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FIGARO trifft | MDR FIGARO | 22.12.2007 | 22:00 Uhr (Wdh.)
Vorruhestand ohne Ruhe
Wiederholung der Sendung von Mittwoch, 19.12.2007 | 18:00 Uhr
Der Theologe und Publizist Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg ist eine der markantesten ostdeutschen Stimmen im gesellschaftlichen Diskurs. Jetzt geht er offiziell in den Vorruhestand.
auf dieser Seite:
Friedrich Schorlemmer, Theologe und Bürgerrechtler; Rechte: dpa
Friedrich Schorlemmer, Theologe und Bürgerrechtler
"Ich werde diesen Begriff 'Vorruhestand' nicht gebrauchen", sagt der frisch aus dem Amt Geschiedene und will sich so auch künftig verhalten. Und dennoch hofft der Theologe und Publizist Friedrich Schorlemmer, dass die Ruhezeiten länger werden und er sie selbstbestimmt füllen kann. An Ideen und Aufgaben mangelt es ihm nicht, denn schon immer wollte er sich in menschliche und gesellschaftliche Problemfelder hineinwagen, um nach Lösungsansätzen zu suchen oder auf Gefahren hinzuweisen. Seine Stimme wurde zur moralischen Instanz, auf die man auch in Zukunft nicht verzichten möchte. Daher wird aus Schorlemmers Vorruhestand wohl eher ein "Etwas-ruhiger-Stand".
"Es ist so, dass ich jetzt nicht mehr irgendetwas muss, weil das meine Arbeit ist, sondern ich selber bestimmen kann, was ich tue und hoffe, dass ich da noch auch was tun kann."
Friedrich Schorlemmer
 
Zur Person: Friedrich Schorlemmer
1944 als Sohn eines Pfarrers in Wittenberge geboren, wird er aus politischen Gründen nicht zum Abitur zugelassen, kann es aber an der Volkshochschule nachholen. 1962 verweigert Friedrich Schorlemmer als Pazifist den Wehrdienst. von 1962 bis 1967 studiert er in Halle evangelische Theologie. Ab 1968 ist er Vikar in Halle und Studieninspektor in den Franckeschen Stiftungen. Von 1971 bis 1978 arbeitet Schorlemmer in Merseburg als Jugend- und Studentenpfarrer und wirkt von 1978 bis 1992 als Dozent am Evangelischen Predigerseminar und Prediger an der Schlosskirche in Wittenberg. Ab Anfang der 80er-Jahre in der kirchlichen Friedensbewegung der DDR engagiert, lässt er im Lutherjahr 1983 in Wittenberg ein Schwert zu einer Pflugschar umschmieden. Das Bibelwort "Schwerter zu Pflugscharen" ist zu dieser Zeit Hauptangriffsziel der offiziellen DDR-Propaganda. 1988 legen Schorlemmer und seine Friedensgruppe dem Evangelischen Kirchentag in Halle die regimekritischen "20 Wittenberger Thesen" vor.
 
Ostberlin, 4. November 1989 - größte nichtstaatliche Kundgebung der DDR-Geschichte; Rechte: dpa
Ostberlin, 4. November 1989 - größte nichtstaatliche Kundgebung der DDR-Geschichte
Im September 1989 tritt die von Schorlemmer mitbegründete Bürgerbewegung "Demokratischer Aufbruch" erstmals an die Öffentlichkeit, als Sammelbewegung demokratisch, sozial und ökologisch engagierter Bürger, die die gewachsene Eigenständigkeit der DDR nicht in Frage stellen. Am 4. November 1989 wendet sich Schorlemmer mit dem Luther-Wort zu "Lasset die Geister aufeinanderplatzen, aber die Fäuste haltet stille" an die 500.000 Demonstranten in Ost-Berlin. Ende November 1989 gehört er mit Stefan Heym und Christa Wolf zu den Unterzeichnern des Aufrufs "Für unser Land", der die DDR-Bürger zum Bleiben und Mitmachen auffordert. Als der "Demokratische Aufbruch" nach rechts abdriftet, wechselt Schorlemmer im Januar 1990 zur Ost-SPD. In der Frage der deutschen Einheit plädiert er für ein langsames, in den europäischen Einigungsprozess eingebundenes Vorgehen. Bis 1994 ist er SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat von Wittenberg.
 
Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg und Christian Führer aus Leipzig, beide Pfarrer und Bürgerrechtler, demonstrieren im Januar 2003 gegen den Irakkrieg.; Rechte: dpa
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Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg und Christian Führer aus Leipzig, beide Pfarrer und Bürgerrechtler, demonstrieren im Januar 2003 gegen den Irakkrieg.
Seit 1992 ist Friedrich Schorlemmer Studienleiter an der Evangelischen Akademie in der Lutherstadt. In den Massenmedien und in seinen Büchern wendet er sich gegen eine Dämonisierung ebenso wie gegen eine Verklärung der DDR-Geschichte. Aufsehen erregt er, als er 1993 öffentlich gegen den undifferenzierten und politisch instrumentalisierten Gebrauch von Stasi-Akten auftritt. Als erster DDR-Bürgerrechtler plädiert er 1999 für ein differenziertes Amnestiegesetz, das bei verurteilten SED-Funktionären nach individueller Schuld bei Menschenrechts-Verletzungen fragen sollte. Er kritisiert die NATO-Luftangriffe gegen Serbien 1999 und die USA-Militäreinsätze gegen Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Er plädiert für die Stärke des (internationalen) Rechts gegen das Recht des Stärkeren, für eine Bekämpfung der Ursachen des Terrorismus und nicht nur der Terroristen. Seit 2006 gehört Schorlemmer zu den Herausgebern der linken Wochenzeitung "Freitag".
 
Schorlemmer gehört dem P.E.N.-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland an. 1989 erhielt er die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte, 1993 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2002 die Ehrendoktorwürde in Austin/Texas. Anfang 2007 erschienen im Aufbau-Verlag "Ich habe keinen Gott. Aber Gott hat mich." und "Lass es gut sein. Ermutigungen zu einem gelingenden Leben". Jetzt verabschiedet sich Friedrich Schorlemmer in den offiziellen Vorruhestand.
 
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