JohannPaulKnohll 5

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Johann Paul Knohll und das ”Vinicultur-Büchlein” von 1667
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Das ”Vinicultur-Büchlein” von 1667 als zeitgenössisches Werk vom sächsischen Weinbau und sein Urbeber als Fachautor der Hausväterliteratur * publ. Edition Weinland Sachsen Verlag Helmer Pardun 01445 Radebeul


[bearbeiten] Buch 5: Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen für den sächsischen Weinbau

Rund 20 Jahre nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges (1618 -1648), zu Zeiten da Johann Paul Knohll in der Hoßlößitz wirkte und schrieb, hatte sich Sachsen allmählich aus der verheerenden Verwüstung seiner einst blühenden Landschaften der früheren Friedenszeit zwischen 1553 bis 1618 einigermaßen wieder erholt.

Nachdem während des Krieges – zu dieser Zeit regierte Johann Georg der I. (1611-1656) das Kurfürstentum – mehr als 16 Jahre lang deutsche und ausländische Söldner in Diensten der verschiedensten europäischen Herrscher und Interessen marodierend sächsisches Land und sächsische Leute geschunden und geschändet und ihnen vielfache Leiden zugefügt hatten, waren die darniederliegende landwirtschaftliche und gewerbliche Produktion, Handwerk und Handel wieder aufgelebt, hatte sich der Bergbau günstig entwickelt. Und auch der Weinbau hatte überlebt. 1638 lagerten in den Hofkellern immerhin 5142 1/2 Eimer Wein und das Jahr 1638 muß ein sehr gutes Weinjahr gewesen sein, wie es auch die Jahre 1652, 64-66, 77-78 und 83 waren. 1650 wurde auf dem Gorrenberg Traubengut für 350-400 Eimer, 1652 für 900 Eimer gelesen und zu Wein gekeltert. 1644 wurden als Ertrag aller Weinberge in und um Dresden ”111 Faß taxirt”. Es maß der Dresdener Eimer 67,362 und das Faß 404,172 Liter.

Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges dehnte sich der Weinanbau noch einmal in einem solchen Maß aus, daß die Regierung wiederholt Verordnungen mit empfindlichen Strafandrohungen bei Zuwiderhandlungen erließ und durch die örtlichen Obrigkeiten auch überwachte, daß gemäß dem Spruch ”Wo der Pflug kann gehen, soll kein Weinstock stehn”, Reben nur noch in geeigneten Lagen auf entsprechenden Böden angebaut werden sollten. 1668 wurden 6464, 1677 rund 6000 und 1678 9611 Faß Wein aus den kurfürstlichen Bergen in sieben Zeughauskeller eingefahren. Der Dreißigjährige Krieg hatte dem sächsischen Weinbau demnach nicht solche Verluste beigebracht, daß diese in den folgenden Jahren nicht wieder wett gemacht werden konnten (vgl. PARDUN, 2001).

Vor allem die Lößnitzer Weinberge hatten nach 1700 schwere Zeiten durchzumachen. Zuviele Nutznießer und Bedienstete hingen am kurfürstlichen Weintropf der Hoflößnitz, der wegen vieler schlechter oder ganz entfallener Jahrgängeoft nur spärlich floß, so daß die Landesherren mehr als einmal erwägten, das gesamte Gebiet der Lößnitzer Weinberge zu veräußern. Nach einer Zusammenstellung von Beschorner (BESCHORNER, 1904) bestand damals das für die Weinberge zuständige staatlich besoldete Beamtenpersonal aus je einem Bergverwalter und Bergvogt, zwölf Winzern, einem Preßmeister samt mehreren Preßknechten und Preßjungen, und je einem Maurer- und Zimmermeister. Anspruch auf Weindeputate aus den Bergen hatten oder machten geltend das gesamte Weinbergspersonal, der Weingebürgsinspektor, die zuständigen Beamten der Hofkellerei, der Kammer, der Rentkammer, der Renterei-Expedition, des Archivs, der Amtsverwalter, der Landbauschreiber und selbstverständlichen die Geistlichen (“wegen der an denen Sonn- und Festtagen vor die genannten königlichen und kurfürstlichen Amtsweinberge von denen Kanzeln tuenden Vorbitten”) aus den Ortschaften Kötzschenbroda, Kaditz, Serkowitz und Reichenberg. Durchschnittlich wurden je Herbst kaum mehr als 40 Faß, allerdings auch nicht weniger als vier Faß eingefahren.

Insbesondere durch den Zuzug einiger Zehntausend protestantischer ”Exulanten” aus Böhmen und Österreich nach Ende des Dreißigjährigen Krieges wurden Ortschaften belebt oder gegründet und neue Industriezweige entwickelt, wie z. B. die Samt- und Seidenweberei. Allerdings wirkte noch die überkommene scharfe Trennung der Stände und das Übergewicht des Adels in Staat und Landwirtschaft fort. Auf dem Lande wurden die Bauern mit ständig steigenden Belastungen in Form von Zinsen, Fronen und Gesindediensten belegt, in den Städten herrschte eine selbstsüchtige und geschäftstüchtige Aristokratie (KAEMMEL, 1999). Patriziat und Proletariat lagen nahe beieinander und legten sich demgemäß immer wieder miteinander an.

Für die bevölkerungs-, wirtschafts- und sozialpolitische Stellung von Adel, Bürgern und Bauern zu- und miteinander zu Zeiten des Johann Paul Knohll in Sachsen hat Wuttke (WUTTKE, 1900) die Ergebnisse mehrerer Zählungen und Schätzungen aus den Jahren 1608 bis 1647 zusammengetragen und gegenüber gestellt. Zum Zwecke der Neuordnung des “Defensionswesens” ließ Christian II. in den Jahren 1608 und 1612 die Mannschaften in den Städten wie auf dem Lande zählen. Als zu erhebende “Mannschaft” galt dabei jeder selbständige (freie) verheiratete Mann und zur Ermittlung der Gesamtbevölkerung wurde auf jede Ehe sechs Personen geschätzt. Demnach gab es 1608 in Sachsen gezählte 129.798 Mannschaften mit einer Gesamtpopulation von 844.857 Bewohnern, für das Jahr 1612 143.408 Mannschaften mit einer hochgerechneten Zahl von insgesamt 932.152 Menschen. Nach dem Steuerkataster von 1647 ergab sich ein Verhältnis des Volksvermögens und seine Verteilung auf den Adel einerseits und den Bürger- und Bauernstand andererseits wie folgt: die Ritterschaft mit allen Untertanen besaßen ein Vermögen von 23.508.000 Gulden, die Bürger in den Städten und die Bauern auf dem Lande zusammen einen Kapitalbesitz von 18.518.00 Gulden.

Angesichts dieser Zahlen kommt Wuttke zu dem Ergebnis, daß, selbst trotz der Macht des Kurfürsten und anders als die politische Geschichtsschreibung immer glauben läßt, der Adel der “politisch maßgebende Stand im Kurfürstentum war” und daß das Bürger- und Bauerntum absolut wie relativ an Bedeutung weit gegen diesen zurückstand. Der jeweilige Kurfürst wirkte zur Vermeidung potentieller politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Konflikten da eher als Moderator in eigener Sache für den Interessensausgleich zwischen den einzelnen “Parteien”; dem Adel half er insoweit, daß dessen Macht nicht gebrochen, sondern dem Dienste am Staate nutzbar gemacht werden konnte, dem Bürgertum verhalf er zur Bewahrung seiner Rechte und den Bauern zur Aufrechterhaltung ihres Besitzstandes. Dennoch “in allen wirtschaftlichen und innerpolitischen Fragen gab der Adel die entscheidende Stimme ab.”

Wie veraltet schon damals, gemessen an den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen in anderen deutschen und europäischen Regionen, die Abhängigkeiten von Lehnsherren und Belehnten auch gewesen sein mögen, die Abgaben, Dienste und sonstigen Verpflichtungen, ein veraltetes, verqueres Steuer- und Verfassungswesen hatten in Sachsen weiter rechtlichen Bestand und blieben auch bis weit nach 1815, wo durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses über die Hälfte des Staatsgebietes vor allem aus thüringischen Kreisen, an Preußen fielen und damit das Land auf 272 Quadratmeilen (knapp 15.000 qkm) miniaturisiert wurde, gültig.

Schon zu Zeiten Johann Paul Knohlls hatten diese weiterhin geltenden und auch vollzogenen über- und untergeordneten Abhängigkeiten die Entwicklungen im Umgang der einzelnen sozialen Schichten und Berufsgruppen miteinander beeinträchtigt. Der Bau- und Bergschreiber in der Hoflößnitz traf zu seiner Zeit vermutlich auf solche, im Gefolge der Auswirkungen des 30jährigen Krieges proletarisierte, verarmte, überbelastete ländliche Arbeiterschaft, wobei vor allem bei den einst hochangesehenen Winzern die eigene, immer noch hohe Selbst- und Standeseinschätzung in veränderten Zeiten eines niedergehenden Weinbaus als Dünkel fortlebte. Kurfürst Johann Georg I. widmete sich nach den langen Kriegszeiten lieber der Jagd als dem Weinbau und sein Nachfolger Johann Georg II. mußte erkennen, daß die kurfürstlichen Kassen kahl und das Staatsvermögen verbraucht waren. Also konnte der Landesherr auch keine Winzer und Küfer gehörig bezahlen, dennoch sollten die Weinberge blühen und die Kellerarbeit Ergebnisse erzielen. Die Weinberge sollten sich soweit selbst erhalten, daß sie Erträge erwirtschafteten, ohne Kosten zu verursachen.