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Linus-Model Nr. 18: Peter Spitznagel in der Jura World of Coffee in Niederbuchsiten. |
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Die Kolumne, in der das Leben, die Liebe und das Universum vollständig beschrieben werden.
Seit einem halben Jahr verbringe
ich meine Freizeit hauptsächlich im Unabhängigen
Königreich Südsahrani. Sagen
wir es einmal so: Unabhängig ist vor allem
der König, aber seine Untertanen gönnen
es ihm von ganzem Herzen. «Marieli, ich
liäb di, vo Härze, mit Schmärze…» ist
nach wie vor eines der schönsten Schweizer
Lieder, finde ich, aber in Südsahrani
überwiegt leider zurzeit die wölfische Seite
des Menschen, jene, die im Gesang eine
Aufforderung zum Schusswechsel
sieht. Die verfluchten Sozialdemokraten
der Demokratischen Republik Nordsahrani
haben das Königreich Südsahrani
überfallen, und da musste ich einfach intervenieren,
es war meine Pflicht als Schwei-
zer Computerspieler. Im Augenblick belagere
ich die Sozialdemokraten in der Nähe
der Stadt Corazol, und da es ein sehr
realistisches Spiel ist, lernt man eine Menge
über M61-Flugabwehrgeschütze, M1A1-
Panzer und die süssen Wonnen der Liebe,
wenn man in der Abenddämmerung dicht
neben einem braunhäutigen, schnauzbärtigen
Scharfschützen der südsahranischen
Armee im heissen Sand liegt, den Lauf seiner
Kanone in Griffweite.
Ja, liebe Damen, Krieg ist etwas für
Freddie Mercury und nichts für Schulpräsidentinnen
mit Kurzhaarschnitt und
Foulards aus dem Nonfood-Bereich von
Coop. Männerschweiss und der Geruch
leer geschossener
Patronen ergeben zusammen
das betörende Parfüm ungeschminkter,
behaarter Echtheit. Viele
Frauen fragen sich jetzt vielleicht, wie
man denn in der Abenddämmerung
Freund von Feind unterscheiden kann.
Das ist ganz einfach: Die Sozialdemokraten
tragen in der Abenddämmerung diese
spiessigen Pullover von Tommy
Hilfiger.
Einen solchen Pullover erkennt und trifft
man auf zweihundert Meter. Aber ich will
nichts beschönigen.
Die Königstreuen, also
die Freunde, erkennt man selbst in
stockdunkler Nacht daran, dass sie einem
dauernd die Hand in die Hose zu schieben
versuchen, ja! Ja, ich weiss, es wird
hier immer ordinärer, aber Krieg ist nun
einmal ordinär, ihm fehlen die Facetten,
die Rüschchen, die feinen Nuancen, das
dünne Schäumchen auf einer hausgemachten
Spargelcrèmesuppe. Ihm fehlt
das Grübchen, ihm fehlen die hauchzarten
Federchen eines Bibeli, also eines sehr
jungen Huhns. Krieg ist roh wie der Gesang
von Sängerinnen aus dem Wallis,
aber andererseits lernt man natürlich einiges.
Ich habe zum Beispiel gelernt, dass
man Kampfhubschrauber nicht abschiessen
darf, wenn sie im Anflug sind, weil sie
dann nämlich genau über deiner Stellung
abstürzen und dich und die Königstreuen
ausradieren. Und was habe ich sonst noch
gelernt? Eigentlich nur das mit den
Kampfhubschraubern, aber das ist jedenfalls
schon mehr, als man in einem Greenpeace-
Kurs lernt, wo sie einem zeigen, wie
man einen gestrandeten Wal richtig mit
Wasser übergiesst, nämlich ja nicht mit
dem Gartenschlauch in die Augen spritzen!
Jetzt kommt es mir in den Sinn! Ich
habe noch gelernt, vor gefährlichen Einsätzen
den Spielstand zu speichern; das
hat mich zur Überzeugung gebracht, dass
Kriege, in denen man nur ein Leben hat,
unfair sind.
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