Mike Nagler ist Mitglied der Leipziger »Initiative Bürgerbegehren ›Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt!‹«
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) drängt auf den Verkauf der kommunalen Leipziger Stadtwerke an den französischen Energiekonzern Gaz de France bis Ende des Jahres. Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen?
Zentrale Bereiche der Grundversorgung, die für die Daseinsvorsorge der Bürger wichtig sind, gehören nicht in die Hände privater Unternehmen. Außerdem sollte der Verkauf des Eigentums der Stadt Leipzig, beziehungsweise des Eigentums der Bürgerinnen und Bürger, breit diskutiert werden. Das ist nicht passiert, weil der beabsichtigte Verkauf anfangs vor der Öffentlichkeit geheimgehalten wurde. In den letzten Monaten, als es in die Endphase der Verhandlungen ging, wurden nicht einmal mehr an die Stadträte Informationen weitergegeben.
Wie reagieren die Leipzigerinnen und Leipziger auf Ihre Initiative?
Die Resonanz auf das Bürgerbegehren war durchweg positiv. Die Leute wollen über so eine wichtige Frage selbst entscheiden können. Die Unterschriftenaktion läuft seit zwei Monaten und bis jetzt haben 31300 Leipziger unterschrieben – weit mehr als die benötigten 20800 Wahlberechtigten. Am 6.November wollen wir die Listen dem Oberbürgermeister überreichen und einen Bürgerentscheid in Gang setzen.
Der Oberbürgermeister argumentiert, mit dem Erlös von 520 Millionen Euro könnten diverse Schulden der Stadt beglichen werden. Was halten Sie von diesem Argument?
Für unsere Initiative ist der Kaufpreis nicht entscheidend. Es geht darum, daß die Stadt keine Bereiche verkaufen darf, die allen gehören. Hinzu kommt, daß die Verhandlungen nicht transparent und die Verträge nicht einsehbar sind. Bei solchen Verkäufen gibt es z.B. meist sogenannte Gewinnabführungsklauseln. Auch ist es wichtig zu wissen, welchen Einfluß die Stadt nach dem Verkauf noch bei den Stadtwerken haben wird. Rein betriebswirtschaftlich verhält es sich so, daß jetzt zwar 520 Millionen Euro auf einen Schlag in die Kasse kämen. Aber langfristig würde Leipzig jedes Jahr einen Teil der Erträge der Stadtwerke verlieren. Als Leipzig die Stadtwerke vor vier Jahren von der RWE zurückkaufte, waren sie nur 200 Millionen Euro wert. Ein Beleg dafür, daß die Stadtwerke in kommunaler Hand gut wirtschaften.
Welche Auswirkungen hätte der Verkauf auf die Preise für Wasser und Energie?
Man darf sich keine Illusionen machen: Die Energiepreise werden mit einem privaten Partner auf jeden Fall steigen. Gaz de France würde hier keine 520 Millionen Euro investieren, wenn sich die Geschäftsführung nicht kräftige Gewinne erhoffte.
Welche politischen Kräfte unterstützen das Bürgerbegehren?
Mehr als 20 Bürgervereine und zahlreiche Einzelpersonen tragen unsere Initiative mit, ebenso Mehr Demokratie e.V. und ATTAC. Unterstützung erhalten wir auch von den Gewerkschaften, insbesondere der IG Metall, von ver.di und der GEW. Von den Parteien haben wir Die Linke und die Grünen an unserer Seite sowie einzelne Mitglieder von SPD und CDU.
Der Oberbürgermeister betrachtet das Bürgerbegehren als »belanglos« ...
Jung will den Privatisierungsbeschluß noch im Dezember verabschieden lassen. Er hat angekündigt, alle juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Bürgerentscheid zu verhindern. Unserer Meinung nach ist es ein starkes Stück, sich so zu äußern, bevor noch das Bürgerbegehren auf seine Berechtigung hin überprüft wurde.
Wie wird die Initiative gegen den Ausverkauf Leipzigs weiter vorgehen?
Wir gehen davon aus, daß das Bürgerbegehren einer rechtlichen Prüfung standhält und vom Stadtrat anzuerkennen ist. Sollte es dort dennoch abgelehnt werden, gehen wir in Berufung – wenn es sein muß, bis zum Oberverwaltungsgericht als letzter Instanz.
Übergabe der Unterschriften an Oberbürgermeister Burkhard Jung am 6. November im Stadtbüro Leipzig, Katharinenstraße 2