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Mit einem Finanzinvestor und harten Einschnitten in die Zukunft

Gut ein Jahr nach der Übernahme keimt bei der Hottinger Maschinenbau GmbH neuer Mut

Von unserem Redaktionsmitglied Daniel Kraft

Von außen betrachtet scheint alles gleich geblieben zu sein. Das weitläufige Firmenareal mit kleinem Teich, alten Backsteingebäuden neben modernen Produktionshallen und einem Verwaltungstrakt auf der Mannheimer Rheinau. Von seinem Büro aus blickt Jan Satek, Geschäftsführer der Hottinger Maschinenbau GmbH, auf den leeren Firmenparkplatz. Nur zwei schmucke Limousinen stehen auf der großen Fläche: "Wir haben die Zahl der Firmenfahrzeuge reduziert," sagt der Manager.

Satek kam im Frühjahr 2006, kurz nachdem das Beteiligungsunternehmen Arques den Maschinenbauer übernommen hatte. "Am Anfang waren die Mitarbeiter sehr vorsichtig. Finanzinvestoren haben nicht gerade den besten Ruf," erklärt der Manager. Die Fassade blieb. Dahinter gab es jedoch schmerzliche Einschnitte, die Satek unumwunden aufzählt: Personalabbau, Gehaltsverzicht im zweistelligen Prozentbereich. Die wenigsten Mitarbeiter habe man entlassen, sagt er. Manche gingen freiwillig und suchten sich neue Jobs, andere traten ihre Rente an.

"Es war uns klar, dass eine Sanierungsvereinbarung nötig ist", blickt Reinhold Götz von der IG Metall zurück. Doch die Verhandlungen scheiterten. Die Gewerkschaft akzeptiere kein Diktat, so Götz: Von 35 auf 40 Arbeitsstunden in der Woche ohne Lohnausgleich, zudem kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld - das sei die Forderung von Arques gewesen. Man wollte, so der Gewerkschafter, Businesspläne sehen und bekam nur das Angebot vorgelegt.

Jan Satek entgegnet, die IG-Metall sei wenig kompromissbereit gewesen, habe auf dem Dogma der 35-Stunden-Woche beharrt: "Die ist für uns nicht zeitgemäß." Die Folge waren Einzelverträge mit den Beschäftigten. Die meisten hätten unter Druck akzeptiert, meint Götz. "Wir haben nichts Unmenschliches verlangt", entgegnet Satek. Schließlich hätten bis auf fünf alle Mitarbeiter unterschrieben.

Einer, der bewusst blieb, ist Betriebsleiter Jürgen Neumann. Jetzt trägt er die neue grau-rote Arbeitskleidung, die in der Produktionshalle das Bild bestimmt. Dort werden die Kernschießmaschinen zusammengebaut, das Geschäft der Hottinger Maschinenbau GmbH. Diese Ungetüme formen aus Sand Gusskerne, beispielsweise für Motorblöcke. Pro Block ein Kern. Die Sandformen werden nach dem Guss zerstört, um das Material aus dem Inneren des fertigen Motorblocks zu holen.

Noch vor 15 Jahren sei es Hottinger gut gegangen, fasst Jan Satek zusammen. Dann seien Konkurrenten entstanden. Die Schieflage sei gekommen, als etwa ein riesiges Geschäft in Australien platzte. Hottinger wurde zum Übernahmekandidat. "Vor rund zwei Jahren zeichnete sich ab, dass wir finanziell vor der Wand stehen", erzählt Betriebsleiter Neumann von der Übernahme. Man sei froh gewesen, dass sich was tut. Damals habe er sich schon gefragt, ob Arques eine "Heuschrecke" sei, auch wenn die das Gegenteil kommuniziert hätten. Er informierte sich über das Internet, das habe ihn dann beruhigt. "Man muss auch mal vertrauen", meint Neumann. Sein viertes Kind ist unterwegs, er trägt die Verantwortung für eine Großfamilie. Seit neun Jahren arbeitet er bei Hottinger, fühlt sich dem Betrieb verbunden - da wollte er nicht "gleich das Handtuch werfen".

Arques schickte ein neues Management und damit Geschäftsführer Satek nach Mannheim, dazu mehrere Arbeitsgruppen, zum Beispiel für das Controlling. "Sie durchleuchten eine Firma zwar schon im Vorfeld, aber da sehen sie nicht alles", erklärt Satek. Es folgte ein Projektmanagement, "um Termine zu halten und die Kosten in den Griff zu bekommen." Eine eigene Arbeitsgruppe für den Vertrieb entstand, denn es mussten Aufträge her. "Damit heben Sie die Stimmung. Die Leute merken, es tut sich was", so Satek.

Einiges wurde auf den Kopf gestellt, zeichnet Neumann das Bild aus Sicht der Basis. Leute seien neu platziert worden, "um Ressourcen besser zu nutzen", auch ein betriebliches Vorschlagswesen sei jetzt ein Thema. Neumann spürt eine Aufbruchstimmung, die um sich greife: "Jetzt müssen wir uns mit unseren Projekten beweisen."

Geschäftsführer Satek will mit Hottinger um bis zu 25 Prozent pro Jahr wachsen. "Wo wollen sie hier etwas zerschlagen?", kommentiert er die gefürchtete Strategie mancher Investoren, Unternehmen in Einzelteilen zu verkaufen. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Umsatz zwischen 15 und 20 Millionen Euro, ist beispielsweise in Mexiko, Brasilien und China aktiv. Eine Niederlassung in den USA wurde reaktiviert, ein Verbindungsbüro in Frankreich eröffnet. Hottinger hat zudem den indischen Markt ins Visier genommen.

Im vergangenen Jahr konnte der Maschinenbauer bereits einen Gewinn vorweisen. Dank anlaufender Geschäfte werden inzwischen Leiharbeiter beschäftigt. Neue Festanstellungen gibt es auch: "Wir brauchen Know-How", sagt Satek: "Jetzt haben wir fast wieder den alten Stand erreicht", blickt er auf die Belegschaft, deren Löhne zwei Jahre nach der Übernahme wieder steigen sollen, um ihr altes Niveau zu erreichen.

Dennoch bleibt die Ungewissheit, ob Hottinger wieder verkauft wird. Rund drei bis fünf Jahre dauere die Restrukturierung, so ist von Arques zu erfahren. Bis dahin kann Jan Satek an seinen langen Arbeitstagen weiter auf den Firmenparkplatz blicken. Die Einschnitte nach der Übernahme betrachtet er als ein Mittel, um Arbeitsplätze zu retten: "Manchmal helfen sie 50 Mitarbeitern, wenn sie einen entlassen". Jürgen Neumann hofft das Beste und setzt auf Pioniergeist: "Wir müssen kämpfen. Aber wo bekommen sie gebratene Tauben frei Haus serviert?"

Wirtschaftsmorgen
23. Mai 2007

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