03.11.2007 / Inland / Seite 5

Nazis hui, Rote pfui

Bundeswehr duldet Traditionsfeiern für Görings Vorzeigeflieger. Ehrung revolutionärer Matrosen hingegen ist »unzulässig«. Bundesregierung hält das für normal

Von Frank Brendle
Das Jagdgeschwader 74 darf seit März 2005 nicht mehr »Werner Möl
Das Jagdgeschwader 74 darf seit März 2005 nicht mehr »Werner Mölders« heißen
Offiziere, die Hitler die Hand schüttelten, gehen in Ordnung. Matrosen, die Kontakt zu Sozialisten hielten, sind unzulässig.« So kommentierte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, die am Freitag eingegangenen Antworten der Bundesregierung auf zwei kleine parlamentarische Anfragen.

Anlaß war die unterschiedliche Behandlung zweier Gedenkfeiern: Auf dem Stützpunkt Köln-Wahn ging es um die Matrosen der kaiserlichen Marine Max Reichpietsch und Albin Köbis, auf der Luftwaffenbasis Zell um Wehrmachtsoberst Werner Mölders.

Die Matrosen gehörten einer revolutionären Bewegung gegen den Krieg an und standen im Kontakt mit der sozialistischen USPD und deren Reichstagsabgeordneten Wilhelm Dittmann. Im September 1917 wurden sie wegen »kriegsverrätischer Aufstandserregung« hingerichtet. Zum 90. Jahrestag ihrer Exekution wollte die Kulturvereinigung Leverkusen eine Gedenkveranstaltung am Grabmal durchführen. Dieses gehört der Stadt Köln, ist aber nur über Bundeswehrgelände erreichbar. Dessen Kommandant verweigerte den Zutritt, weil »politische Betätigung innerhalb einer Bundeswehrliegenschaft untersagt ist«. Das geht in Ordnung, meint die Bundesregierung: Der Kommandant hätte sich sonst »dem Verdacht ausgesetzt, seine Vorgesetztenstellung zugunsten einer bestimmten politischen Richtung zu mißbrauchen«.

Kein Problem war es dagegen für die »Mölders-Vereinigung«, bereits im Juni ihre traditionelle »Mölders-Feier« auf der Luftwaffenbasis Zell abzuhalten. Werner Mölders gehörte zu den am höchsten dekorierten Piloten von Görings Luftwaffe, der sich voll in den Dienst der Nazi-Kriegspropaganda stellte. Selbst seine Privatbriefe strotzen von Kriegsbegeisterung (siehe jW-antimilitarismus-Beilage vom 4. Juli 2007) Weil er als Freiwilliger in der Legion Condor die spanischen Franco-Putschisten unterstützte, wurde er 1998 offiziell aus der Bundeswehr-Traditionspflege ausgeschlossen. Das nach ihm benannte Geschwader wurde 2005 umbenannt. Dennoch machen sich Traditionalisten für ihn stark, unter ihnen CSU-Staatssekretär Christian Schmidt im Verteidigungsministerium. Der zählte Mölders in einer Rede im Vorjahr zu den »weitgehend unpolitischen Idolen seiner Zeit«. Die Bundesregierung beteuert: »Ein ehrendes Gedenken des Oberst Werner Mölders findet durch die Bundeswehr nicht statt«, es sei darin auch keine Änderung geplant. Aber: Den Veranstaltungen der Mölders-Vereinigung »in einer Bundeswehr-Liegenschaft stehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken entgegen«. Daß die Vereinszeitschrift Der Mölderianer Mölders »soldatische Tugenden«, die er vorbehaltlos in Hitlers Dienste stellte, als »erstrebenswerte Ideale« bezeichnet – kein Problem. Man kommentiere keine Äußerungen von Vereinen, so die Bundesregierung. In dieser Logik kann auch der Kommandant nicht in Verdacht geraten, womöglich »unzulässige politische Tätigkeiten« zu unterstützen – selbst wenn er eigens für die Vereinsversammlung ein Mölders-Porträt im Offiziersheim aufhängt.

»Was hier passiert, ist nichts anderes als die Auslagerung offener Wehrmachtsverherrlichung an einen rechtslastigen Verein. Mit der Verpflichtung der Bundeswehr auf die Demokratie hat das nichts zu tun«, kritisiert Eva Bulling-Schröter (Fraktion Die Linke), auf deren Initiative der Bundestag 1998 die Legion-Condor-Flieger aus der militärischen Ehrung ausgeschlossen hatte.

Mehr aus der Rubrik Inland (03.11.2007)

»Spangdahlem ist eine der wichtigsten Startbahnen«
Wie sich aus dem Ärger über Abgase und Fluglärm in Rheinland-Pfalz eine solide Antikriegshaltung entwickelt. Ein Gespräch mit Markus Pflüger Artikel lesen
Claudia Wangerin
»Die Stadtwerke gehören den Leipzigern«
Ein Bürgerbegehren soll ihren erneuten Verkauf verhindern. Der Oberbürgermeister will aber die Privatisierung um jeden Preis. Ein Gespräch mit Mike Nagler Artikel lesen
Nora Schareika
Straße frei für Transrapid-Gegner
Teuer, laut und unerwünscht: München steht am Samstag im Zeichen des Protests gegen die geplante Magnetbahnstrecke für Transrapid. Politiker von Linkspartei bis CSU lehnen Großprojekt ab Artikel lesen
Claudia Wangerin
Niedersachsen bleibt ein Härtefall
Wohlfahrtsverbände verlassen nach einem Jahr Kommission, die individuell über Bleiberecht für Flüchtlinge entscheiden soll. Blockade durch rigide Verordnung beklagt. Bisher nur fünf Fälle positiv entschieden Artikel lesen
Reimar Paul
Preis für »Herdprämie«
Konservatives »Familiennetzwerk« will thüringischen Ministerpräsidenten ehren. Gewerkschaften ziehen negative Zwischenbilanz nach einem Jahr Landeserziehungsgeld Artikel lesen
Holger Elias

Navigation


Zum Seitenanfang springen

Aktuelle Angebote und Hinweise der jungen Welt

Online-Abo

Beenden der Sitzung:

logout


Aktuelle Titelseite

Aktuelle Titelseite der Tageszeitung junge Welt

Newsletter

Newsletter Abonnieren

Aktuelle Aktion|

|
|

Annäherungsversuch|

|
|

Beilage am 28.11.|

|
|

Hinein in die LPG!|

|
|

Kulturgut|

|
|

Stadt und Land|

|
|

Online-Shop|

Flach, Anja
|
16,00 EUR

Termine



- Sa./So., 3. / 4. November 2007, Nr. 255

Werbung

jW-Ladengalerie
Print-Abo

Kampa4

Zum Seitenanfang springen