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09.12.2007 18:56
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Chefökonom

 
Thomas Frickes Tagebuch aus der Welt der Wirtschaftswunder - über wunderbare Wachstumstrends, wundersame ökonomische Klischees und wundervolle wie verwunderliche Theorien

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Die Kolumne - Wer den Dollar heimlich stürzt

29. November 2007 22:00 Uhr
Thomas Fricke
Der jüngste Dollar-Fall hat relativ wenig mit dem angeblichen Niedergang der USA zu tun, wie Partyökonomen derzeit eifrig schwadronieren. Fragen Sie lieber die Notenbanker. Die können den Absturz sogar stoppen.

*

Europas Währungstroika war diese Woche in China. Um den Chinesen zu bitten, seine Währung stärker aufzuwerten. Damit nicht nur der Euro zum Dollar teurer wird. Das war neu und lobenswert, zumal es heißt, dass der Chinese freundlich zugehört habe.

Jetzt wäre es prima, wenn Notenbankchef Jean-Claude Trichet, Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia und Cheffinanzminister Jean-Claude Juncker gleich nach Amerika weiterreisten. Denn dort tagt in zehn Tagen die US-Notenbank. Kurz nach Europas Zentralbank. Und womöglich hing wirtschaftlich selten so viel vom Zusammenspiel der beiden Leitbanken ab wie in diesem Finanzkrisenwinter 2007.

Anders als es gängige Partydiagnosen derzeit suggerieren, ist der jüngste Dollar-Sturz mit einiger Wahrscheinlichkeit weder unvermeidliche Folge eines welthistorischen Niedergangs der USA noch Werk böser Spekulanten. Den entscheidenden Beitrag leisten die Notenbanken – gewollt oder nicht: einen Beitrag, den sie auch wieder korrigieren könnten. Und sollten.

Notenbanker aller Länder, vereinigt euch

Vor fünf Jahren hieß es auf den Partys noch, die Euro-Zone sei am Ende, damals lag der Euro bei 0,85 US-Cent. Jetzt ist plötzlich Amerika am Ende und – wenn es nach dem Dollar-Kurs ginge – nur noch gut halb so viel Wert. Das ist absurd.

Die USA mögen einige Zeit über ihre Verhältnisse und mit der Illusion steigender Hauspreise gelebt haben. Nur muss man deshalb nicht übertreiben. US-Firmen steigern ihre Produktivität immer noch mehr als europäische. Die Arbeitslosenquote liegt trotz Umbrüchen bei historisch niedrigen fünf Prozent. Und die Rezession blieb bisher aus, obwohl sie seit mindestens einem Jahr herbeiprophezeit wird.

Man könnte auch fragen, warum sich der Dollar-Sturz gerade jetzt beschleunigt, wo das US-Leistungsbilanzdefizit erstmals seit 2003 unter fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinkt – nach über sechs Prozent 2006. Und es gerade 2007 die eindrucksvollste Senkung des Staatdefizits (um immerhin zwei Punkte) gab.

Plausibler ist etwas anderes: Dollar und Euro folgen seit einiger Zeit erstaunlich eng den (erwarteten) Zinsunterschieden zwischen Euro-Zone und USA. Bis ins Jahr 2001 wurde Geld in Amerika boombedingt so viel höher verzinst, dass keiner mehr Euro wollte. Kurssturz.

Ende 2002 hatte die US-Fed ihre Zinsen aus Rezessionsangst dann so enorm gesenkt, dass sie erstmals niedriger lagen als im Euro-Raum. Was ziemlich exakt mit dem Zeitpunkt übereinstimmt, als der Euro zu beschleunigtem Höhenflug ansetzte. Ein Höhenflug, der wiederum zwischen Ende 2004 und Anfang 2006 stoppte – als die Märkte eine Zeit lang erwarteten, dass die US-Zinsen anhaltend stärker steigen.

Dann zog die EZB nach. Aus mit der Dollar-Rally. Nur so ist auch erklärbar, warum sich der Dollar-Sturz gerade diesen Herbst so beschleunigt. Seit Juli ist der Abstand zwischen (erwarteten) US- und Euro-Zinsen um mehr als einen halben Punkt gesunken (siehe Grafik). Weil die Fed aktiver auf die Finanzkrise reagierte und die EZB sich nur durchrang, die Zinsen nicht mehr anzuheben. In den USA liegen die Dreimonatssätze jetzt einige Zehntel niedriger als Anfang 2007; in Europa um fast einen ganzen Prozentpunkt höher. Und hopp schoss der Euro Richtung Ozonloch. Kein Wunder.

Wenn die Kurse so stark vom Saldo euroamerikanischer Zinserwägungen abhängen, wirkt es absurd, wie relativ unbeteiligt sich die Geldhüter derzeit geben und alte geldpolitische Gewohnheiten pflegen. Wenn der Euro auf 1,50 $ schießt, liegt das, kurz gefasst, auch daran, dass Euro-Hüter sich weniger berufen fühlen, wirtschaftliche Krisen zu verhindern, als ihre US-Kollegen. Und es hinnehmen, wenn in der Finanzkrise Geldmarktzinsen und Euro-Kurse bedenklich teurer werden. Obwohl die Inflation in Europa derzeit (trotz allem) noch niedriger ist als in den USA; in Deutschland läge sie ohne den einmaligen Effekt höherer Mehrwertsteuern und Studiengebühren ohnehin unter zwei statt bei drei Prozent. Trotz Ölpreisschocks.

Es würde lohnen, die Zinsperspektiven transatlantisch enger abzustimmen und zu korrigieren. Indem die Euro-Hüter zum Abbau überzogener Inflationspanik beitragen und signalisieren, dass sie ihre Zinsen mangels wirklich ernster Inflationsgefahr auch senken, wenn die Konjunktur zu kippen droht. Und die Fed die Erwartungen der Märkte umgekehrt bremst, wonach die US-Zinsen bis nächstes Jahr um einen weiteren ganzen Prozentpunkt fallen.

Das wäre für alle Beteiligten prima. Für Europa, weil allein die bisherige Euro-Aufwertung 2008 einen halben Punkt Wachstum (und Jobs) kostet. Für die Amerikaner auch: weil der Versuch, die US-Exportbilanz durch Dollar-Stürze aufzumöbeln, bisher relativ erfolglos war (siehe Kolumne vom 23. November) – und es weit mehr bringt, wenn die Wirtschaft im Rest der Welt besser läuft. Das US-Defizit begann nicht zufällig 2006 zu sinken, als erstmals seit zwei Jahrzehnten (auch) die Deutschen mehrere Quartale stärker wuchsen als die USA.

Troika könnte Reisekosten sparen

Das Wunder wird nicht lange halten, wenn die Zinsen in Europa steigen und in den USA sinken, was die Konjunktur hier bremst und drüben anheizt. Dann steigt das US-Defizit wieder. Relativ niedrigere Euro-Zinsen bei (somit) gestopptem oder gebremstem Dollar-Fall wären eindeutig besser, um Europas Aufschwung (und Nachfrage nach US-Waren) zu retten.

All das heißt nicht, dass Wechselkurse allein von Notenbanken bestimmt werden und dies immer so bleibt. Nur scheint der Einfluss seit ein paar Jahren atemberaubend groß. Ein Phänomen, auf das sie vor lauter Nabelschau nicht wirklich angemessen reagiert haben.

Vielleicht sollten Amis, Europäer und Chinesen künftig wenigstens am selben Tag tagen und sich per Videokonferenz abstimmen. Das würde auch manche Reisekosten ersparen.

E-Mail fricke.thomas@ftd.de

Die nächste Freitagskolumne erscheint am 14. Dezember.

Kommentare

  Mental-Divergenzen machen Konvergenz-Zins möglich [antworten]

In den USA ist der Konsument bereit und fähig, Grenzen zwischen (angeblicher) Realität und Fiktion zu durchschreiten. Das treibt den Konsum, das treibt Innovationen. Das ist eine Voraussetzung, Konsum und Investitionen mit geldpolitischen Instrumenten übermäßig zu stimulieren.

In Europa und speziell in Deutschland hat man (verständlicherweise) häufig das Bild von „Schutt und Asche“ vor Augen. Damit es nicht noch schlimmer kommt, schränkt man sich lieber schon vorher ein. Weil dieses Denken zudem u.a. mit Pawlow`schen Glockenschlägen, also mit einem längst vergessen geglaubten Behavourismus, verstärkt wurde, werden wahrscheinlich Zinssenkungen im europäischen Raum, insbesondere mit Wirkung auf Deutschland, kaum zu einer wesentlich verstärkten Binnennachfrage führen. Das hieße: eine Inflationsausweitung wäre so in Europa eher unbegründet. Ja, und auf die USA bezogen, wären (vorläufig) weniger stark sinkende Zinsen keine Tragödie, da die mentalen Voraussetzungen zum Konsum beinahe permanent vorhanden sind.

Abschließend möchte ich mich für meine Bizzar-, Verzeihung, Pizza-, äh, ich meine Bizarr-Kommentare bei Herrn Fricke und dem WirtschaftsWunder-Team entschuldigen. Hiermit sage ich: „Glück auf!“

In der Kurve immer geradeaus | 30/11/2007, 14:53


  "In der Kurve immer geradeaus" hat recht [antworten]

Bis darauf, das ich es nicht für Verständlich halte das Glas stets als halb voll zu betrachten, viele (nicht nur wirtschaftliche) Probleme haben wir eigentlich vor allem weil wir uns wegen Bedenkenträgerei nichts mehr zutrauen und durch diesen Phlegmatismus erst probleme entstehen. Es gibt z.B. schlicht keinen objektiven Grund warum hiesige Arbeitnehmer zusammen mit unseren (trotz Detailfragen) guten Schulen und Universitäten, viel Fachwissen und nach wie vor hervorragender Infrastruktur weniger schaffen sollten als Arbeitnehmer anderswo. Das Apple das deutsche MP3 Format erst zu diesem Ruhm bringen konnte ist oft bemüht aber es veranschaulicht eben jedem am besten wo das Problem ist, es hätte keinen Grund gegeben warum nicht ein deutscher Premiumhersteller für Unterhaltungselektronik wie Löwe sowas herausbringt. Aber es mussten erst Amerikaner kommen, die den Mut dazu hatten. Auch hatten Siemens Handys sogar eine tolle Marktposition, aus Angst neue Entwicklungen auf dem Handymarkt mitzumachen hat man die Marke dann getötet weil alle Trends verschlafen wurden. Es liegt also weder am Know-How, noch an den Möglichkeiten oder dem Wissen.. nein, nur am Mut. Und wer nun sofort überlegt was er mir entgegnen kann und nicht wieso ich vielleicht recht habe, beweist dass dies schon richtig in uns steckt. Sicherlich, die Vergangenheit hat die Deutschen kollektiv verunsichert und es war richtig das wir nachdenklicher wurden über unser Handeln und die Welt. Aber wenn daran die Zukunft scheitert, ist dies das andere und darum genauso falsche Extrem wie unbedacht und krachert in die Zukunft zu stolpern. Zuversicht ist kein naives Geplapper sondern die Grundlage jedes Wirtschaftens, ohne Zuversicht und eine gewisse Risikofreude gründet keiner ein Unternehmen sondern zieht das Angestelltenverhältnis vor, investiert kein Unternehmer in neue Fertigungsprojekte oder Produkte sondern zieht das "bewährte" vor - und überlässt die neuen Märkte und Produkte der Konkurrenz anderswo. Auch kann es nicht angehen das jemand der einmal mit einer Geschäftsidee oder einer früheren Tätigkeit gescheitert ist, dafür sein restliches Leben stigmatisiert wird. Es muss im Gegenteil jedem Arbeitgeber teuer sein auch Angestellte zu haben die gezeigt haben, sie haben was riskiert und dabei eben verloren - was leider auch passieren kann. Siemens, Merck, Porsche, Bosch,.. usw. das sind alles Nachnamen von Menschen die in der Gründerzeit den Mut hatten, den Mut zu neuem. Ohne die könnten diese Firmen keine hunderttausende Angestellte haben, die lieber auf Sicherheit setzen im Leben. Daran ist nichts falsch, aber es braucht beides. Und für beides Freiraum!

Michael | 01/12/2007, 09:51


  Freiheit und Sicherheit durch "Prosumer-Ökonomie" [antworten]

Ich denke, dass das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit auch durch die Gestaltung von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Der Impuls zur Bereitstellung des Angebots geht immer von einer unternehmerischen Seite aus. Die Vorgabe dazu gibt aber ein kollektives Gedächtnis, ein allgemeiner Bestand an Wissen, Emotionen etc., aus dem sich die zeitliche Reife einer Idee (eines Angebotes) durch o.g. Impulsgebung hervorhebt.

Auf die Frage, ob ich der Angebots- oder der Nachfrageökonomie näher stehe, würde ich antworten, dass ich mir eine konsequente „Prosumer-Ökonomie“ vorstellen könnte, weil m.E. so kollektives Gedächtnis und Impuls näher und effektiver zusammenrücken.

Das würde zwar ggf. zu teilweise veränderten Wertekonstellationen führen, hätte aber wahrscheinlich wesentlich mehr Impulse zur Folge (und somit Wohlstand für alle, gleichfalls eine harmonische Beziehung zwischen Freiheit und Sicherheit).

In der Kurve immer geradeaus | 02/12/2007, 22:13




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