Industrielle Revolution

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Unter der Industriellen Revolution versteht man die "rapide und sozial spannungsreiche" [1] Umgestaltung der technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, die den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft kennzeichnen [2].

Die Industrielle Revolution ging Ende des 18. Jh. von Großbritannien aus. Im 19. Jahrhundert breitete sie sich über West- und Mitteleuropa und die USA aus. Gegen Ende dieses Jahrhunderts wurden auch Russland und Japan erfasst. Manche Entwicklungsländer durchschreiten erst heute (gegen Ende des 20. Jahrhunderts – Beginn des 21. Jahrhunderts) diesen Prozess, oder haben ihn bis heute noch nicht begonnen.

Arnold Gehlen hat sie für die bedeutendste Revolution der Produktivkräfte seit der "neolithischen Revolution" erklärt, also dem Übergang vom Jagen, Sammeln und Fischen zu Landwirtschaft und Viehzucht in der Jungsteinzeit vor rund 10.000 Jahren, da diese einen vergleichbar drastischen sozialen Wandel mit sich brachte.

Neben einer enormen Entwicklung der Produktivität und der Wissenschaften war die Zeit der Industriellen Revolution geprägt von sozialen Missständen, die in Pauperismus, Ausbeutung und massenhafter Verelendung zum Ausdruck kamen. Daraus ergab sich als ein gesellschaftspolitisches Kernproblem die Soziale Frage. Langfristig bewirkte die Industrialisierung jedoch eine erhebliche Verbesserung der materiellen Verhältnisse breiter Bevölkerungsschichten.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte

Der Begriff der industriellen Revolution kam in Frankreich während der französischen Revolution auf. Zu Beginn diente er als Analogie, um den politischen Wandel in Frankreich mit den in etwa gleichzeitig ablaufenden Veränderungen der gewerblichen Produktionsformen vor allem in Großbritannien zu vergleichen. Ähnlich war die Verwendung auch in den folgenden Jahrzehnten, so 1827 in einem Bericht der Zeitung Moniteur Universel oder 1837, als Adolphe Jérôme Blanqui den Begriff in diesem Sinn verwandte. Bereits zwei Jahre später wurde er von Natalis Briavoine als Prozess- und Epochenbegriff genutzt.

Außerhalb Frankreichs tauchte er erstmals 1843 bei Wilhelm Schulz und 1845 in der Schrift von Friedrich EngelsDie Lage der arbeitenden Klassen in England“ auf. Auch Engels verglich die politische Revolution in Frankreich und die gewerbliche Entwicklung in Großbritannien. Für ihn war die industrielle Revolution eine Epochenzäsur: „... kaum kennt die Weltgeschichte ein Ereignis, welches in dem kurzen Zeitraum weniger Menschenalter so außerordentliche Veränderungen hervorgebracht, so gewaltsam in die Schicksale der gebildeten Völker eingegriffen hat und noch eingreifen wird, als die industrielle Revolution, in welche unsere Zeit begriffen ist.

Während der Begriff hier auf die von England ausgehende industrielle Entwicklung begrenzt wurde, hatte Schulz ihn auch bereits auf andere Epochen angewandt. Darin folgte ihm vor allem die angelsächsische Tradition, z.B. John Stuart Mill. Dieser verwandte den Begriff 1848 zur Kennzeichnung jedes schnellen technologischen und sozialen Wandels. Allgemeine Verbreitung fand er allerdings erst durch Arnold Toynbee, dem man deshalb lange die Prägung des Begriffs zugeschrieben hat.

Mit der Zeit bildeten sich bezüglich der industriellen Revolution zwei Begriffsebenen heraus: Die eine meint die mit der Entstehung der Großindustrie verbundene Epochenbezeichnung, während die andere auf einen unabgeschlossenen Prozess fortlaufenden Gesellschaftswandels zielt. Im 20. Jahrhundert trat das Begriffsverständnis im Sinne von Zeitalter der Industrialisierung stärker hervor.[3]

Technologische Entwicklung

Technischer Fortschritt

Allgemein ist seit Mitte des 18. Jahrhunderts eine starke Zunahme neuer Erfindungen festzustellen; diese waren insbesondere bei der neuartigen Nutzung nicht-menschlicher Energie und im Textilgewerbe auszumachen. Die Zahl der gültigen Patente wuchs in England von 102 im Jahr 1750 auf 6155 im Jahr 1850.

Mit nachhaltigen Folgen überarbeitete James Watt 1769 die Dampfmaschine, die ehemals von Thomas Newcomen erfunden worden war. Sofort erkannten die Unternehmer die Effektivität dieser Dampfmaschine. Ihre Einführung führte zu einer noch stärkeren Intensivierung der Industrieproduktion. So wurde z.B. die Textilindustrie von den vorher heimischen Kleinproduktionsstätten in große Fabriken umgelagert, wo dampfbetriebene Webstühle schnell und produktiv Stoffe herstellten. Die Textilindustrie gab weiteren Branchen den Anstoß sich zu entwickeln und wird daher als Schlüsselindustrie der Industriellen Revolution in England bezeichnet.

Als Folge maschinengetriebener Produktion stieg die Nachfrage nach Brennstoffen, wodurch Kohleabbau lukrativ und durch weitere Erfindungen immer produktiver wurde. Auf Grundlage der Dampfmaschine wurde die Eisenbahn erfunden, die eine enorme Produktivitätssteigerung im Transportwesen ermöglichte. Durch fortschreitende Spezialisierung brachte die Industrialisierung in einem bis heute anhaltenden Prozess immer neue Gewerbe hervor.

Die Spinnmaschine und der mechanische Webstuhl

Im 18. Jahrhundert waren zwei Kleidergarnituren für das einfache Volk noch ein Luxus; kostengünstigere Textilherstellung versprach den Produzenten aber Möglichkeiten zur Absatzsteigerung. 1760 wurden in England etwa 1.300 Tonnen Baumwolle verarbeitet; 1860 waren es 190.000 Tonnen - eine Steigerung nahezu um das Hundertfünfzigfache. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der größte Teil der aus den Kolonien importierten Baumwolle in Heimarbeit verarbeitet: Die ganze Familie war beschäftigt. Doch die Weber konnten mehr Garn verarbeiten, als vier Spinner(innen) in der selben Zeit von Hand herzustellen vermochten. Die Nachfrage an Garn führte dazu, dass der Preis enorm anstieg und dass sogar Preise für Erfindungen zur Erhöhung und Qualitätsverbesserung der Garnproduktion ausgesetzt wurden.

Die Ratinger Textilfabrik Cromford gilt als erste Fabrik auf dem europäischen Kontinent
Die Ratinger Textilfabrik Cromford gilt als erste Fabrik auf dem europäischen Kontinent

Die technologische Revolution begann zunächst in England: James Hargreaves entwickelte 1764 eine Spinnmaschine, die nach seiner Tochter „Spinning Jenny“ benannt wurde. Nur fünf Jahre später entwickelte Richard Arkwright die Waterframe, welche mit Wasserkraft betrieben wurde. Durch diese Kombination konnte der Techniker Samuel Crompton 1779 mit einer Weiterentwicklung noch viel feineres Garn herstellen. Anfangs gegenüber Ausländern geheim gehalten und in England durch Patente geschützt, wurde die Waterframe 1783 mittels Industriespionage für die deutsche Textilfabrik Cromford kopiert; von dort aus verbreitete sich das mechanisierte Spinnen über den europäischen Kontinent, später auch in die USA. Die Produktion wurde nochmals enorm gesteigert, als die Dampfmaschine die Wasserkraft ablöste. Das Ergebnis war, dass ein Spinner zu Beginn des 19. Jahrhunderts soviel Garn erzeugen konnte wie 200 Arbeiter vor der Erfindung der „Jenny“. Das bedeutete aber gleichzeitig das Ende der Heimindustrie – sie konnte nicht mehr mit den größeren, dampfbetriebenen Maschinen Schritt halten. Anfang des 19. Jahrhunderts befanden sich davon etwa 100.000 in den entstandenen Spinnfabriken. Der Preis des Garns sank enorm. Ergebnis: Die billig gewordenen Baumwolltextilien steigerten den Absatz in England und machten 1830 mehr als die Hälfte der englischen Exporte aus.

Die Weberei blieb gegenüber der Modernisierung in der Spinnerei lange zurück – bis der Londoner Pfarrer Edmond Cartwright 1784 den mechanischen Webstuhl erfand; aber er benötigte etwa 50 Jahre, bis er sich endgültig durchsetzen konnte. Der Grund war, dass gut 250.000 Handweber erbitterten und brutalen Widerstand leisteten und aus Angst um ihren Berufsstand und vor der Modernisierung sogar Fabriken niederbrannten. Der Aufstand blieb aber erfolglos, da Industrielle und Konsumenten von den neuen Produktionsweisen profitierten.

Die Dampfmaschine

James Watt
James Watt

Vor der Industrialisierung waren die Menschen beim Produzieren auf die eigene Kraft und auf die von Wasser, Wind und Tieren angewiesen. Zwar hatten manche sich bereits mit dem Bau von Kraftmaschinen beschäftigt; doch fehlte es oft an den technischen Möglichkeiten, um ihre Ideen zu verwirklichen.

Erst James Watt verband Wissenschaft und Praxis: Als Mechaniker sollte der gelernte Uhrmacher an der Universität Glasgow ein kleines Modell der Newcomenmaschine reparieren und wurde dabei auf die Schwächen dieser Dampfmaschine aufmerksam. Von da an testete er in jahrelangen Versuchsreihen die Eigenschaften des Dampfes und die Verwendbarkeit verschiedener Metalle. Trotzdem lag zwischen dem Modell seiner neuen Dampfmaschine (1765) und einer kaufmännisch verwertbaren, wesentlich leistungsfähigeren Arbeitsmaschine noch mehr als ein Jahrzehnt.

Unterstützt und finanziert wurde Watt bei der Entwicklung und ersten Fertigung von dem Industriebaron Matthew Boulton. Ein Grund für Boultons Investitionsbereitschaft mag in Watts Patent gelegen haben, das vor jeglicher Konkurrenz schützte. Mit dem königlichen Patent durfte man schon seit dem 17. Jahrhundert Erfindungen auf begrenzte Zeit allein nutzen. Watts Dampfmaschine wurde innerhalb kurzer Zeit zur wichtigsten Arbeitsmaschine in den verschiedensten Bereichen (Pumpen, Hämmer, Gebläse und Walzen wurden dadurch angetrieben).

Kohleabbau und Schwerindustrie

Seit dem 16. Jahrhundert wurde in England Kohle für den Hausbrand und herkömmliche Industrie verwendet. Um 1800 nahm der Bedarf noch zu, als Holzkohle durch das Roden der Wälder knapper und teurer wurde. Anfangs wurde nur im Tagbau abgebaut – aufgrund der fehlenden Pumpen für den Untertagbau (Wasserpumpen für das Schmutzwasser). Seit die Dampfmaschine als Wasserpumpenantrieb eingesetzt wurde, konnte Kohle aus immer größeren Tiefen abgebaut werden. Dampfmaschinen wurden auch zum Befördern von Menschen und Material in den Schächten genutzt und als Zugmaschinen für beladene Karren auf Holz-, später dann Eisenschienen eingesetzt (gegen Ende des 18. Jahrhunderts).

Eisenbahn durch London
Eisenbahn durch London

Für die Eisenerzeugung wurde (bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts) Holzkohle verwendet – obwohl Abraham Darby schon 1709 aus Steinkohle Koks hergestellt und damit Eisen zum Schmelzen gebracht hatte. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts konnte gutes Eisen billig und in großen Mengen erzeugt werden, anfänglich vor allem zur Verarbeitung als Kriegsgerät. Es wurden aber auch Gegenstände für den Hausgebrauch und für die Industrie hergestellt. Trotzdem brauchte man mehrere Tage um 10 Tonnen Stahl zu erzeugen. Henry Bessemer erfand 1855 die effizientere „Bessemerbirne“. Eisen hatte aber schon zuvor Holz und Stein als Werkstoff abgelöst (z.B. bei kleinen Gebäuden, Brücken, Schiffen und Gegenständen aus Blei).

Verkehrsmittel

Wichtige Bestandteile der Industriellen Revolution waren neben der Fortentwicklung der Dampfmaschine die Entwicklung maschinell betriebener Fahrzeuge wie der Dampflokomotive durch Richard Trevithick, Timothy Hackworth, John Blenkinsop und George Stephenson und des Dampfschiffs durch Robert Fulton zu Beginn des Jahrhunderts. Mit Lokomotiven und Dampfern konnten Waren über Land und Meer sehr schnell und innerhalb einer berechenbaren Zeit transportiert werden, da die Dampfaggregate gleich bleibende Energie lieferten.

Ökonomische Entwicklung

Veränderung der Produktionsweisen

Mit der Nutzung der Dampfmaschine als Grundlage der Energieerzeugung an Stelle von Wasser- und Windenergie wurde ein tief greifender technologischer Wandel eingeleitet. Handarbeit konnte mechanisiert werden; aus Manufakturen entwickelten sich Fabriken und damit eine neue Produktionsweise, die zuerst in der englischen Baumwollverarbeitung, dann in weiteren Industriezweigen Einzug hielt. Die Dampfmaschine beseitigte die Abhängigkeit von witterungsbedingten saisonalen Schwankungen der Energiequellen. Wind- und wassergetriebene Mühlen oder Pumpen wurden durch Dampfgetriebe ersetzt. Mit der Umwandlung von Dampfkraft in mechanische Kraft wurde der Bau von Fabriken weit entfernt von Wasserläufen möglich. Die Energiekapazitäten der kleinen Mühlen und Manufakturen vermochten nicht mit der Dampfenergie zu konkurrieren.

Dabei wurden vorhandene Prinzipien der Herstellung durch neue ersetzt (Landes, Wohlstand, S. 205): "menschliche Fertigkeit und Anstrengung durch die ebenso schnell wie gleichmäßig, präzise und unermüdlich funktionierende Arbeits-Maschine"; "belebte durch unbelebte Kraftquellen, insbesondere durch die Erfindung von (Kraft-)Maschinen, die Wärme in Arbeit umwandeln" (und damit vielfältige Energieträger erschließbar machen); "Verwendung neuer Rohmaterialien in größeren Mengen, vor allem die Ersetzung pflanzlicher und tierischer Substanzen durch anorganische und schließlich synthetisch hergestellte Materialien".

Die damit verbundenen Veränderungen der Arbeitswelt verliefen nicht konfliktfrei. So kam es in England zur Erhebung der Maschinenstürmer ("Ludditen"). Arbeiter sahen ihren Lebensunterhalt bedroht und protestierten gegen diese Entwicklung teilweise mit Gewalt und Sabotage in Fabriken.

Adam Smith
Adam Smith

Kapitalbildung für eine zentralisierte Produktion

Zur Industrialisierung in großem Stil wurde das entsprechende Kapital benötigt, das die Finanzierung von Maschinen, Fabrikanlagen und Verkehrsinfrastruktur ermöglichte. Neben Banken, adeligen Großgrundbesitzern, Kaufleuten, dem Kolonialhandel und Handwerkern trugen zur Kapitalbildung auch die Minimallöhne der abhängig Beschäftigten bei. Es wurden außerdem Kapitalgesellschaften gegründet, die es erlaubten die Investitionssumme auf mehrere Gesellschafter zu verteilen und gemeinsame wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Nordenglische Grubenbesitzer verbanden sich mit Londoner Kohlehändlern; Brauereibesitzer mit Malzlieferanten und Erfinder mit Kapitalgebern, Maschinenbauer mit Spinnereien. Technische Erfindung wurde genutzt und verbessert, die Arbeitsteilung und Spezialisierung vorangetrieben und die Betriebe vergrößert. In der den Prozess einleitenden englischen Industrie nahm die Pro-Kopf-Erzeugung stetig zu. Der Absatz der Massengüter war durch die seinerzeitige Weltmachstellung des Britischen Imperiums nicht nur in England gesichert, sondern auch in den Kolonien und in Kontinentaleuropa, wo englische Produkte bis in das 19. Jahrhundert den Markt beherrschten.

Wirtschaftsliberalismus

Wichtige theoretische Grundlagen für die Industrielle Revolution lieferten der englische Wirtschaftsliberalismus bzw. die Klassische Nationalökonomie. Die liberale Wirtschaftsordnung Englands im 18. Jh. wurde durch den schottischen Moralphilosophen Adam Smith erstmals detailgetreu beschrieben und als ursächlich für den Wohlstand der Nationen bewertet.

Die Klassische Nationalökonomie brach mit der politischen Ökonomie des bis dahin vorherrschenden Merkantilismus. Im Gegensatz zu diesem hielt die wirtschaftsliberale Auffassung jede nützliche Arbeit für produktiv. Indem sie dem persönlichen Wohl diene, nütze sie auch der Gesellschaft. Monopole, die im Merkantilismus als nützliche Einnahmequelle für den Staat angesehen wurden, lehnte Adam Smith ab. Die von ihm entwickelte Theorie der “unsichtbaren Hand“ wurde zur vorherrschenden Wirtschaftslehre.

In moralphilosophischer Hinsicht äußerte Smith, nicht eine höhere Instanz, sondern der Mensch selbst setze sich seine Schranken. Damit stellte er dem bis dahin vorherrschenden Menschenbild von Thomas Hobbes, wonach der Mensch des Menschen Wolf sei (vgl. Leviathan), ein positives Bild vom Menschen entgegen.

Der Staat zog sich demgemäß aus der wirtschaftlichen Regulierung weitgehend zurück, übernahm hauptsächlich ordnungspolitische Funktionen und garantierte den Bürgern Eigentumsrechte, sodass ein industriell ausgerichtetes Bürgertum sich herausbilden konnte.

Demografische Entwicklung

Bevölkerungswachstum

Eine wichtige Antriebskraft für die Industrialisierung war die Bevölkerungsexplosion ab Mitte des 18. Jahrhunderts bis spät ins 19. Jahrhundert. Während im 18. Jahrhundert die Sterberate etwa so hoch war wie die Geburtenrate, erhöhte sich die Bevölkerungszahl während der industriellen Revolution explosionsartig. Um die schnell wachsende Bevölkerung Englands zu ernähren, reichte die traditionelle Dreifelderwirtschaft nicht aus. Eine Agrarrevolution, in der auf die viel produktivere Fruchtwechselwirtschaft und ertragreichere Feldfrüchte umgestellt wurde, sorgte für mehr Nahrungsmittel. Die mit der Industriellen Revolution auch verbundene Mechanisierung der Landwirtschaft steigerte das Nahrungsmittelangebot zusätzlich und beschleunigt auf diese Weise wiederum das Bevölkerungswachstum.

Weitere Gründe für die Bevölkerungszunahme lagen in medizinischen Fortschritten (Entdeckung der Viren und Bakterien) und in verbesserter Hygiene (Gesunderhaltung durch verbreitete Aufklärung und standardisierte Verhaltensweisen). Auch die Bauernbefreiung trug ihren Teil dazu bei, wo sie zu selbstverantwortlicher landwirtschaftlicher Bodennutzung auf der Basis von Eigentum oder Pachtverträgen führte. Auf die im Gegensatz zum Feudalsystem daraus resultierenden wirtschaftlichen Anreize zu Investitionen in eine höhere Ertragskraft des landwirtschaftlich genutzten Bodens ist Adam Smith in seiner Publikation "Der Wohlstand der Nationen" ausführlich eingegangen.

Urbanisierung und Migration

Erstmals galten im damaligen England die heute selbstverständliche freie Berufswahl, die Gewerbefreiheit, die freie Wahl des Wohnsitzes und des Ehepartners. Viele Bauern verkauften ihr kleines, oft unrentables Stück Boden oder gaben ihren Pachtvertrag auf. Die vorwiegend ländlichen Heimarbeiten konnten mit der wachsenden und billigeren Konkurrenz der Fabrikerzeugnisse nicht mehr mithalten. Hunger und wachsende Armut trieben die schnell wachsende ländliche Bevölkerung in die neu gegründeten Industriestädte. Die einsetzende Landflucht war eine direkte Folge der Industrialisierung. Kleinbauern und Landlose fingen an, in die Städte abzuwandern und dort Arbeit zu suchen. Diesen Vorgang nennt man Urbanisierung. Arbeiter für die Industrielle Revolution standen damit ausreichend zur Verfügung. Andererseits wanderten Millionen von Menschen in die USA oder andere Staaten in „Übersee“ aus, weil sie für sich keine auskömmliche Zukunft in ihrer jeweiligen Heimat sahen.

Soziale Entwicklung und Begriff der „Sozialen Frage“

Gustave Doré, Ein Hundeleben, 1872
Gustave Doré, Ein Hundeleben, 1872

Mit der landwirtschaftlichen Revolution ging die Zeit der Hungersnöte in Westeuropa zu Beginn der industriellen Revolution zu Ende. Die nun schnell wachsende landlose Bevölkerung, die in die Städte strömte, traf auf eine für eine wesentlich kleinere Stadtbevölkerung ausgelegte Infrastruktur. Rechtsstaatliche Regelungen für die neu entstehenden Arbeitsverhältnisse in den Industriebetrieben gab es noch gar nicht. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen des sich entwickelnden Industrieproletariats waren vorwiegend von Elend und Ausbeutung bestimmt. Die Lebenserwartung blieb gering. Die sozialen Missstände wurden im 19. Jahrhundert unter dem Begriff Soziale Frage diskutiert, zu der von verschiedenen Seiten Lösungsansätze entwickelt wurden.

Quellen

  1. http://www.bpb.de/wissen/NAIUWJ,0,0,Industrielle_Revolution.html
  2. http://lexikon.meyers.de/meyers/Industrielle_Revolution
  3. Dietrich Hilger: Industrie als Epochenbegriff: Industrialismus und industrielle Revolution. In: Geschichtliche Grundbegriffe: historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd.3. Stuttgart: Klett-Cotta, 1982. S.286-296

Siehe auch

Industrialisierung Frankreichs, Industrielle Revolution in Deutschland
Industrialisierung, Automatisierung, Technischer Fortschritt;
Urbanisierung;
Kapitalismus;
Zweite industrielle Revolution, Digitale Revolution
Revolution; Sozialer Wandel

Literatur

  • Christoph Buchheim: Industrielle Revolutionen. Dtv, München 1994, ISBN 3-423-04622-8
  • Fernand Braudel: Sozialgeschichte des 15. - 18. Jahrhunderts. 3 Bände. Kindler, München 1985/86 (Originaltitel: Civilisation matérielle, économie et capitalisme, XVe - XVIIIe siècle)
  • Hans-Werner Hahn: Die Industrielle Revolution in Deutschland. 2. Auflage. Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-57669-0
  • Friedrich Hayek: Capitalism and the Historians, The University of Chicago Press, ISBN 0-226-32072-3 (Taschenbuch 1963)
  • Eric Hobsbawm: The Age of Revolution, 1962, Nachdruck 1996, B&T, ISBN 0679772537
  • David Landes: Wohlstand und Armut der Nationen. Warum die einen reich und die anderen arm sind. Siedler-Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-88680-525-5
  • Toni Pierenkemper: Umstrittene Revolutionen. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Fischer, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-596-60147-9

Weblinks

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