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Pierre Guillaume: Genozid - Holokaust - Schoa...: eine Frage der Terminologie? (Teil 1) [Dieser Aufsatz erscheint zeitgleich in
Sleipnir. Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik, Heft 33]Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns... Johannes 1,14 Der Nürnberger Gerichtshof sprach von „Genozid“; diverse Richter,
nicht sonderlich gebildet und den aktuellen Entwicklungen jedenfalls hinterher, verurteilen wegen Leugnung des „Holokaust“, und in den tonangebenden Kreisen heißt es „Schoa“. Warum so viele Wortschöpfungen für ein
und dieselbe Sache? Warum wechselt immerzu der Begriff für das, was sich während des Zweiten Weltkrieges im von den Deutschen besetzten Europa hinsichtlich der Juden abgespielt hat? Wenn sich ein Wort bzw. ein
Begriff für einen Vorgang nicht vor dem Hintergrund bislang unbekannter Tatsachen oder Beurteilungen verändert, wie und warum geschieht es dann? Warum wird die Neuigkeit für so bedeutsam gehalten, daß sogar Schulbücher
überarbeitet werden? Warum heißt das heute „Holokaust“, was früher „Genozid“ hieß und von nun an „Schoa“ heißen wird? Es ist nicht schwierig festzustellen, daß der Mechanismus der Verbreitung der Wörter in diesem
Fall analog zum Mechanismus der Verbreitung der Moden verläuft. Da sie für den, der sie benutzt, keinen interessanten konzeptionellen Inhalt aufweisen, funktionieren diese Sprachschöpfungen als Paßwörter, mit denen der
Benutzer seine Zugehörigkeit bezeichnet oder seine Unterwerfung bedeutet. Die Leichtigkeit, mit der diese ins Leben gerufen und angenommen werden, läßt das Ausmaß des Verfalls des Denkens und der Geschichtsschreibung
mit wissenschaftlichem Anspruch erkennen. Mit einer Namensgebung wird einer Sache eine Bedeutung verliehen, die über die Sache hinaus geht. Dies trifft auf alle, auch auf die einfachsten Dinge zu. Erst recht, wenn
die Sache eine Gesamtheit mehrerer Ereignisse repräsentiert, die man kennt oder die man zu kennen glaubt. Und dies um so mehr noch, wenn diese Gesamtheit mehrerer Ereignisse Gegenstand von Kontroversen über die Realität
und die Materialität von wenigstens einem dieser Ereignisse ist: Der Name, der dieses Etwas bezeichnet, enthält eine Bedeutung und somit eine Deutung. Einen Namen anzuerkennen, das bedeutet ipso facto, die
Interpretation anzuerkennen, die er transportiert. Der Begriff „Genozid“ (vom englischen genocide) ist 1943 von Raphael Lemkin kreiert worden; er tauchte erstmalig in dem im November 1944 im Verlag Columbia
University Press erschienen Buch „Axis Rule in Occupied Europe: Laws of Occupation, Analysis of Government, Proposals for Redress“ auf. Dieser Begriff hat sich seit Ende des Zweiten Weltkrieges so weit verbreitet, daß
er in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist. Raphael Lemkin war ein bis dahin wenig bekannter jüdischer Beamter des polnischen Staates, der nach verschiedenen Drangsalen 1943 in die USA gelangte und als
„Berater“ bei verschiedenen Kriegspropagandaorganisationen der polnischen Exilregierung und der USA tätig war. Das Wort „Genozid“ wurde von ihm zur Bezeichnung des Schicksals der Juden im besetzten Europa erfunden: Er
fügte einen griechischen Präfix (genos – Rasse) mit einem lateinischen Suffix (cide, von caedere – töten) zusammen. „Genozid“ bedeutet die Vernichtung eines ganzen Volkes aufgrund seiner Rasse.
Es kommt auf jedes Wort an. (1) Dieser Begriff diente ausdrücklich zur Unterscheidung des Schicksals der Juden im besetzten Europa von dem der übrigen Zivilbevölkerung, die im Verlaufe des Krieges Opfer von
Deportationen und Massakern wurden. Insbesondere sollte mit ihm das Schicksal der Juden von dem der Armenier im Jahre 1915 abgehoben werden; die Armenier galten ihm als Opfer von Massenmorden im strategischen Rahmen
einer geopolitischen Auseinandersetzung, die jedoch nicht darauf abzielten, eine Rasse zu eliminieren (die türkische Regierung war nicht im geringsten rassistisch, und die armenischen Gemeinde von Istanbul ist
unbehelligt geblieben). Lemkin diente als Schriftsteller mitten im Kriege der Propaganda; inzwischen fällt der Blick auch auf weitere Beispiele für „Genozid“, die von den Alliierten begangen worden waren: z.B. der der
Amerikaner an den nordamerikanischen Indianern und der der Russen an den Wolgadeutschen. Obwohl der Begriff „Genozid“ nur ein Detail im Buch Lemkins ist und, wie es scheint, erst zuletzt dort eingearbeitet wurde,
erhält das Buch aus ihm seinen Sinn. Das Wort „Genozid“ ging in die englische Sprache ein und später, dank massiver Unterstützung der alliierten Kriegspropaganda, in alle anderen Sprachen. Lemkin geht mit dem Begriff
noch unsicher um: Der Mann, der das Wort „Genozid“ schuf, legte es nicht auf den heute verbreiteten Gebrauch fest; er hatte 1943 offenbar nur unter anderem an Massenmorde gedacht. In Lemkins Buch schloß „Genozid“ (eine
Rasse töten) die friedlichen Vorgänge einer kulturellen Vereinigung ein, da diese u. U. auch auf das Ergebnis hinausliefen, von dem angenommen wurde, daß es erwünscht sei: die Eliminierung der kollektiven Identität
eines Volkes, das mithin zu existieren aufhöre. Es muß vielleicht nicht auf die geistige Verirrung hingewiesen werden, die darin besteht, massenhaften und fabrikmäßig bzw. mit den Mitteln von Nobelpreisträgern
organisierten Massenmord mit der Mischehe, mit der Verschmelzung von Völkern oder Teilen der Bevölkerung gleichzustellen. Eine Gleichstellung, die u. a. dazu führt, daß sogar bestimmte Massenmorde entschuldigt werden,
wenn sich die Absicht hinter diesen Massakern für eine Entschuldigung eignet; während auf der anderen Seite verschiedene vollkommen friedliche Verhaltensweisen kriminalisiert werden, indem ihnen die perverse Absicht
unterstellt wird, etwa durch die Erlaubnis interkultureller Ehen ein Volk von der Erde verschwinden zu lassen. Denn was sich offensichtlich aus der Konfusion der Gedankengänge Raphael Lemkins ergibt, ist, daß sich das
besondere Verbrechen des „Genozids“ nicht objektiv aus dem Vorgang selbst bestimmen läßt. Die Absicht und die angenommene Perversität des „Genozids“ stellen eine ausschlaggebende, eine definitionsgemäße Determinante der
Beschreibung des Verbrechens selbst dar. Dieses besondere, ab- und herausgehobene, auch durch friedliche Vereinigung sich liebender Paare etwa generierte Verbrechen relativiert und banalisiert die realen
Kriegsverbrechen und den Krieg selbst. Indem der Mord an Individuen einer Ununterscheidbarkeit im Völkischen gleichgesetzt wird, wird die Ungeheuerlichkeit der Tötung des Lebendigen relativiert, der Wert nichtjüdischen
Lebens negiert, indes auf der anderen Seite ein völkischer Dschihad sogar geheiligt werden kann, falls es sich um einen Krieg gegen das einzig wirklich abscheuliche und unverjährbare Verbrechen – den Lemkinschen Genozid
im Sinne eines Aufgehens vormals unterschiedener Jüdischkeit in anderen Völkern – handelt. Der unverdorben ungläubige Leser mag dergleichen Transzendenz gar nicht für möglich halten. Es kostet nicht geringe
Anstrengung, der Gewißheit, alles, was dem jüdischen Volk in der Geschichte geschieht, sei etwas Besonderes (nicht zurückführbar und vergleichbar dem, das anderen Völkern geschieht), als dem beständigsten Vorurteil in
der jüdischen Metaphysik nachzuvollziehen: allein, nur so gelingt es, den Mäandern des Lemkin’schen Vortrags zu folgen. Dessen logische Folge ist die Feststellung, daß der Genozid das besondere Verbrechen sei, das
die Juden bedroht, welches gerade aus diesem Grunde so besonders abscheulich ist! Die im übrigen tautologische Betonung der Besonderheit und Einzigartigkeit des Schicksals der Juden während des Zweiten Weltkrieges
wird auf diese Weise ironischerweise von Lemkin selbst fundamental in Frage gestellt: Die Idee, der zufolge die „genozidäre“ Assimilierung ein genau so abscheuliches Verbrechen darstelle wie das „genozidäre“ Massaker,
erweist sich unversehens als eine Kostante im Geist der jüdischen fundamentalistischen Kreise, die bei jeder Identitätskrise des Judentums wieder erscheint. Wenn jüdische Kommentatoren die 50 000 Mischehen, die es in
Frankreich geben soll, mit so und so vielen „Zügen nach Auschwitz“ vergleichen, geraten gegenwärtige europäische Ereignisse in den traditionalistischen Rahmen einer jüdischen Metaphysik. Die besondere Bestimmung, die
Lemkin dem „Genozid“ verlieh, erlaubte es, ihn zu benutzen, um die Grundzüge dieser mittelalterlichen Metaphysik wiederzubeleben. Deren zentrale Phantasie bestand und besteht in der These, eine Abstammungsgemeinschaft,
einen genos zu bilden; diese These durchzieht die Geschichte des Judentums, es ist dessen wesentliches Gestaltungsmittel und wurde von Hitler und den Nazis nicht erfunden, sondern übernommen. Der Begriff
„Genozid“ stellt den Begriff der Rasse in den Mittelpunkt. Es wird eine – wirkliche oder angenommene – rassisch motivierte Intention behauptet, was es auf der anderen Seite gestattet, den rassischen Reinheitstraum zu
kultivieren und dabei die Illusion zu vermitteln, diesen zu denunzieren. Sowie ein Begriff geschaffen wird und in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeht, beginnt er ein Eigenleben. In seiner alltäglichen Benutzung hat
das Wort „Genozid“ jeden Bedeutungszusammenhang verloren. Es ist zum Synonym des absoluten Bösen von metaphysischer und unbestimmter Natur, zum Synonym für Massaker und Vernichtung aller Art geworden. Und so spricht man
von Genozid, um die von den Jakobinern, vom Konvent gegen die Vendée geführte Politik zu beschreiben; indes, wenn der Konvent und seine Mitglieder auch ganz unzweideutig mit zahlreichen Erklärungen den Willen zeigten,
den Feind zu vernichten, lag in dieser Politik keinerlei rassistische Motivation, da die Protagonisten nicht Träger verschiedenen genetischen Erbes waren. Und noch mehr wird durch die Benutzung des Begriffes
„Autogenozid“ zur Bezeichnung der brutalen Unterdrückungspolitik der Roten Khmer in Kambodscha der reinste und einfachste Verfall der Sprache und des Denkens unter Beweis gestellt. Das ist kein Zufall, wurde dieses Wort
doch nicht ersonnen, um der komplexen Ereignisse, die Kambodscha in ein Blutbad gestürzt haben, gerecht zu werden, sondern zur Beförderung einer wunderbaren, sich selbst rechtfertigenden Kampagne des Westens. Es ging
den Medien nur darum, mit einem Wort einen neuen Mythos zu schaffen bzw. anzurufen. Einen Mythos, der von sich bewiesen hatte, daß er funktioniert. Es ist eben die verdorbene Benutzung des Wortes „Genozid“ und seiner
ungeeigneten rassischen Konnotation, die Ethnologen dazu führten, nach dem gleichen Muster den Begriff „Ethnozid“ zu kreieren, um das Phänomen zu bezeichnen, das sich in der ganzen Geschichte feststellen läßt: das
Verschwinden, die Vernichtung eines ganzen Volkes. Aber in der realen Geschichte resultiert dieses Verschwinden immer aus einem komplexen Ganzen verschiedener Ursachen. Das sind z. B. ein Kulturschock, wirtschaftliche
und gesellschaftliche Umwälzungen, militärische Auseinandersetzungen, die sich für die technologisch unterlegenen Kulturen als erbarmungslos herausstellen, schließlich auch Massaker. Es kommt der Augenblick, da es dem
besiegten Volk nicht mehr gelingt, sich in seiner eignen Kultur selbst zu repräsentieren, seine Zukunft zu denken. Es folgt ein seelischer und gesellschaftlicher Zusammenbruch, ein Verfall der Sitten und ein
Geburtenkollaps. Werden in späteren Berichten die blutigen militärischen Auseinandersetzungen und die Massenmorde an der Bevölkerung auch in den Vordergrund geschoben – der direkt vom Feind ausgehende gewaltsame Tod
tötet tatsächlich viel weniger Individuen als die Epidemien, die Drogen und alle komplexen Konsequenzen des kulturellen Zusammenbruchs. (Es kommt auch vor, daß diese Konflikte neue gesellschaftliche Strukturen, neue
Kulturen schaffen und dem Volk einen neuen Aufschwung ergeben; vielfach werden beide Tendenzen miteinander und gegeneinander laufen, so daß die Entwicklung eine widersprüchliches und uneinheitliches Bild ergibt.) Die
Entwicklung des Kapitalismus auf planetarischer Stufe kann als eine gewaltige Ethnozid-Maschine beschrieben werden; der derzeitige demographische Einbruch in den kapitalistischen Metropolen führt zu der Frage, ob der
Kapitalismus nicht gerade dabei ist, die Völker zu zerstören, denen er zunächst die materielle Macht gegeben hat, andere zu vernichten. Warum diese Abschweifung? Weil das Wort „Genozid“ – unabhängig von seiner
mißlichen rassischen Konnotation – konzeptionell in der Auffassung gründet, daß – abgesehen vom Tod der Individuen – der Tod einer besonderen Gruppe, d.h. einer spezifischen anthropologischen Formation, eine besondere
Bedeutung hat und als solches betrachtet zu werden verdient. Das Wort Valérys „Wir anderen Kulturen wissen jetzt, daß wir sterblich sind“ deutet auf diese Bewußtseinsbildung hin, daß nämlich die menschlichen Gruppen
Träger einer überindividuelleen Realität sind, die selbst imstande ist, im historischen Prozeß zu existieren, zu agieren, und auch des Todes fähig sind. Aber die Fälle, wo dieses Verschwinden Ergebnis einer physischen
Vernichtung der diese Identität verkörpernden Individuen ist, sind selten: Wolgadeutsche, Bannater Schwaben [auf französisch werden diese bemerkenswerterweise lorrains du banat
– Lothringer im Banat – genannt – d.Ü.], nordamerikanische Indianer, die Arawaks von den Antillen – wobei in den letzten beiden Fällen die militärisch-politisch-kulturelle Niederlage eher zu einer totalen Assimilierung durch Vermischung als zu ihrer Vernichtung geführt hat. Und außer in diesen Fällen hat das Wort „Genozid“ keinen Sinn. Es ist mit einer bestimmten interpretierenden Projektion verbunden. Es ist sinnvoll, vom „Genozid“ an den Wolgadeutschen, den Bannater Schwaben (
lorrains du banat), den nordamerikanischen Indianern zu sprechen, weil die gesellschaftliche und kulturelle Struktur mit fast allen Individuen, die diese gebildet haben, verschwunden ist. Es hat keinen Sinn, von
einem „Genozid“ an den europäischen Juden von 1933 bis 1945 zu sprechen, aus dem einfachen Grunde, weil die Juden in ihrer als soziale, religiöse und nationale Formation nicht nur aus keinem europäischen Land
verschwunden sind, indes auf der anderen Seite sich ihre Zahl außerhalb Europas beträchtlich vergrößert hat und das Judentum – weit entfernt davon, verschwunden zu sein – seit 1945 einen beachtlichen Aufschwung in der
Welt erlebt. Was dagegen tatsächlich verschwunden ist, das ist die Jiddishland genannte soziale Struktur, welche vom Shtetl symbolisiert wird. Aber diese soziale Struktur ist schon zu Beginn des
Jahrhunderts in Krise und in Umwälzung geraten. Sie erlitt seit den 20er Jahren einen demographischen Einbruch und große Verluste durch Emigration. Die Geschichtsschreibung ihres Verschwindens, ihrer Verwandlung wird
feststellen müssen, daß die Unternehmungen Hitlers in diesem Prozeß nur eine nebensächliche Rolle gespielt haben. Wie das Shtetl verschwunden ist, so ist auch das dörfliche Frankreich des Marschall Pétain auf
eine ganz genau so unwiderrufliche Weise verschwunden. Eine brutale und barbarische Vernichtung erfuhren die Deutschen und ihre Kultur der heute zu Polen und Rußland gehörenden deutschen Ostgebiete, die aus weiten
Landstrichen entfernt worden ist, in denen sie eine Mehrheit bildeten und seit Jahrhunderten ansässig waren; aber auch diese war bereits zuvor durch Abwanderung ausgedünnt, und ihre Eigenart auch ohne diese Barbarei
nicht in einem Aufschwung, sondern in einem Niedergang begriffen. Der Begriff „Holokaust“(2) fand in den 70er Jahren weite Verbreitung. Diese begann mit der Ausstrahlung des amerikanischen Fernsehfilmes gleichen
Namens. Das Wort hat aber, neben seiner Qualität als Titel einer Fernsehserie im Stile der soap opera, eine historische und fest umschriebene religiöse Bedeutung und Herkunft. „Holokaust“ ist ein dem Heiligen
dargebrachtes Opfer. Indem die Gott geopferten Tiere von den Priestern oder von der Gemeinde der Treuen bei rituellen Festessen geschlachtet und verzehrt werden, ist der „Holokaust“ von besonderer Feierlichkeit: Er wird
dem Heiligen gebracht, um dessen Zorn zu beschwichtigen, wobei das Tier vollständig vom Feuer verbrannt wird. Der Begriff „Holokaust“ transportiert einen ganzen Komplex von Bildern und Bedeutungen. Es ist gewiß kein
Zufall, daß das Wort auf dem Höhepunkt der Medienwelle aufgetaucht ist und sich durchgesetzt hat, auf der die Juden in den 70er Jahren ins Zentrum dieser seltsamen Religion geschoben wurden, die schließlich mit diesem
Namen bezeichnet wurde. Ausgangspunkt und Grundlage dieses Kalküls dürfte das folgende sein: Die Juden sind vernichtet worden. Ihr Überleben und ihre Wiedergeburt unterliegt einem Wunder. Ihre sowohl profane als auch
mystische Erfahrung bestimmt sie dazu, in diesen ungewissen Zeiten die Menschheit zu führen. Das Wort scheint mit den dantesken Berichten einiger überlebender Zeugen, die von gigantischen Feuerstätten oder glühenden
Gruben sprechen, in denen die Deutschen durch Tausende von Beschickungen Millionen Juden verbrannt und in Asche verwandelt haben, in Zusammenhang zu stehen. Der berühmte Prototyp dieser Berichte ist Elie Wiesels
Zeugenschaft, sein Buch „Die Nacht zu begraben, Elischa“, das nur die literarische Version einer weitverbreiteten mündlichen Überlieferung ist. Als wir (Robert Faurisson, Serge Thion und ich) nach Oslo flogen, um dort
das Flugblatt „Elie Wiesel, ein großer falscher Zeuge“ zu verteilen, war in der Zeitschrift Scanorama, die in den Flugzeugen der Fluggesellschaft SAS auslag, ein großer Artikel zu lesen, der offenbar in
Zusammenarbeit mit Elie Wiesel geschrieben worden war und der den Titel „Voice from the holocaust“ trug; sein erster Satz lautete wie folgt: „A survivor of Auschwitz and Buchenwald, Elie Wiesel, invented the term
holocaust.“ Das Wort, von einem Zeugen erfunden, um das zum Ausdruck zu bringen, was man wohl dessen Phantasmagorien nennen muß, von einem Film popularisiert und von den Medien durchgesetzt, machte eine seltsame
Karriere. Es ist alles andere als ein wissenschaftlicher Begriff; mit ihm läßt sich eine logisch-verstehende Denkarbeit nicht leisten. Es transportiert eine bestimmte, der Mehrheit der Benutzer nicht bekannte
Interpretation, und seine Verwendung führt damit notwendigerweise zu Verwechslungen. „Holocaust“ ist gleichzeitig Synonym für „Genozid“, für Vernichtung und für alles, was den Juden während des Krieges an
Schrecklichem zugestoßen ist. Auch die Verwendung des Begriffes „Holokaust“ beinhaltet, daß das, was den Juden während des Krieges an Schrecklichem zugestoßen ist, etwas gänzlich anderes, nichts mit dem Vergleichbares
sei, was den Polen, den Ukrainern, den Deutschen an Schrecklichem zugestoßen ist, und die Verwendung eines ganz besonderen, aus dem Bereich der Metaphysik und der Religion stammenden Begriffes notwendig machen würde.
Die Verwendung des Wortes erzwingt das Akzeptieren eines Komplexes von Vorstellungen, ohne daß die verpflichteten Anwender über den Inhalt ihrer Rede unter Benutzung des Terminus „Holokaust“ aufgeklärt würden. Diese
Zwingherrschaft wird so lautlos wie offenbar effektiv ausgeübt; anders läßt sich das Jahrzehnte währende Schweigen gegenüber dieser Peinlichkeit und Anmaßung gegenüber den Opfern nicht erklären.(3) Was durch die
Benutzung dieser Vokabel bestätigt wird, ist der „heilige“ Charakter des Ereignisses und sein Bezug zum göttlichen Plan, der sich in der Geschichte verwirklicht. In dieser Perspektive ersetzt das Opfer der Juden
dasjenige Jesu als Gründungsereignis der neuen Zeit: eine theologische Perspektive, deren profane Analogie sich in der Rhetorik des Postmodernismus auf die Erklärung beschränkt, die Vernichtung der Juden stelle eine
radikale Neuerung in der Geschichte dar, um die herum sich die ganze moderne Wahrnehmung des Sinnes der Menschheitsgeschichte rekonstruiere. Die Verwendung des Begriffs „Holokaust“ in der sozialistischen
Gesetzesinitiative zur Unterdrückung des Revisionismus zeigt deutlich, daß man uns nicht vor den Tatsachen, sondern vor einer der Verstandesarbeit ausdrücklich entzogenen Interpretation, also Religion, auf die Knie
zwingen will. Der Begriff „Schoa“ ist eine Kreation der 80er Jahre. Es ist ein hebräisches Wort, das „Katastrophe“ bedeutet. Die Verwendung dieses Begriffes ist von den Medien nach und nach aufgezwungen worden, vor
allem nach dem gleichnamigen Titel des Filmes von Claude Lanzmann. Damit hat, wie schon im Fall des Begriffes „Holokaust“, ein Film für die Popularisierung der Vokabel gesorgt. Die Verwendung dieses Begriffes scheint
zuerst in religiösen jüdischen Kreisen in Reaktion auf die Verwendung des Begriffes „Holokaust“, dessen theologischer Anklang nicht ungefährlich schien, vorgeschlagen worden zu sein. In der Tat diente die Rhetorik des
„Holokaust an sechs Millionen Juden“ dazu, die Bedeutung des Kreuzesopfers Jesu relativ zu entwerten, dieses zu ersetzen. Doch die Idee, daß dieses Opfer Gott dargebracht worden oder von ihm gewollt gewesen sein soll,
war theologisch schwer zu vermitteln und konnte unangenehme Reaktionen auf die profane Symbolik, auf der die Existenz des Staates Israel beruht, haben. Von wem dargebracht? Wofür? Oder warum gewollt? Elie Wiesel,
befragt, welche Beziehung er zwischen dem „Holokaust“ und der Wiedergeburt Israels sehe, antwortete, er würde es vorziehen, vom Mysterium der Schoa und vom Wunder der Wiedergeburt zu sprechen! Mysterium ... Wunder ...
Mystik ... Es darf nicht sein, daß die profane Geschichte der wirklich geschehenen Ereignisse dem Wunder das Mysterium nimmt. Indem man den bzw. die Geopferten in den Geist der Öffentlichkeit pflanzte, riskierte man,
das Alibi des Vaters zu zerstören. Denn Jaweh war bislang in dieser Angelegenheit singulär abwesend geblieben. Er mußte von jedem Aberglauben unbeschädigt bleiben. Nur vor dem Hintergrund der Unschuld und
Teilnahmslosigkeit Jawehs konnte die unverjährbare Anklage erhoben werden, die das Recht auf Wiedergutmachung gegen die Nazis, gegen die Deutschen, gegen die deutsche Kultur, gegen das Christentum, gegen die katholische
Kirche, gegen die Alliierten (die „gewußt, aber geschwiegen haben“), schließlich gegen alle Gojim gab, während die jüdischen Organisationen, die jüdische Führung, keinerlei Verantwortung für den Krieg und das, was
geschehen ist, tragen sollten – die Juden waren absolut reine und unschuldige Opfer gewesen. Damit diese für die profanen Interessen Israels vordergründig so günstige Vision bestehen blieb, mußte sich diese ganze
Geschichte (in der die ganze Menschheit, außer den Juden selbst, schuld und beteiligt war) unbedingt unter Menschen und in Abwesenheit Gottes zugetragen haben. Wäre Gott in Auschwitz anwesend gewesen – oder doch der
gültige Dienst an ihm –, würde alles kompliziert, können Nichtjuden nicht mehr so ohne weiteres exklusiv verantwortlich gemacht werden. Eine Beteiligung Jawehs bzw. seiner Priester, die doch allein den Holokaust
durchführen können, wäre aus Sicht der jüdischen Theologie ohne eine Schuld des jüdischen Volkes nicht mehr denkbar. Ohne die profane Politik ins Arkanum der Theologie und ihren Verschachtelungen zu verschieben, darf
festgestellt werden, daß es der Aufmerksamkeit einer Handvoll Zeloten bedurfte, denen die „Holokaust“-Metapher gefährlich und deplaziert erschien, damit schließlich ein neuer Begriff die Medien und Wohnstuben besetzte.
Gibt es einen besseren Kommentar zur Oberflächlichkeit der Betroffenheitsrituale dieser Lach- und Spaßgesellschaft, dieser Gesellschaft des Spektakels?(4) Die Ersetzung eines Begriffes durch einen anderen hat weder
mit einer neuen historischen Entdeckung noch mit einer Problemstellung, die zu einer Präzisierung von Konzeptionen zwingen würde, zu tun. Man wechselt von einem Wort, das einen bestimmten Sinn hat – „Genozid“ (eine
ganze Rasse töten) – zu einer theologischen Metapher – „Holokaust“ (die noch eine Verbindung mit einer materiellen Vorstellung aufweist: vollständig vom Feuer zerstört) – schließlich zu einem Wort, das im Französischen
ohne jede konkrete Bedeutung ist und das im Hebräischen auf die unklare, unbestimmte und zeitlose Bedrohung deutet, die ständig und zeit seiner Geschichte über Israel schwebt, ob es sich um den Pharao, die Verschleppung
nach Babylon, die Vertreibung aus Spanien, ob es sich um Saint-Louis, um Aman oder Hitler, um Schatan, den Golem oder den Revisionismus handelt. Anmerkungen:(1) Und deshalb: Streng genommen und eigentlich heißt es Rassemord, Mord an einer (ganzen) Rasse – d.Ü. (2) Das Wörterbruch Petit Robert, Paris 1969, bietet
für „Holocauste“ das folgende an: „Dingwort, männlich (12. Jh.; lat. kirchlich-religiöser Gebrauch, griech. Holocaustum ‘vollständig verbrannt’). 1. Gesch. Relig. Bei den Juden religiöses Opfer, bei dem das Opfer
vollständig verbrannt wurde. Einen Hammel/Schafsbock als Holokaust übergeben. – In Analogie: Jedes religiöse Opfer. Siehe Opferung. 2. (Anfang 17. Jh.) Bildlich vollständiges Opfer religiöser oder sonstiger Art. Den
Holokaust seines Herzens, seiner Wünsche, seiner Geschmäcker begehen. 3. Das Opfer. ‘O Frau, freiwilliger Holokaust für die Liebe Gottes’ (Villiers).“ Das Wörterbuch Larousse Universel, 2. Bd. Paris 1969: „holocauste:
Dingwort, männlich (griech. holos, alles, und kalein, brennen). Jüdischer Opferbrauch, bei dem das Opfer vollständig verbrannt wurde. 1. Das solcherart geopferte Opfer. 2. Opfer, Opferung seiner selbst: Der Holokaust
Jesu am Kreuz. 3. Ganzes und großzügiges Opfergabe, Weihgeschenk: Sich im Holokaust dem Vaterland hingeben.“ (3) Peter Steinbach, der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, hat in einer Diskussion mit
Norman Finkelstein
am 7. Februar in der Berliner Urania die Verwendung des Begriffes „Holokaust“ als Synonym für den Massenmord an den Juden als Blasphemie bezeichnet – und damit zumindest sein Problembewußtsein bekundet – d.Ü.
(4) Guillaume spielt hier auf einen Buchtitel Guy Debords an. Siehe seinen Artikel „Guy Debord“ in Sleipnir 1/96 – d.Ü. [
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