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Österreich als Horrorshow

Schwab, Werner: Joe Mc Vie alias Josef Thierschädl

Von Uwe Schütte

Ein Roman aus Werner Schwabs Nachlass.

Rund 4000 handschriftliche Seiten umfasst der Nachlass von Werner Schwab. Der allzu früh Verstorbenene galt, aus gutem Grund, schon zu Lebzeiten als einer der wichtigsten Dramatiker des deutschen Sprachraums. Zumeist geriet dabei jedoch aus dem Blick, dass er zudem nicht nur bildkünstlerisch tätig war, sondern auch eine beachtliche Menge von Prosatexten verfasst hat. Folgerichtig wies Werner Schwab auch immer wieder darauf hin, dass er sich mehr als Prosaschriftsteller denn als Dramatiker versteht.

Signalwirkung für einen überfälligen neuen Blick auf Schwab geht von dem Umstand aus, dass sein einziger, bisher unveröffentlichter Roman den Auftakt der neuen Werkausgabe bildet, die in den nächsten sieben Jahren im Droschl Verlag erscheinen wird. Diese wird Bekanntes wie auch viel Unbekanntes umfassen, denn die von der Witwe Ingeborg Ort-hofer betreute Edition versammelt erstmals alle verstreut erschienenen Texte, macht überraschende Archivfunde wie den Roman zugänglich und gliedert die bereits publizierten Dramen nunmehr in der von Schwab zuletzt selbst gewünschten Anordnung.

Neben dem gesamten literarischen Werk wird die Gesamtedition außerdem eine Auswahl aus Schwabs bildnerischem Schaffen enthalten, wodurch das oft übersehene Wechselverhältnis zwischen (dramatischer) Literatur und bildender Kunst bei Schwab zweifellos deutlicher erkennbar wird als bisher.

Bis es soweit ist, wird noch viel Wasser die Mur hinunterfließen, denn der Band zum bildnerischen Werk ist als Abschlussband des Ganzen vorgesehen. Umso erfreulicher wirkt die Publikation des Romans, mit dem die Edition eröffnet wurde. "Joe Mc Vie alias Josef Thierschädl" ist freilich kein völlig unbekannter Text, denn ein längerer Auszug erschien bereits 1997 in der Literaturzeitschrift "manuskripte". Entstanden ist der Roman von Jänner bis März 1988, weshalb er auch in gewisser Weise als ein klandestiner Beitrag zur erregten Debatte um den 50. Jahrestag des Anschlusses verstanden werden darf. Schwab hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Dänemark auf, beobachtete das österreichische Geschehen also aus einiger Distanz.

Die unglückselige Wahl Waldheims zum Bundespräsidenten lag damals zwei Jahre zurück und liefert unverkennbar den Hintergrund des Geschehens. Der Roman erzählt in einer episodenhaften Weise von den Erlebnissen des Protagonisten, der in wechselnden Identitäten auftritt – neben den zwei bereits im Titel angegebenen Varianten firmiert er auch als ein gewisser John Mc Wolf aus London, alias Johann Wolfsberger aus Gugging bei Kirchbach an d. Raab. Österreich erscheint als eine Art Horrorshow der Verdrängung und des Ausbruchs atavistischer Gewalttätigkeiten, an deren Ecken und Enden die fürchterliche Gestalt des anonym bleibenden Präsidenten auftaucht: "Neben dem Gasthaus ein vergammeltes Plakat mit dem Schädel des Präsidenten, als er noch kein Präsident war. In der Stirn steckte ein mit Filzstift gezeichneter Dolch; Hitlerbärtchen, Bartstoppeln, Hakenkreuze, Draculazähne, alles vorhanden, dachte Mc Vie".

Schwab unterbrach die Niederschrift des Textes immer wieder, um an jenem Stück zu arbeiten, das sich als sein erfolgreichstes erweisen sollte: "Die Präsidentinnen". Diese beiden Texte aus zwei Genres gehören daher zusammen und sind durchaus den Österreichabrechnungen von Thomas Bernhard vergleichbar, der das Drama "Heldenplatz" und den Roman "Auslöschung" zu einem Paar verbunden hat. Dem Monolithischen bei Bernhard setzt Schwab das Konstruktionsprinzip des Fluiden, Episodischen, Fragmentarischen einer offenen Form des Erzählens entgegen. Keine Prosa, die es dem Leser leicht macht. Aber gerade deswegen ein Roman, dessen Lektüre die erforderliche Mühe lohnt.

Werner Schwab: Joe Mc Vie alias Josef Thierschädl. Roman. Droschl Verlag, Graz 2007, 128 Seiten, 19 Euro.

Werner Schwab: Joe Mc Vie alias Josef Thierschädl. Roman. Droschl Verlag, Graz 2007, 128 Seiten, 19 Euro.

Freitag, 05. Oktober 2007


Kommentare zum Artikel:

07.10.2007 Stellungnahme
Wenn Herr Schwab und Herr Schütte über ein Mindestmaß an Sachverstand und Objektivität ( von menschlicher Anständigkeit rede ich hier nicht ) verfügten bzw verfügt hätten, wäre sowohl der ggst. Roman als auch die vorliegende Rezension anders ausgefallen.
" Die unglückselige Wahl Waldheims " und " die fürchterliche Gestalt des anonym bleibenden Präsidenten " beweisen, mit welcher Kritiklosigkeit die beiden hinter einem aus durchsichtigen Gründen losgelassenen Propagandakarren herliefen bzw laufen.
Daß Herr Waldheim auf Grund seiner Dienststellung sowie seiner militärischen Karriere nicht mehr sein konnte als ein winziges Rädchen, das in einer riesigen Maschine gezwungenermaßen mitlief, sollte eigentlich jedem, der über die obgenannten Eigenschaften verfügt, klar sein.
Leider hat Herr Schwab sich offensichtlich keine Gedanken gemacht, welche Alternativen der Angegriffene gehabt hätte.
Und zu welcher davon er selbst den Mut gehabt hätte.
Ebensowenig hat Herr Schwab bemerkt, daß es Mitläufer in allen von Deutschland besetzten Staaten gegeben hat.
Und, und.
Die Lektüre des zitierten Werkes scheint daher sehr entbehrlich.
Horst Reingrabner
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