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Europas Währungstroika war diese Woche in China. Um den Chinesen zu bitten, seine Währung stärker aufzuwerten. Damit nicht nur der Euro zum Dollar teurer wird. Das war neu und lobenswert, zumal es heißt, dass der Chinese freundlich zugehört habe.
Jetzt wäre es prima, wenn Notenbankchef Jean-Claude Trichet, Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia und Cheffinanzminister Jean-Claude Juncker gleich nach Amerika weiterreisten. Denn dort tagt in zehn Tagen die US-Notenbank. Kurz nach Europas Zentralbank. Und womöglich hing wirtschaftlich selten so viel vom Zusammenspiel der beiden Leitbanken ab wie in diesem Finanzkrisenwinter 2007.
Anders als es gängige Partydiagnosen derzeit suggerieren, ist der jüngste Dollar-Sturz mit einiger Wahrscheinlichkeit weder unvermeidliche Folge eines welthistorischen Niedergangs der USA noch Werk böser Spekulanten. Den entscheidenden Beitrag leisten die Notenbanken – gewollt oder nicht: einen Beitrag, den sie auch wieder korrigieren könnten. Und sollten.
Notenbanker aller Länder, vereinigt euch
Vor fünf Jahren hieß es auf den Partys noch, die Euro-Zone sei am Ende, damals lag der Euro bei 0,85 US-Cent. Jetzt ist plötzlich Amerika am Ende und – wenn es nach dem Dollar-Kurs ginge – nur noch gut halb so viel Wert. Das ist absurd.
Die USA mögen einige Zeit über ihre Verhältnisse und mit der Illusion steigender Hauspreise gelebt haben. Nur muss man deshalb nicht übertreiben. US-Firmen steigern ihre Produktivität immer noch mehr als europäische. Die Arbeitslosenquote liegt trotz Umbrüchen bei historisch niedrigen fünf Prozent. Und die Rezession blieb bisher aus, obwohl sie seit mindestens einem Jahr herbeiprophezeit wird.
Man könnte auch fragen, warum sich der Dollar-Sturz gerade jetzt beschleunigt, wo das US-Leistungsbilanzdefizit erstmals seit 2003 unter fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinkt – nach über sechs Prozent 2006. Und es gerade 2007 die eindrucksvollste Senkung des Staatdefizits (um immerhin zwei Punkte) gab.
Plausibler ist etwas anderes: Dollar und Euro folgen seit einiger Zeit erstaunlich eng den (erwarteten) Zinsunterschieden zwischen Euro-Zone und USA. Bis ins Jahr 2001 wurde Geld in Amerika boombedingt so viel höher verzinst, dass keiner mehr Euro wollte. Kurssturz.
Ende 2002 hatte die US-Fed ihre Zinsen aus Rezessionsangst dann so enorm gesenkt, dass sie erstmals niedriger lagen als im Euro-Raum. Was ziemlich exakt mit dem Zeitpunkt übereinstimmt, als der Euro zu beschleunigtem Höhenflug ansetzte. Ein Höhenflug, der wiederum zwischen Ende 2004 und Anfang 2006 stoppte – als die Märkte eine Zeit lang erwarteten, dass die US-Zinsen anhaltend stärker steigen.
Dann zog die EZB nach. Aus mit der Dollar-Rally. Nur so ist auch erklärbar, warum sich der Dollar-Sturz gerade diesen Herbst so beschleunigt. Seit Juli ist der Abstand zwischen (erwarteten) US- und Euro-Zinsen um mehr als einen halben Punkt gesunken (siehe Grafik). Weil die Fed aktiver auf die Finanzkrise reagierte und die EZB sich nur durchrang, die Zinsen nicht mehr anzuheben. In den USA liegen die Dreimonatssätze jetzt einige Zehntel niedriger als Anfang 2007; in Europa um fast einen ganzen Prozentpunkt höher. Und hopp schoss der Euro Richtung Ozonloch. Kein Wunder.
Wenn die Kurse so stark vom Saldo euroamerikanischer Zinserwägungen abhängen, wirkt es absurd, wie relativ unbeteiligt sich die Geldhüter derzeit geben und alte geldpolitische Gewohnheiten pflegen. Wenn der Euro auf 1,50 $ schießt, liegt das, kurz gefasst, auch daran, dass Euro-Hüter sich weniger berufen fühlen, wirtschaftliche Krisen zu verhindern, als ihre US-Kollegen. Und es hinnehmen, wenn in der Finanzkrise Geldmarktzinsen und Euro-Kurse bedenklich teurer werden. Obwohl die Inflation in Europa derzeit (trotz allem) noch niedriger ist als in den USA; in Deutschland läge sie ohne den einmaligen Effekt höherer Mehrwertsteuern und Studiengebühren ohnehin unter zwei statt bei drei Prozent. Trotz Ölpreisschocks.
Es würde lohnen, die Zinsperspektiven transatlantisch enger abzustimmen und zu korrigieren. Indem die Euro-Hüter zum Abbau überzogener Inflationspanik beitragen und signalisieren, dass sie ihre Zinsen mangels wirklich ernster Inflationsgefahr auch senken, wenn die Konjunktur zu kippen droht. Und die Fed die Erwartungen der Märkte umgekehrt bremst, wonach die US-Zinsen bis nächstes Jahr um einen weiteren ganzen Prozentpunkt fallen.
Das wäre für alle Beteiligten prima. Für Europa, weil allein die bisherige Euro-Aufwertung 2008 einen halben Punkt Wachstum (und Jobs) kostet. Für die Amerikaner auch: weil der Versuch, die US-Exportbilanz durch Dollar-Stürze aufzumöbeln, bisher relativ erfolglos war (siehe Kolumne vom 23. November) – und es weit mehr bringt, wenn die Wirtschaft im Rest der Welt besser läuft. Das US-Defizit begann nicht zufällig 2006 zu sinken, als erstmals seit zwei Jahrzehnten (auch) die Deutschen mehrere Quartale stärker wuchsen als die USA.
Troika könnte Reisekosten sparen
Das Wunder wird nicht lange halten, wenn die Zinsen in Europa steigen und in den USA sinken, was die Konjunktur hier bremst und drüben anheizt. Dann steigt das US-Defizit wieder. Relativ niedrigere Euro-Zinsen bei (somit) gestopptem oder gebremstem Dollar-Fall wären eindeutig besser, um Europas Aufschwung (und Nachfrage nach US-Waren) zu retten.
All das heißt nicht, dass Wechselkurse allein von Notenbanken bestimmt werden und dies immer so bleibt. Nur scheint der Einfluss seit ein paar Jahren atemberaubend groß. Ein Phänomen, auf das sie vor lauter Nabelschau nicht wirklich angemessen reagiert haben.
Vielleicht sollten Amis, Europäer und Chinesen künftig wenigstens am selben Tag tagen und sich per Videokonferenz abstimmen. Das würde auch manche Reisekosten ersparen.
E-Mail fricke.thomas@ftd.de
Die nächste Freitagskolumne erscheint am 14. Dezember.