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damals & heute

Athener Gerüchte

Von Mario Rausch

Politiker sind auch nur Menschen, und in der modernen Mediengesellschaft scheint es ja besonders einfach, all jene Details aus ihrem Privatleben an die Öffentlichkeit zu bringen, die bisher kaum von staatstragender Bedeutung zu sein schienen. So werden wir ständig mit Neuigkeiten über die Haarpracht des Sozialministers oder das Liebesleben seiner Kollegin aus dem Gesundheitsressort beglückt.

Ganz neu ist diese Entwicklung allerdings nicht, denn Geschichten aus dem Privatleben der Reichen und Mächtigen kursierten bereits im alten Griechenland – und das ganz ohne Zutun der Betroffenen. In den kleinen Stadtstaaten der Antike standen Politiker ständig im Rampenlicht, sogar im vergleichsweise bevölkerungsreichen Athen, das im 5. und 4. Jahrhundert nie mehr als 30.000 Bürger zählte. Die konnten ihre Volksvertreter nicht nur regelmäßig "live" und hautnah im Bürgerparlament erleben, sondern auch tagtäglich in den Straßen und auf dem Marktplatz der Stadt antreffen. Da blieben natürlich die Lebensgewohnheiten der Politiker nicht lange verborgen, und die Athener liebten es, diese mit dem ihnen eigenen beißenden Spott zu kommentieren.

Anlass dazu gab im 5. Jh. v. Chr. etwa die "neue Haarpracht" eines gewissen Megakles, zu seiner Zeit einer der führenden Köpfe in Athen. Darüber hinaus sorgten seine extravaganten Hobbys für Aufsehen, gehörte Megakles doch zur athenischen High society und leistete sich – wie so mancher seiner adeligen Standesgenossen – den Luxus eines privaten Rennstalls. Grund genug, um heftig über die Verschwendungssucht des "Pferdezüchters" zu lästern und die dubiosen Quellen seines Reichtums zu spekulieren.

Besonders schmutzige Gerüchte setzten politische Gegner vor wichtigen Abstimmungen in Umlauf und nahmen dabei vorzugsweise das Liebesleben ihrer Konkurrenten aufs Korn. So musste sich etwa der leidgeprüfte Megakles mehr als einmal gegen den Vorwurf des Ehebruchs wehren. Noch weitaus brisanter waren allerdings die Anschuldigungen gegen einen gewissen Kimon, der etwas später zum mächtigsten Mann Athens aufgestiegen war: von ihm hieß es gar, er hätte ein Verhältnis mit seiner Stiefschwester Elpinike, weshalb ihm ein erboster Athener riet, "Elpinike zu nehmen und aus Athen zu verschwinden!" Natürlich versuchten Kimon und seine Kollegen mit allen Mitteln, die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu entkräften und sich im Gegenzug als besonders integer, gerecht und volksnah zu präsentieren.

Von derartigem Eigenlob der Politiker waren die Athener aber meist rasch gelangweilt oder genervt; viel spannender und unterhaltsamer waren schon im Altertum eben doch die Skandalgeschichten aus der politischen Gerüchteküche.

Mario Rausch, geboren 1970, studierte Archäologie und Alte Geschichte, und lebt als Publizist in Klagenfurt und Wien .

Freitag, 05. Oktober 2007

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