"Literatur im Nebel": Ein Festival für den israelischen Autor Amos Oz
Humor killt Fanatismus
|
Der Schriftsteller Amos Oz am Samstag, 27. Oktober 2007, im Rahmen des Literaturfestivals „Literatur im Nebel“ in Heidenreichstein. Foto: apa/Fotostudio Hois
|
Von Michael Schmölzer
Wahrheiten über Frauen, Hass und den Nahost-Konflikt.
Israeli weist auf Europas Schuld hin.
Heidenreichstein. Wie es denn käme, dass er sich so gekonnt in die Psyche der Frau im Allgemeinen hineinversetzen könne, wird Amos Oz von der Literaturkritikerin Anita Pollak gefragt. Durch die etwa 650 Zuhörer, die der Veranstaltung "Literatur im Nebel" im Waldviertler Heidenreichstein beiwohnen, geht ein Ruck, man beugt sich vor, hier und da wird kurz aufgelacht.
In mancher Hinsicht seien Frauen wie Männer, in mancher Hinsicht überhaupt nicht. Wo sie gleich und wo sie verschieden seien, darüber sei er sich noch nicht im Klaren, sagt Israels gefeiertster Schriftsteller, schließt sich damit einem Ausspruch an, den sein Großvater im stolzen Alter von 92 getan hat, und enttäuscht zumindest die Voyeure unter den Literaturliebhabern.
Die Frage hat ihre Berechtigung, vielmehr, sie musste sogar gestellt werden. Nicht etwa deshalb, weil Oz neben seinen Welterfolgen "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" und "Allein das Meer" mit "Eine Frau erkennen" zu Ruhm gelangt ist. Empathie ist für den Friedensaktivisten vielmehr eine "Schutzimpfung" gegen jede Form des Fanatismus. Wer sich in den anderen hineinversetzen kann, der beginnt ihn zu verstehen – und sei es auch der Todfeind.
"Sollten Sie je von einer Schule oder Universität hören, die einen Fachbereich für vergleichende Fanatismusforschung einrichtet, bewerbe ich mich hiermit um einen Lehrauftrag", sagt der Israeli, der eigentlich Klausner heißt und sich den Namen Oz, hebräisch für "Stärke", in einer Phase der pubertären Rebellion zugelegt hat. Der Ex-Kibbuznik bezeichnet sich selbst als einen geheilten Fanatiker – und hatte jedenfalls die besten Voraussetzungen, sich umfassende Kenntnisse auf dem Forschungsfeld anzueignen.
Denn Oz ist in Jerusalem aufgewachsen und wenn der Nahe Osten ein Pulverfass ist, dann kann die Stadt als die dazugehörige Lunte bezeichnet werden. Jerusalem sei in den 40er Jahren voll von selbst ernannten Messiassen gewesen, die lautstark ihre Wahrheiten verkündet hätten, ohne den anderen in irgendeiner Form zuzuhören. Sagt Oz. Und äußert Zweifel, ob sich die Heilsverkünder selbst zugehört haben.
Eine große Portion Humor, die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen und Wahrheitsansprüche zu relativieren, diese Rezept empfiehlt Oz als weiteres Heilmittel. Extremisten mit Sinn für Humor seien nämlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Konflikt zwischen Juden und Arabern ist für Oz kein Kampf zwischen gut und böse, wie die Europäer das gerne hätten. Es handle sich in Nahost vielmehr um einen Streit zwischen gut und gut, Juden wie Araber wären Opfer. Opfer Europas, das die Juden vertrieben habe und die Araber unter der Kolonisierung leiden machte. Unter der Devise "make peace not love" setzt sich Oz dafür ein, dass Israelis und Palästinenser in voneinander getrennten Staaten leben werden. Eine Ansicht, die ihm innerhalb der Friedensbewegung Kritik eingebracht hat.
Aber der Oz, den das Publikum liebt, beklatscht und feiert, ist ohnehin der literarische, nicht der politische. Das wird klar, als der Autor mit der Schauspielerin Senta Berger einen Text vorträgt, der von seiner ersten Liebe handelt. Einer intensiven kindlichen Zuneigung, die er als Achtjähriger gegenüber der viel älteren Zelda Schneerson empfunden hat.
Montag, 29. Oktober 2007