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Klima in Gefahr
25.10.2007    07:17 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Klimapolitik

"Kyoto ist gescheitert"

Britische Wissenschaftler fordern, das Kyoto-Protokoll "über Bord zu werfen", weil Klimapolitik radikal neu gedacht werden müsse. Es sei an der Zeit für Programme wie in einer Kriegssituation.
Von Christopher Schrader


vergrößern Reicht das Kyoto-Protokoll aus, um die Klimaveränderung zu bremsen?
Foto: AP
 

"Es ist Zeit, das Kyoto-Protokoll über Bord zu werfen. Das Abkommen ist gescheitert." Starke Sätze stehen am Anfang des Kommentars zur Klimapolitik im aktuellen Heft von Nature; sie garantieren den beiden britischen Autoren viele Leser, begeisterte Zustimmung von der einen und erbitterte Kritik von der anderen Seite.

Gwyn Prins von der London School of Economics und Steve Rayner von der Universität Oxford wollen mit ihrem Text die kommende Klimakonferenz von Bali beeinflussen.

Dort beginnen im Dezember Verhandlungen über die Begrenzung von Treibhausgasen nach dem Jahr 2012, wenn das Kyoto-Protokoll ausläuft: "Klimapolitik muss radikal neu gedacht werden", schreiben die Autoren. "Wird das Versagen der beschlossenen Politik weiter als Erfolg verkauft, könnte die Öffentlichkeit ihr Vertrauen verlieren und ihre Zustimmung zu weiteren Maßnahmen zurückziehen."

Dass die Autoren das Kyoto-Protokoll für gescheitert erklären, fünf Jahre bevor es ausläuft, dürfte manchen erstaunen - zumal sie sich dabei auf ein Buch stützen, das 2001 erschienen ist, drei Jahre vor Inkrafttreten des Abkommens.

"Die Einzigen, die jemals im Plan waren, sind Deutschland und Großbritannien"

"Es gibt keine Anzeichen, dass irgendjemand bis 2012 seine Verpflichtung erfüllen wird", erklärt Steve Rayner. "Die einzigen, die jemals im Plan waren, sind Deutschland und Großbritannien. Und mein Land versucht gerade, sich aus seiner Verpflichtung herauszuwinden."



vergrößern Waldzerstörung in Kuala Cenaku in Indonesien.
Foto: Reuters
 

Auf den Konferenzen auf Bali und danach in Kopenhagen dürfe daher nicht wieder ein globales Abkommen mit noch höheren Reduktionszielen vereinbart werden. Ein solcher Vertrag habe auch keine größere Chance erfüllt zu werden als das Kyoto-Protokoll.

"Wir bräuchten eine effektive Reduktion von 60 bis 80 Prozent. Kein Mensch hat ernsthaft darüber nachgedacht, wie wir das nach dem verwässerten Fünf-Prozent-Ziel von Kyoto schaffen sollen", sagt Rayner.

Das sieht Hans Joachim Schellnhuber anders. "Das Ziel muss sein, Kyoto zu ergänzen, nicht über Bord zu werfen", sagt der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

"Sicher, das Abkommen ist ein bürokratisches Monster und ändert fast nichts. Das wissen wir seit zehn Jahren." Wichtig sei aber vor allem, dass es ein völkerrechtsverbindlicher Einstieg in den Kampf gegen den Klimawandel war.

Jetzt allerdings müssten sich ein weitergehender globaler Vertrag und freiwillige Maßnahmen einzelner Staaten ergänzen. "Wir müssen den Tunnel von beiden Seiten graben - mit allem, was wir haben."


In ihren konkreten Vorschlägen liegen Schellnhuber und Rayner aber nicht weit auseinander. Der Brite schlägt vor, dass zunächst nur die 20 Länder ein Abkommen schließen, die die meisten Treibhausgase ausstoßen; Schellnhuber hält das für eine sinnvolle Ergänzung eines globalen Abkommens unter dem Dach der Vereinten Nationen.

Rayner betont dabei, es solle jedem der 20 Länder selbst überlassen bleiben, mit welchen Mitteln es sein Ziel erreicht. Eine gute Idee sei es zum Beispiel, wenn China massiv in die Produktion von Windkraftturbinen einstiege. Es habe an seinen Küsten ein großes Potential an Windenergie und könne die Anlagen bei seinem Lohnniveau sehr günstig in Massenproduktion herstellen.

Massiv in staatliche Programme investieren

Generell müssten die Länder massiv in staatliche Programme investieren, um die Entwicklung alternativer Energietechniken voranzutreiben. Es seien Programme "wie in einer Kriegssituation" nötig. "Das muss eine strategische Entscheidung der Gesellschaften sein. Der Markt allein kann das nicht", sagt Rayner. "Hätte es beim Manhattan-Projekt zur Entwicklung der Atombombe eine Kosten-Nutzen-Rechnung gegeben, wäre es nie zustande gekommen."

Eine derart massive Finanzspritze für die Forschung hatten zuletzt auch 15 Nobelpreisträger gefordert, die sich auf Einladung Schellnhubers Mitte Oktober in Potsdam getroffen hatten. Wie Rayner mahnten sie darüber hinaus in einem Abschlussdokument, in Zukunft müsse die Welt die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung armer Staaten und den Kampf gegen den Klimawandel als Einheit betrachten.

Ohne eine solche Verpflichtung der Industrieländer, so wird allgemein erwartet, werden sich die Entwicklungs- und Schwellenländer wie China und Indien auf Bali ohnehin auf keinen Vertrag einlassen. Daher stößt Rayner mit seinen Forderungen offene Türen auf.

(sueddeutsche.de/mcs)


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Kommentare


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25.10.2007 18:00:52

s.kraut: Der Markt ....

Die Markt wirds schon retten - - - naja, was öl angeht, mag das vielleicht nicht falsch sein.
Trotzdem würde ich mich darauf allein lieber nicht verlassen.
Steigende Preise lassen nur Sachen wie Kohleverflüssigung oder Methanhydratförderung wirtschaftlich werden. Somit könnte mit wenig änderung alles in die Richtung weiter gehen, wie bisher - nur auf etwas anderen Wegen.


1 Besucher hat diesen Kommentar bewertet



25.10.2007 17:09:52

Dr Esreicht: Der Markt wird das Klima schon retten

Ich bezweifle stark, dass die Politik in der Lage sein wird, wirklich etwas langfristig sinnvollles gegen den Klimawandel zu unternehmen. Die "Rettung" könnte aber aus einer ganz anderen Richtung kommen: da die Nachfrage nach dem klimaschädiger Erdöl beständig steigt, während das Angebot stagniert, werden steigende Preise die Wirtschaft zu einem umdenken hin zu erneuerbaren Energien zwingen. Klingt vielleicht zynisch, aber womöglich liegt die Lösung des Problems einfach nur an der menschlichen Gier


4 Besucher haben diesen Kommentar bewertet



25.10.2007 15:11:52

dekla:

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25.10.2007 14:23:50

F.X.Richter: @ambestenwisser: Anfangen

Wieder haben Sie Recht. Aber wer soll anfangen? "Wir" klingt doch recht allgemein und nach "Es müsste mal jemand". Soll die zerstrittene UNO anfangen? Oder Mr. Bush bzw. Mrs. Clinton? Oder vielleicht hätten die Ölförderländer das Geld, die Wüste mit Tunnels zu bewässern und (muslimische) Bangladeshis als Klimafarmer dort anzusiedeln, mit dem Ziel, Algen und Pflanzen zu züchten*. Schließlich ist Humus die beste CO2-Senke, und unzählige Schrebergärtner haben vorgemacht, wie man öde Eisenbahndämme in ein Gartenparadies verwandelt. Aber was machen die Saudis statt dessen? Sinnlose Prestigebauten bauen, Luxusautos und -yachten von den Ungläubigen kaufen - sie sind noch unfähiger zur Solidarität als wir. Nein, Krieg ist der Vater aller Dinge. Vielleicht hat Achmedi doch Recht?

* oder Wasserstoff aus Sonnenenergie zu gewinnen


3 Besucher haben diesen Kommentar bewertet



25.10.2007 13:34:31

JoJoGerstner: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen

Dunkellila und dunkelrot, so bedrohlich präsentiert sich die Erde nach der Graphik in den Jahren 2090 bis 2099. So wie es ausschaut, werden die meisten der Leser dann nicht mehr leben und das überprüfen können. Aber immerhin können wir jetzt mal wieder einen apokalyptischen Schauer um die Mittagszeit haben.


7 Besucher haben diesen Kommentar bewertet


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