JohannPaulKnohll 3

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Johann Paul Knohll und das ”Vinicultur-Büchlein” von 1667
J. P. K.: Vinicultur-Büchlein | Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 | Teil 5 | Teil 6 | Teil 7 | Teil 8 | Teil 9 | Teil 10 | Teil 11 | Teil 12 | [Bilder der Buchtitel | [Literaturliste]

Das ”Vinicultur-Büchlein” von 1667 als zeitgenössisches Werk vom sächsischen Weinbau und sein Urbeber als Fachautor der Hausväterliteratur * publ. Edition Weinland Sachsen Verlag Helmer Pardun 01445 Radebeul

[bearbeiten] Buch 3: Knohll, die Winzer und Winzerei seiner Zeit

Wo Johann Paul Knohll seine Beobachtungen des Winzerlebens um ihn herum her hatte und wann er sie aufschrieb, steht in der Vorrede des ”Vinicultur-Büchleins”. Die Antwort ist kurz und klar. Knohll kümmert sich um ”die Betrachtung der Natur / des Himmels und ErdenGeschöpffs / Und ist auch nicht zu leugnen / daß Gott seine Allmächtige Wunder in seinen Creaturen also weiset und zeiget / daß ein Mensch genug zu thun / und in derselben nachzuforschen hat.” Das klingt abgeklärt bis gütig und weise im Allgemeinen.

Im Besonderen jedoch entfacht Knohll ein Donnerwetter auf Grund seiner Beobachtung der ”ErdenGe-schöpfe” gegenüber den Jungwinzern der damaligen Zeit, die alles besser wüßten als die Alten, Erfahrenen und nur bedacht seien, daß der ”Herr” wacker zahle, ohne danach fragen zu dürfen, wozu das Geld verwendet werde.

Die damaligen Winzer waren insgesamt sicher eine in bestimmten Maße von sich angetane Berufsgruppe und ließen gegenüber den Bergherren diese ihre vermeintlich fachliche Überlegenheit dabei fühlen. Anspruchsvoll traten sie außerdem auf. Wehe dem Hausvater, sagt Knohll, der sich gegen seinen Winzer am Jahresende nicht um paar Fellen zu einem paar Hosen, ”Tug oder Gewand zu einer Krieche oder Juppe” abfindet. Sein Berg würde diese Unterlassung übel empfinden. Aber auch die Winzerfrau darf nicht vergessen werden, soll im Weinberg gut Wetter bleiben, und so muß der ”Hausvater” sich schon dazu bequemen, ihr eine ”Buschelmütze”, einen ”schönen Latz” oder ”klare (feine) Leinwand zu einem Schleier oder Stirn-Tuche” zu schenken.

Was das Essen und Trinken anbelangt, waren die Winzer darin so tüchtig, daß sie, wie Knohll schreibt, mehr ”Weinzieher als Winzer” seien – im Anhang des Büchleins korrigiert er allerdings dieses ”erratum – vor Weinzieher liese Windzieher” -, die ”die Saufkanne kaum in 8 Tagen einmal vom Maule bringen” und darüber ihre Arbeit versäumten. Gab es zuhause eher frugale Kost aus ”Wolkensuppen, Mehlpäppchen und lauer Märten” (´die Märte, Märde ist ein seit dem 17. Jh. geläufiger ostmitteldeutscher Begriff mit der mehrfachen Bedeutung von ´Mischmasch, Eingebrocktes´, aber auch ´viel Aufhebens, Umstände, Trödelei´” (PFEIFER, 1993), so ”lauffen sie gern mit der Naschparte und essen gerne gute Bißgen”. Zu Tische geladen beim Bergherrn ”lasset er (der Winzer) sich nicht groß nötigen, und ist der Erste in der Schlüssel und ißet manchmal, daß es zwischen den Fingern heraus-dringet. Hernach wischet er seine Hände ans Tischtuch”. Wenn er trinkt, ”läßt ers halb zum Maule wieder auslaufen und auffen Wamste oder Juppe herunter, damit man siehet, daß er auch getrunken. Hernach, wenn was reines noch am Tischtuch zu befinden, nimmt ers vollends, wischt das Maul und die Trauffe uffm Wambste ab. Er siehet was in der Schlüssel liegen bleibe und abgetragen werde, sondern ißet wacker”. Schmach und Schande aber auf den Bergherrn von damals, der seinen Winzer nicht entsprechend gut bewirtet, er wird ”filzicht und knickerhaft geheißen und wenn die Strassen und Wege manchmal reden könnten, würden sie nicht genugsam herzusagen wissen, wie mancher Herr und Hauß-Vater oder Hauß-Mutter zur Bank gehauen wird”.

Schlimmer noch schildert Knohll jene Winzer, die im Bewußtsein ihres Könnens gegenüber dem Weinbergsbesitzer immer wieder auf ihre Unentbehrlichkeit pochen und ständig ihrem Brotherrn seine Angewiesenheit auf ihre Arbeit unerbittlich vor Augen halten möchten und alles andere als höflich und zuvorkommend im Verkehr mit ihren Dienstherren umgingen. ”Rülken” nennt Knohll diese Art Leute, ”stolze Lümmel und Flegel”, die sich zehnmal bitten lassen, ehe sie ihrem Bergherrn Rede und Antwort über sein Eigentum stehen. Sie verlangten, wenn sie zu ihm in die Stadt kommen, ”daß sein Herr flugs uff sie sehen, mit der Hand sie empfangen und zu Tische nötigen soll. Wenn nun ein Herr einen solchen stolzen Kerl nicht mit Essen und Trinken auffwartet, ihme eine Kanne Wein fürsetzet, oder, so er das Lohn, ehe ers verdienet, nicht zuvor heraus giebet, der ist geschwind mit der Uffkündig da und setzet einem Herrn gleichsam den Stuhl für die Tür”.

Das Verständnis für und die Entwicklung von Weinbauarbeit und Kellerkultur eines bestimmten Anbaugebietes können nicht ausreichend behandelt werden, ohne auf diejenigen einzugehen, die ganzjährig mit Pflicht und Pflege dem Pfusch entgegen mit der Instandhaltung der Berge befaßt waren: gemeint ist der auf Weinbau spezialisierte handwerkliche Häcker oder allgemeiner der Stand der Winzer.

In den Weingebirgen entlang von Elbe und Saale-Unstrut gehörten zu dieser Einordnung alle Arbeitstätigen und Berufsausübenden, die ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich aus den Erträgen des Weinbaus bestritten. Darunter fielen Angehörige unterschiedlicher, mehr oder minder sozial angesehener, wie auch ökonomisch schlechter oder besser gestellter Bevölkerungsgruppen, die eigentlich alle Lohnarbeiter waren. Aufgrund ihrer Kenntnisse und Qualifikationen, wohl auch, weil die adligen und bürgerlichen Weinbergsbesitzer aufgrund eigener ungeübter Laienhaftigkeit und ungetrübter Borniertheit in Bezug auf Weinbergssachen auf sie angewiesen waren, wurden sie in ihren Fähigkeiten und in ihrem Ansehen den Handwerkern gleichgestellt. Den Winzern wurden vom Bergherren meist in einem Vertrag über die gegen Lohn zu leistenden Arbeiten eine Weinfläche im Gedinge übertragen.

Die Winzer bewohnten mit ihren Familien am Rande der Ortschaften oder Weinberge ein eigenes einfaches Häuschen, bauten zwischen den Reben Gemüse und Früchte und hielten meist je ein Stück Vieh, ein Schwein und eine Ziege. In schlechten Erntejahren, wenn der Winzerlohn spärlich oder gar nicht floß, mußten sie das Schlachtfleisch oft auf nahen oder fernen Märkten gegen Geld oder fehlende Nahrungsmittel tauschen. Im Winter nahmen die Winzer vielfach landwirtschaftliche Gelegenheitsarbeiten an, um sich und ihre Familien besser ins nächste Jahr zu bringen (BERNUTH, 1988; WEINHOLD, 1973; VOLK IN GERLICH, 1993)