Die Flaute am US-Immobilienmarkt lässt Experten zunehmend ein Thema diskutieren, das bisher als Tabu galt: Kann die Krise auch Gewinner hervorbringen? Bisher hatte sie vor allem die Konjunktursorgen ins Blickfeld vieler Beobachter gerückt. Die sinkenden Bauausgaben der Amerikaner haben das US-Wachstum seit mehr als einem Jahr deutlich gebremst.
Im dritten Quartal reichten zwar noch der starke Konsum, Export und Lageraufbau, um die dämpfende Wirkung auszugleichen. Das US-Handelsministerium revidierte am Donnerstag seine Wachstumsschätzung für das vergangene Quartal von 3,9 auf 4,9 Prozent aufs Jahr hochgerechnet. Doch für das Winterhalbjahr erwartet niemand mehr solche Erfolge.
Inzwischen zieht die Subprime-Krise, ausgelöst durch zahlungsschwache Hausbesitzer, die ihre Hypothekenraten nicht mehr bedienen, weitere Kreise: "Während einzelne Regionen noch robuste Steigerungsraten verzeichnen, schwächeln die Preise in einem Großteil des Markts", sagte Ofheo-Chef James Lockhart.
Mehr als 635.000 Zwangsvollstreckungen gab es im vergangenen Quartal, wie der Online-Immobiliendienst Realtytrac ermittelte. Das sind doppelt so viele wie vor einem Jahr und immer noch 30 Prozent mehr als im Frühjahr. "Das Überangebot drückt die Preise erheblich", sagte Mark Fleming, Chefökonom bei First American Corelogic, einem Datendienst für die Immobilienbranche. Die Preise für Einfamilienhäuser sind von Juli bis September um 4,5 Prozent gesunken. In dicht besiedelten Gegenden ist der Preisverfall sogar noch stärker.
Daraus ergeben sich Kaufgelegenheiten. Bei First American Corelogic - der Dienst berät Interessenten auch beim Immobilienkauf - häufen sich Anfragen nach Schnäppchen und Anlagemöglichkeiten. Eine pauschale Kaufempfehlung könne Fleming jedoch ebenso wenig aussprechen wie eine Warnung.
Dafür ist der Markt zu komplex. Vieles hänge von der Erwartung ab, wohin die Preise noch gehen, sagt Gary Schlossberg, Ökonom bei der Vermögensverwaltung Wells Capital Management. Er selbst rechnet mit weiterhin fallenden Preisen: "Da können die Häuser noch so billig sein. Falls der Käufer in absehbarer Zeit wieder verkaufen will, muss er also mit einem Verlust rechnen."
Doch selbst risikofreudige Interessenten könnten mit ihrer Hoffnung auf ein billiges Traumhaus scheitern, sagt Patrick Newport, Ökonom bei der Beratungsfirma Global Insight. "Viele Banken haben ihre Kriterien für die Vergabe von Krediten verschärft, seit sich die Ausfälle häufen", sagte Newport. Viele Analysten erwarten, dass die Krise sich im nächsten Jahr weiter verschärfen könnte.
Die Bank of America hat ermittelt, dass Baukredite mit einem Gesamtwert von 362 Mrd. $ im Jahr 2008 mit höheren Zinsen belastet werden dürften. Diese "Adjustable Rate"-Hypotheken bilden den Kern der derzeitigen Krise: Sie lockten Interessenten mit möglichst niedrigen Einstiegszinsen, die sich jedoch im Laufe der Zeit deutlich steigern - und später oft zu Ausfällen führen.
Es werde dauern, bis sich Angebot und Nachfrage wieder eingespielt haben, sagte Fleming. "Das liegt in der Natur des Immobilienmarkts und ist möglicherweise erst in ein bis zwei Jahren der Fall."
Ein ausgeglichener Markt wäre aber nicht nur für die betroffenen Hausbesitzer wünschenswert, sagt Beth Kodluboy, Chefin der Mieterschutzvereinigung Homeline im US-Bundesstaat Minnesota. "Bei uns häufen sich die Anfragen von Mietern, welche Rechte sie haben, wenn das Haus von der Bank beschlagnahmt wurde", sagte sie.
Für die Mieter geht es dabei nicht nur um die Gefahr eines Zwangsumzuges, sondern auch um bares Geld. Denn Experten fürchten, dass als Folge der Subprime-Krise nun in vielen Gegenden auch die Mietpreise steigen.
Da sich viele keine Hypothek und damit kein eigenes Haus mehr leisten können, drängen viele Neumieter auf den Markt. Sie treffen jedoch auf ein verknapptes Angebot. Zwar dauert es eine Weile, bis ein Haus zwangsvollstreckt wird. "Früher konnten wir mit der Bank aushandeln, dass die Mieter währenddessen im Haus bleiben können", sagte Kodluboy. Dies sei jetzt oft nicht mehr möglich.
Da vor allem nachrangige Baukredite verbrieft, und als Wertpapierbündel weiterverkauft worden sind, ist es nicht mehr so leicht zu ermitteln, wem das Gebäude eigentlich gehört. "Der Investor, eine Bank oder ein Pensionsfonds, hat oft weder Interesse noch Kapazitäten, um sich um ein leer stehendes Haus in einer x-beliebigen Stadt zu kümmern", sagt Kodluboy. Sie schätzt, dass im Großraum um die US-Metropole Minneapolis die Hälfte der zwangsvollstreckten Häuser leer steht.
Aus der FTD vom 30.11.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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