Allerdings erstaunt die Heftigkeit der Reaktion - die Aktie stürzte bis zu 15 Prozent. Denn einerseits lagen die Zahlen des abgelaufenen Quartals sogar teilweise über den Schätzungen. So übertraf der Umsatz mit 15,6 Mrd. $ den Konsens um 0,3 Mrd. $ und lag das sonst bei den Amerikanern immer noch im Fokus stehende Pro-forma-Ergebnis je Aktie mit 0,35 $ genau auf Konsenshöhe; sogar das GAAP-Ergebnis lag nur 1 Cent tiefer.
Und andererseits hätten eigentlich auch die zukunftsgerichteten Aussagen von Dell keinen überraschen sollen. Vor allem die von allen Analysten gierig aufgenommene Warnung, dass die Komponentenpreise weniger schnell fallen werden; was Wunder bei einem Preisverfall etwa bei Speicherchips von 85 Prozent dieses Jahr. Und auch dass Dell weiter Geld in die Hand nehmen muss, um die bereits kommunizierte Neuausrichtung der Strategie umzusetzen, ist so überraschend nun nicht.
Teilweise kann die Anlegerenttäuschung damit erklärt werden, dass der Dauerrivale Hewlett-Packard der Firma einmal mehr in die Parade fuhr mit der Vorlage starker Zahlen am 20. November. Darüber hinaus verwöhnte HP seine Anleger mit einer nach oben revidierten Prognose für das laufende Quartal - Dell hingegen blieb eine konkrete Prognose schuldig. Das hilft natürlich nicht, wenn es ohnehin zweifelhaft bleibt, ob Dells Kehrtwende - auch über Einzelhändler zu verkaufen - je aufgeht.
Je pompöser der Titel, desto weniger erreichbar ist meist das Ziel. Bis Jahresende will das Weiße Haus "Hope Now Alliance" starten. Damit sollen die schlimmsten Folgen aufgefangen werden, wenn 2008 die Zinsen von variablen US-Ramschhypotheken von geschätzten 500 Mrd. $ nach oben angepasst werden.
Anscheinend geht es darum, Zinserhöhungen für einige Kredite hinauszuschieben. Theoretisch könnte dadurch die Zahl von Zahlungsausfällen sinken, wodurch Hausmarkt und Wirtschaft entlastet würden. Aber wie sieht die Umsetzung aus? Es soll wohl nur den Kreditnehmern geholfen werden, die sich zwar zu den aktuellen Sätzen ein Haus leisten können, aber nicht so gut dastehen, dass sie es ohne Hilfe schaffen. Wer entscheidet das? Und wie? Ist der Rahmen zu eng gesteckt, fehlt es an Effektivität. Zu weit, wird auch denen aus der Patsche geholfen, die es nicht verdient haben.
Auch logistisch ist die Sache schwierig. Den Anspruch auf Vertragsänderungen zu untersuchen ist aufwendig. Ironischerweise müssen die Banken dieses Mal vielleicht mehr Mühen und Kosten aufbringen als bei der ursprünglichen Kreditvergabe. Dazu werden mehr Arbeitskräfte nötig, was dem derzeitigen Trend zum Stellenabbau in der Hypothekenbranche zuwiderläuft. Das wiederum reduziert den wirtschaftlichen Nutzen von Vertragsveränderungen im Verhältnis zu Pfändungen. Zu allem Überfluss besagen die wenigen vorliegenden Daten, dass von derartigen Krediten innerhalb von zwei Jahren ohnehin 35 Prozent ausfallen. Auch die Auswirkungen auf mit Hypotheken besicherte Wertpapiere sind unklar. Geringere Ausfallquoten könnten zunächst helfen, aber niedrigere Schuldendienstzahlungen und längere Laufzeiten sollten sich auch negativ auf Ratings und Cashflow auswirken.
Und über allem schwebt die Frage des Moral Hazard. Das ganze Hypothekenchaos ist ja dadurch entstanden, dass man mit den Wundern der Verbriefungsindustrie Menschen zu Heimeigentümern gemacht hat, die es sich eigentlich nicht leisten können. Sie in diesem Status zu belassen, indem man den Tag der Abrechnung einfach nur aufschiebt, klingt nicht nach einem Rezept für langfristige Stabilität.
Northern Rock ist mittlerweile nur noch etwas für hartgesottene Zocker. Zu undurchsichtig ist die Lage bei der britischen Bank geworden. Auf dem Papier ist die Berechnung des Werts recht einfach. Ohne Regierungshilfe war Northern Rock pleite. Bei Virgins Vorschlag beläuft sich der Wert der Aktie auf schlimmstenfalls rund 60 Pence. Doch Northern Rock wird mit etwa 110 Pence gehandelt, die Dinge liegen also komplizierter.
Viele Variablen spielen bei der Bewertung mit, von der geschätzten Höhe der Abschreibungen bis hin zu Wachstumsraten, etwa im Privatkundengeschäft. Auch die Machtverteilung spielt bei Übernahmesituationen eine Rolle. Die Northern-Rock-Führung stellt sich hinter Virgin, doch große Aktionäre fordern mehr Geld. Es ist auch noch mit mindestens einem Gegengebot zu rechnen. Die Hedge-Fonds, die seit dem Kollaps eingestiegen sind, werden froh sein, wenn sie ihren Einsatz zurückkriegen, oder sie bleiben an Bord und wetten auf eine Genesung der Bank. Na dann, viel Glück.
Aus der FTD vom 03.12.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de
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