"Wir müssen der Linkspartei mit Fakten das Wasser abgraben", forderte Unionsfraktionschef Volker Kauder am Wochenende. Die Union tut sich damit allerdings nicht leichter als die SPD. Seit Meinungsforscher einen Einzug der Linken in den hessischen Landtag bei der im Januar 2008 anstehenden Wahl für möglich halten, hat auch die CDU ein Problem. Wenn die Linke in Hessen Erfolg hat, könnte Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nicht nur die absolute Mehrheit verlieren, selbst mit der FDP zusammen würde es dann knapp.
Kein Wunder also, dass auch Unionspolitiker gelegentlich versuchen, der Linken Themen wegzunehmen. Jahrelang kritisierte die Linkspartei die ihrer Ansicht nach zu niedrigen Bezüge nach dem Arbeitslosengeld II. Nachdem höhere Milch-, Butter- und Brotpreise Schlagzeilen gemacht hatten, dachten ausgerechnet Bayerns scheidender Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und sein Thüringer Amtskollege Dieter Althaus öffentlich über eine Erhöhung nach. Althaus forderte eine Erhöhung gemäß der Inflationsrate, was in der eigenen Partei als "unsystematisch" abqualifiziert wurde. "Populistisch raunendes Wischiwaschi" nannte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer das im "Tagesspiegel".
Der Vizekanzler und SPD-Vormann Franz Müntefering hatte trotzdem ein Problem. Wie soll man die eigenen Leute ruhig halten, wenn sich die Linke demnächst auf CDU-Unterstützer berufen kann? Müntefering kündigte also am Freitag eine Überprüfung der Mechanismen an, nach denen die soziale Grundsicherung erhöht wird. Bestandteil der Prüfung soll auch sein, wie durch einen "flächendeckenden Mindestlohn garantiert werden kann, dass die Ausgaben des Bundes für Grundsicherung nicht steigen".
Mit dem Wort Mindestlohn provozierte Müntefering absichtlich die Union. Der Zusammenhang zwischen Hartz IV und Mindestlöhnen sei "sachlich falsch", rügte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Flächendeckende Mindestlöhne hatte die Union erst im Juni bei einem Koalitionsgespräch definitiv abgelehnt. Die Union argumentiert, Mindestlöhne vernichteten Arbeitsplätze. Münteferings Gegenargument lautet, ohne Mindestlohn muss der Staat immer mehr Geld für die Aufstockung von Löhnen geben, bei denen netto weniger übrig bleibt als die Grundsicherung. Würde die Grundsicherung aufgestockt, wären Bund und Länder mit einigen Milliarden Euro zusätzlich dabei. Der Mindestlohn ist für die SPD eines der wenigen Gewinnerthemen.
Auf solche Probleme muss die Opposition natürlich keine Rücksicht nehmen. Bütikofer sprach sich dafür aus, die Grundsicherung gleich auf "390 bis 450 Euro" zu erhöhen und ging damit weiter als DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, die nur eine jährliche Beihilfe für Schulranzen verlangte. FDP-Chef Guido Westerwelle will statt der Sozialtransferempfänger die "vergessene Mitte" fördern.
Aus der eher einfach zu lösenden Frage, ob Grundsicherungsempfänger durch die Erhöhung einiger Preise tatsächlich über Gebühr belastet sind und einen Sonderzuschuss verdienen - wie 2001 für Heizkosten -, ist eine verworrene Diskussion geworden, die die Stimmung in der Koalition und ihre Außenwirkung nicht gerade verbessert. Erreicht wird, was verhindert werden sollte: Das Wasser fließt auf die Mühlen der Linkspartei.
Aus der FTD vom 13.08.2007
© 2007 Financial Times Deutschland
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