

"Luisa" von Paula Fox ist die Geschichte eines Dienstmädchens, wir sind also am anderen Ende des Kontinuums. Luisa wächst als Tochter eines Dienstmädchens in der Karibik auf. Ihr Vater geht in den 30er Jahren aus Furcht vor einer Revolution mit ihr und seiner Frau nach New York und landet dort als Straßenkehrer in einem Latino-Slum. "Die Mutter stirbt an Überarbeitung. Das kleine Mädchen hat eigentlich eine gute Schulausbildung, könnte eigentlich was Besseres werden und wird auch Dienstmädchen", so Elke Heidenreich.

Harald Schmidt. Quelle: dpa
dpa
Harald Schmidt

Leben in Episoden

Der beherzte Schritt in ein anderes Leben unterbleibt. "Man wurschtelt immer so weiter und lebt sein Leben in kleinen Episoden", sagt Elke Heidenreich. "Was haben wir in der Hand, was wird von außen bestimmt? Warum ist man manchmal so lethargisch und läuft im alten Trott weiter? - Das sind zwei Bücher über das unergründliche Herz der Frauen, für das Männer sich in der Regel nicht interessieren", stichelt Elke Heidenreich auch in Richtung ihres Gastes Harald Schmidt.

Und der enttäuscht seine Gastgeberin auch in sofern nicht, als dass er mit viel Männerliteratur kommt. Da ist als erstes J. M. Coetzee's Roman "Zeitlupe". Vorweg: Sie können das Buch natürlich im Internet bestellen, dann müssen Sie den Namen nicht aussprechen. Wenn Sie doch in die Buchhandlung gehen: Die Verkäufer können viele Aussprachemöglichkeiten zuordnen, aber korrekt und darüber hinaus unverfänglich ist "Kutsie". "Zeitlupe" ist ein Männerroman, weil er sich darum dreht, dass der beinamputierte Fotograf Paul Rayment auf der Suche nach einer passenden Pflegerin ist.

 

Stumpf ohne Stil

Die "Wie geht's uns denn heute"-Krankenschwester hat natürlich keine Chance, genau wie die eine oder andere weitere, die ihm "tierisch auf die Nerven" geht, wie Harald Schmidt erzählt. Erst bei einer kroatischen Einwandererin wird der Invalide schwach. Aber Marijana ist verheiratet und außerdem treu. "Er glaubt, sie zu lieben. Aber nach meinem Gefühl ist er einfach nur wahnsinnig scharf auf sie", so Harald Schmidt. Auftritt Elisabeth Costello: Als eine Art Engel zwingt sie Rayment, über sein Leben nachzudenken.

Zitat

»Schlecht gelaunter Autor mit Hormonstau beschreibt beschissene Zukunft.«

Elke Heidenreich über Michel Houellebecq

Bei Michel Houellebecq gehen die Ansichten von Elke Heidenreich und Harald Schmidt dann schon sehr auseinander. Sie: "Schlecht gelaunter Autor mit Hormonstau im Gehirn beschreibt beschissene Zukunft. Und das in jedem Buch." Harald Schmidt empfiehlt trotzdem "Die Möglichkeit einer Insel", denn "die Hauptfigur ist ein 48-jähriger Fernsehkomiker, der schwerreich ist, aber sexuell am Ende." Schmidt, selbst 48 und - nun ja - besserverdienender Fernsehkomiker, sagt: "Das ist eine Figur, die sehr weit weg ist von mir. Da möchte man natürlich mal durch Literatur erfahren, worum's geht." Lese-Tipp von Schmidt: "Das Zukunftsgeschwurbel kann man überblättern."

 

Schöne Bescherung

Schön zum Verschenken zu Weihnachten sind zwei Gedichtsammlungen: Einmal der Kanon Gedichte von Marcel Reich-Ranicki. Er hat fast 1400 Lyriken zusammengetragen und Elke Heidenreich stellt anerkennend fest: "Das ist die Frucht eines langen Leselebens." Schon etwas länger auf dem Markt, aber jetzt neu überarbeitet, ist "Der ewige Brunnen". Der Untertitel hilft bei der Einordnung: "Ein Hausbuch deutscher Dichtung". Unter mehr als 1600 Gedichten sollte sich das passende zu jeder Gelegenheit und Gemütsverfassung finden lassen.

 

Infobox

Informationen zu den in der Sendung vorgetragenen Gedichten:

Chemisch gereinigtes Weihnachtslied von Erich Kästner
Morgen, Kinder, wird's nichts geben!

Der wackere Schwabe von Ludwig Uhland

Erinnerung an die Marie A. von Bertolt Brecht

 

Richtig weihnachtlich wird es mit "A Concert of Angels". Es enthält Bilder von Engeln, die häufig Musik machen, und die Musik dazu gibt es auf vier CDs. "Das ist schön, das hör' ich immer zuhause beim Arbeiten", erklärt Elke Heidenreich. Und dann verabschiedet sie die Zuschauer in die lange Weihnachtspause von Lesen!, die bis 7. Februar dauert, mit einem Anti-Weihnachtsgedicht von Erich Kästner: "Morgen, Kinder, wird's nichts geben. Nur wer hat, kriegt noch geschenkt. Mutter schenkte euch das Leben, das genügt, wenn man's bedenkt. Einmal kommt auch eure Zeit, morgen ist's noch nicht so weit."

 

Infobox

Lesen!

Die Stiftung Lesen hat zur Sendung "Lesen!" eine aufklappbare Broschüre herausgebracht, die Sie für 1,00 Euro in Briefmarken bei folgender Adresse bestellen können:

Stiftung Lesen
Römerwall 40
55131 Mainz
Telefon: 0 61 31 - 2 88 90-0
Fax:0 61 31- 23 03 33
E-Mail: mail@stiftunglesen.de

Die nächste Sendung von "Lesen!" mit Elke Heidenreich strahlt das ZDF am Dienstag, den 7. Februar 2006 aus. Gast dann: Mariele Millowitsch.