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Der Sound-Surfer erscheint jeden Samstag. Verantwortlicher Redakteur ist Christian Rösner.

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Kulturgemischter Durchlauferhitzer

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- Romantik, Leidenschaft, Feuer und Anarchie vereint Shantel in einer bewegenden Bühnenshow.  Foto: Namberger

Romantik, Leidenschaft, Feuer und Anarchie vereint Shantel in einer bewegenden Bühnenshow. Foto: Namberger

Von Christian Rösner

Aufzählung Shantel spricht über seine aktuelle CD "Disko Partizani", Hedonismus, friedliche Nelkenrevolutionen und Heimatgefühl.
Aufzählung

Der "König des Balkan-Pop", Shantel, kommt heute, Samstag, ins Wiener WUK (Zusatztermin 22. Dezember). Hier stellt er auch sein erstes Solo-Album seit sieben Jahren – "Disko Partizani" – vor, über das bereits im September auf der Music-Seite berichtet wurde.

Musiker wollen nicht gerne in Schubladen gesteckt werden; kein Wunder, schließlich will man als Künstler einzigartig und unvergleichbar sein. Der Ende der Neunziger Jahre durch sein Bucovina-Club-Projekt bekannt gewordene Shantel gibt sich da bescheidener – vielleicht weil er ohnehin als Trendsetter gilt. " Ich sehe das recht undogmatisch. Meine aktuelle CD habe ich Disko Partizani genannt und es gibt für jeden eine Möglichkeit, mit so einem Begriff etwas anzufangen oder hineinzuinterpretieren. Disko Partizani war natürlich für mich eine gute Methode, ein bisschen Inhalt zu transportieren, ohne dabei die Schublade Balkan-Pop oder Balkan-Beat anzugreifen oder mich darauf festzulegen ", erklärt Stefan Hantel alias Shantel in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Disko Partizani transportiert demnach Glamouröses und Authentizität gleichzeitig.

" Auf der eine Seite findet sich hier Hedonistisches und Emotionales, auf der anderen Seite so eine Art friedliche Nelkenrevolution – im Sinne von: Hier ist ein Sound dabei, den Weg durch die Institutionen anzutreten, der bestimmte Klischees und Zwänge über den Haufen wirft. Das heißt, Begriffe wie Folklore, Weltmusik oder Ethno sind eigentlich für diese Produktion vakant geworden, weil das was ich mache, in einem sehr breit gefächerten Kontext von Jugend- und Popkultur stattfindet. Es schließt also nicht aus, dass die Menschen aus der Elektronika-, Hiphop- oder House-Szene mit Leuten zusammenkommen, die Rock, Jazz oder Punkrock hören. "

Wobei Shantel betont, diese Musikwelten nicht bewusst vermischt zu haben. "Ich habe sie nicht absichtlich gesammelt. Mit der ersten Bukovina-Club-CD-Compilation vor sieben Jahren ist eine Dynamik entstanden, die als kleiner Funke begonnen hat und in der Folge einen regelrechten Flächenbrand ausgelöst hat, der ganz von selbst verschiedene Szenen und Nationalitäten zusammengebracht hat. Nennen wir es Disko Partizani, Sound of Bukovina- oder Balkan-Pop – ich denke, mittlerweile kann jeder etwas damit anfangen."

Shantel ist also auch Botschafter für interkulturelle Zusammenarbeit; zumindestens auf musikalischer Ebene. Mit Bucovina-Club hat er auch schon vor Jahren begonnen, seine eigene Identität und Familiengeschichte zu erzählen. " Zuerst war es für mich eher spannend, welche Sachen aus New York oder London kommen. Mit dem Fall der Berliner Mauer habe ich aber festgestellt, dass es in meiner eigenen Identität noch viel zu entdecken gibt – und so bin ich damals in die Bukowina gereist, um diesem Fragezeichen ein Gesicht zu geben. Das ist eine Evolution. Und der Zenit dieser Evolution ist für mich Disko Partizani. "

Das Album ist an den verschiedensten Orten der Welt entstanden: In rumänischen Bahnhöfen, griechischen Autobahnraststätten, in der Abflughalle des Flughafens in Istanbul, in einem arabischen Café in Tel-Aviv, an einem Taxistand in Sofia, auf dem Rücksitz des Autos eines mazedonischen Gypsy-Königs, Backstage in Londoner Clubs, Paris und Rio de Janeiro. Nach einem Jahr hat Shantel sein Projekt befreundeten Musikern vorgestellt. Und die Vielfalt der Entstehungsorte spiegelt schließlich sowohl die Musik als auch deren Interpreten wider, die aus Serbien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Kanada, Türkei, Israel, England, Deutschland, Österreich kommen. Babylonisches Sprachgewirr herrschte im Studio nur so lange nicht musiziert wurde. Auf musikalischer Ebene wurde eine Sprache gefunden, die Tradition und Moderne sowie Ost und West verbindet.

" Es handelt sich bei Disko Partisani um meine Kompositionen, wobei ich schon viele Einflüsse aufgenommen habe, die ich in den letzten Jahren bei meinen Reisen durch Südosteuropa entdecken durfte. Bestimmte Melodien, die über Jahrhunderte in grauen Kästen oder auf alten Schellack-Platten geschlummert haben, wollte ich auf meine Art und Weise wiederbeleben. Diese Musik hat sich ja stets dadurch weiterentwickelt, dass verschiedene Leute immer wieder etwas damit gemacht haben. Und ich glaube, so muss Musik auch funktionieren. Musik ist für mich eine sehr lebendige, sich immer wieder verändernde Kreation, fast so eine Art Durchlauferhitzer. "

Und sie ist für den Musiker auch eine Brücke für die Geschichte. " Das Bild des Ostens hat sich nach dem Fall der Berliner Mauer geändert: Der Osten war für uns immer die kommunistische Bedrohung. Und plötzlich bemerkt man die kulturelle Erfahrung, die man da machen kann. Die Musik ist genau dafür ein spannendes Bindeglied geworden – abseits von Religion und Staatsangehörigkeit. Ich möchte aber nicht das Klischee einer Originalmusik vom Balkan kopieren – ich lebe in Deutschland und ziehe von hier aus meine Kreise. Ich zolle meinen Wurzeln Respekt, aber ich gehe damit um, wie es etwa der Reggae mit seiner Roots-Musik macht. "

Shantel ist in Deutschland geboren, aber seine Familie stammt aus der ukrainischen Stadt Czernowitz. " Die Stadt war vor dem zweiten Weltkrieg wichtiger Schmelztigel von verschiedensten Kulturen. In dieser Region haben Juden, Moslems, Christen, Orthodoxe friedlich miteinander gelebt. Rumänen, Deutsche, Russen, Ukrainer, Polen, Armenier haben eine spannende Melange zutage gebracht, die leider durch Nationalismus und Krieg zerstört worden ist. Das ist aber der Kulturmix aus der meine Familie kommt, und diesen Salat aus verschiedensten Ingredienzien trage ich mit mir herum."

Zu Hause fühlt er sich überall: "Heimat ist ein Gefühl, kein Ort und Disko Partizani erzeugt für viele Menschen dieses Gefühl".

CD: Disko Partizani (Universal)

http://www.bucovinaclub.de

Konzert: Shantel & Bucovina Club Orkestar: 6. Oktober und 22. Dezember im Wiener WUK.

Freitag, 05. Oktober 2007

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