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REISEREPORTAGE

Die Kapverdischen Inseln

Autor: Dominique Fleckinger

Kapverden - diesen Namen werden zwar Viele schon mal gehört haben. Aber spätestens, wenn es darum geht, das Land auf der Karte zu bestimmen, wird es schwierig. Der kleine Archipel im Mittel-Atlantik macht in der Reisebranche allerdings immer mehr von sich reden - wenn auch nur langsam. Denn drei der neun Inseln bieten zwar grenzenlosen Badespaß - doch das wars auch schon. Und dafür noch so weit fliegen, sagen die Kritiker. Sibylle und Gerhard Schellmann sind aus NRW auf die Kapverden ausgewandert. Für die gebürtigen Schwaben war es Liebe auf den zweiten Blick.

 
Ein Strand auf einer kapverdischen Insel; Rechte: WDR [Fleckinger]
 

Sybille Schellmann:
"Weil´s auf alle Fälle eine grüne Insel werden sollte. Eine, die Berge und Meer zugleich hat. Weil wir beide gerne wandern, aber ab und zu auch schwimmen, baden gehen. Und dadurch war schon mal klar, es wird keine der Wüstensandstrandinseln wie Sal, Boavista oder Maio. Sondern es muss eine grüne Insel werden. Und dann war relativ schnell klar, es wird Santiago, weil wir auf Santiago überhaupt keinen Ansprechpartner hatten."

Urlaub auf den Kapverden - das ist für viele Reisewillige ein Land mit vielen Unbekannten. Die Wüsteninsel Sal wird zwar inzwischen in vielen Reisekatalogen beworben, doch Sand gibt es auch massig in Tunesien, Ägypten oder auf Fuerteventura. Das Dritte-Welt-Land hat in puncto Tourismus große Probleme, ein Image aufzubauen. Dabei wird oft vergessen, dass die Kapverden auch eine ganz andere Welt als die aus Sand bereithalten. Besonders zur Regenzeit im September und Oktober, wenn es grün wird, wie auf Santiago.

Viel haben sie nicht, aber sie sind glücklich an diesem Nachmittag. Die Kinder von Calheta de Sao Miguel. In dem 3.000-Einwohner Ort an der Ostküste der kapverdischen Insel Santiago spielen sie Fußball, wie so oft. Direkt am Strand werden sie angefeuert von den anderen Kindern im Ort - weit über die Hälfte der Insulaner ist unter 24 Jahren.
Hier, nach Santiago kommen nur die wenigsten Touristen. Die Masse landet mit dem Ferienflieger auf der Wüsteninsel Sal, und bleibt auch direkt dort. Für das deutsche Ehepaar Sibylle und Gerhard Schellmann ein Rätsel - wir treffen die beiden in ihrer Wanderpension auf Santiago. Für sie kam als neue Heimat nur genau diese Insel in Frage:

 
Fußballspiel in Calheta de Sao Miguel auf Santiago; Rechte: WDR [Fleckinger]
 

Sibylle Schellmann:
"Da sprang einfach der Funke über. Da sind Frauen, die singen, trommeln und tanzen. Das sind alte afrikanische Rhythmen, aber auch zusammen mit neuer, moderner Musik mit aktuellen Themen, aktuellen Titeln. Und einfach so diese Lebenskraft, Stärke in einer Welt zu überleben, die manchmal recht anstrengend, recht schwierig ist - das war einfach was, was mich beeindruckt hat oder uns beide."

Die Schellmanns leben nun seit einigen Jahren auf Santiago. Mit ihrer Wanderpension wollen sie den sich extrem langsam entwickelnden Tourismus vorantreiben. Ihren Gästen machen sie nichts vor: Die Kapverden sind kein Reiseziel für den verwöhnten Pauschalurlauber:

Sibylle Schellmann:
"Also wer einen europäischen Entwicklungsstandart erwartet bezüglich der Hotels, der wird sicher außerhalb von Sal enttäuscht sein. Aber wer bereit ist, sich hier auf das Land und auch auf die Andersartigkeit einzulassen, auch in gewisser Weise bereit ist, sich auf das "Abenteur Kap Verde" einzulassen und seinen Urlaub einfach im Hier und Jetzt genießen will, der wird sicher mit reichhaltigen Urlaubserlebnissen belohnt."

Die echten Kapverden lernt man nämlich nur auf Santiago kennen. Die Insel ist Afrika. Nicht nur wegen ihrer geographischen Lage vor der Küste Senegals. Vor allem wegen ihrer Menschen. Seit der Unabhängigkeit von Portugal vor 32 Jahren ist die kreolische Mentalität und Sprache der Bewohner wieder stark auf dem Vormarsch. Kreol soll sogar zur Amtssprache erhoben werden.

 
Ein Junge trägt eine Waschschüssel auf dem Kopf - auf der kapverdischen Insel Santiago; Rechte: WDR [Fleckinger]
 

In Calheta steht heute Abend ein großes Event an: die Miss-Wahl. Doch ob die Veranstaltung stattfinden kann, ist noch ungewiss: Wieder sitzt die halbe Insel im Dunkeln: Stromausfall. Auch Kira will sich auf dem Laufsteg präsentieren - sie ist gespannt, aber auch sehr aufgeregt:

Kira Lobs:
"Es ist das erste Mal, das ich an einer solchen Veranstaltung teilnehme. Ich hoffe, ich werde gewinnen! Ich bin aber auch ganz schön aufgeregt und ängstlich, ob das klappt. Aber der Gedanke, später vielleicht mal als Model zu arbeiten, der ist schon toll!"

Der Strom ist wieder da. Mit zwei Stunden Verspätung eröffnet der Moderator die Miss-Wahl in der örtlichen Freiluft-Arena. Es ist 21 Uhr. Dann der Auftritt von Kira. Zuerst im knappen Bikini, dann in traditioneller Tracht. Am Ende hat nicht Kira, sondern Mila gewonnen.

Doch die 16-Jährige ist am nächsten Morgen mit sich und der Welt zufrieden.

Kira Lobs:
"Gestern war es gut gelaufen! Auch weil die ganzen Teilnehmerinnen alle hübsch waren. Ich habe den Titel für die Fotogenste bekommen. Denn von mir sind die meisten Fotos gemacht worden. Ich war glücklich gestern!"

Nach der Misswahl kehrt für Kira wieder der Alltag ein. In der letzten Ferienwoche kellnert sie im Restaurant der Mutter. Celeste ist 58 Jahre alt, hat 13 Kinder, und gilt als extrem gute Köchin. Sie verrät gerne die Geheimnisse der kapverdischen Küche.

Celeste Lobs:
"Am allerwichtigsten sind Knoblauch, Zwiebeln, Paprika, Tomatenmark, Essig - das muss immer da sein, weil es die Grundlage für die Würzmischung ist. Ohne die schmeckt einfach kein Essen. Wenn man hat, kann man noch ein bisschen Kümmel dazu tun. Und dann sind immer Reis und Mais im Haus. Damit kann man alles kochen."

Für Touristen hat die Insel außer afrikanischer Kultur und tropischer Landschaft auch Geschichte zu bieten. So errichteten Europäer auf der Insel die erste Stadt südlich der Sahara, das heutige Cidade de Santiago. Dieser Ort - damals Ribeira Grand genannt - war lange Jahre Hauptumschlagplatz von Sklaven aus Westafrika. Noch heute steht in der Ortsmitte der Obelisk aus Stein, an dem die Sklaven zur Schau gestellt wurden. Wer auf die Insel reist, erlebt eine Welt aus längst vergangenen Tagen - weit weg vom Massentourismus. Auf Inseln wie Sao Vicente, Sao Antao oder Santiago sind jedoch eine gehörige Portion Abenteuerlust gefragt - die aber ganz bestimmt reichlich belohnt wird.

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Ein Beitrag in WDR 2 Der Sonntag - Stand: 04.11.07
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