•  |  Passwort vergessen?  |  Jetzt registrieren
03.07.2007    08:16 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
Trennlinie

Aderlass & Co

Bluten für die Gesundheit

Aderlass, Schröpfen, Blutegeltherapie - Humoraltherapieverfahren sind Relikte falscher medizinischer Vorstellungen.
Von Colin Goldner

Aderlass
Aderlass wurde bereits in der Antike angewandt.
Foto: oh
 

Eine ungeahnte Wiedergeburt erleben seit geraumer Zeit Verfahren, die auf das “Erfahrungsgut der Volksmedizin der vergangenen Jahrhunderte” abstellen. Insbesondere den Methoden der sogenannten Humoraltherapie, deren Ziel es ist, eine gute “Mischung der Körpersäfte” (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) herbeizuführen, wird nachgerade wundertätige Wirksamkeit zugeschrieben.

Die Humoraltherapie, die auf die bis in die Neuzeit hinein gültige Säftelehre des römischen Arztes Galenus von Pergamon zurückgeht (2. Jahrhundert unserer Zeit), umfasst neben Blutegeltherapie, Baunscheidtieren und Cantharidenbehandlung vor allem das Schröpfen und den Aderlass.

Die modernen Vertreter dieser Verfahren bemühen sich zwar, im Gewande des Wissenschaftlichen aufzutreten und verweisen auf jahrhundertelange Tradition. Doch die Methoden sind lediglich als Relikte schlichtweg falscher Vorstellungen über physiologische Abläufe und die Ursache von Erkrankungen zu sehen.

Aderlass

Beim Aderlass wird dem Patienten meist in der Ellenbeuge oder am Hals mittels einer Flügelkanüle venöses Blut abgezapft ("ausgeleitet"). Nach willkürlicher Maßgabe werden dabei etwa zehn bis 15 Prozent der Gesamtblutmenge entnommen, was etwa einem Prozent des Lebendgewichtes entspricht. Bei einem 80-kg-Patienten bedeutet dies den schlagartigen Verlust von bis zu 800 Millilitern Blut.

Als Indikationen für den Aderlass werden vor allem Stauungsödeme, degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates, Lungenödeme, Hauterkrankungen und Stoffwechselstörungen angegeben. Insbesondere aber soll regelmäßiger Aderlass - wenigstens dreimal pro Jahr - dem “Druckabbau im Blutkreislauf” dienen, was angeblich der Gefahr von Schlaganfall, Herzinfarkt und Bluthochdruck vorbeugt.


 
mehr zum Thema

Special
Alternative Heilverfahrenweiter
 

 

Zudem soll der Aderlass durch die “Ableitung giftigen Blutes” die Selbstheilungskräfte des Körpers bei jedweder akuten oder chronischen Erkrankung unterstützen.

Tatsächlich ist nichts davon auch nur ansatzweise belegt. Lediglich in seltenen Fällen, etwa bei einer übermäßigen Vermehrung von Blutzellen wie bei Polycythaemia vera, kann die Methode die Behandlung unterstützen.

Hingegen kann Aderlass bei Durchblutungsstörungen im Gehirn oder bei Blutgerinnungsstörungen hochgefährlich werden, desgleichen bei Herzrhythmusstörungen, Angina pectoris oder Anämie.

Die Behauptung eines szenebekannten “Ganzheitsmediziners”, der Aderlass sei eine “gut verträgliche Behandlungsmaßnahme, die in der Regel von Patienten gern angenommen wird”, weist allenfalls auf die Verantwortungslosigkeit von Alternativheilern hin, diese untaugliche Methodik überhaupt noch anzuwenden.

Hier geht's weiter zum Schröpfen


vorherige Seite  vorherige Seite     1 | 2 | 3 | 4 | 5     nächste Seite   nächste Seite

Kommentare


02.11.2007 04:05:07

Guttau: Aderlass

Also ich empfehle den Anhängern des Aderlassens, einfach stattdessen zur Blutspende zu gehen. Andere Menschen sind für das "schlechte" Blut noch dankbar, wenn es ihnen unter Umständen das Leben retten kann. :-)


Bewerten Sie diesen Kommentar



07.08.2007 21:34:45

gwup: Andere Medizin

Das Thema Schröpfen ist untersucht worden und der Nutzen ist nicht belegt, das es mal dem einen oder anderen hilft sei dabei unbestritten, aber unwichtig. Es gibt auch Leute die nach ihrer Erkrankung Senf gegessen haben und dann auch oder trotzdem gesundet sind. Daher ist hier die einzige relevante Frage: Ist ein Nutzen nach anerkannten wissenschaftlichen Standards belegt oder nicht.
buchtipp: Federspiel, Krista/ Herbst (2006): Die Andere Medizin "Alternative" Heilmethoden für Sie bewertet.


1 Besucher hat diesen Kommentar bewertet



10.07.2007 22:50:18

wbjpan: Indikation für Aderlaß

Neben der zugegebenermaßen seltenen Polycythaemia vera ist die hierzulande zu den häufigsten Erbkrankheiten zählende Hämochromatose oder Eisenspeicherkrankheit als medizinische Indikation für den Aderlaß zu nennen.

Bei von der Hämochromatose betroffenen Personen wird Eisen aus der Nahrung sehr viel effizienter aufgenommen als bei gesunden.
Anders ausgedrückt fehlt der bremsende Rückkopplungsmechanismus, der die Eisenaufnahme aus der Nahrung zurückfährt, wenn der Bedarf des Körpers an Eisen eigentlich schon gedeckt ist.
Die Folge sind Eisenablagerungen an allen möglichen Stellen im Körper, die die Funktionsfähigkeit der einzelnen Organe aufs schwerste stören können:
Am häufigsten betroffen sind Leber(u.a. Zirrhose), Bauchspeicheldrüse (Diabetes), Herzmuskel u.a.
Häufig tritt ein allgemeiner Schwächezustand, dauernde Müdigkeit etc. auf.
Wehe, wer dann zu Eisenpräperaten greift!
Behandlung : Aderlaß, da im Blut relativ viel Eisen 'verbaut' ist.
Ohne Diagnose und Behandlung: Schwere Folgeerkrankungen und verkürzte Lebenserwartung.
Mit Diagnose und Aderlaß: Normale Lebenserwartung.
Genauere Information u.a. bei Hämochromatose-Selbsthilfegruppen im Internet.
Achtung: Hämochromatose gilt in Medizinerkreisen fälschlicherweise wider besseres Wissen aus neuerer Forschung als sehr seltene Erbkrankheit und als Problem älterer Männer.


Bewerten Sie diesen Kommentar



10.07.2007 19:34:52

oildrum: amüsant- coca-cola Werbung ist wohl fest mit dem Artikel verlinkt?

Was soll man dazu noch sagen, ich habe unblutiges Schröpfen gelernt, halte aber nicht sehr viel davon.
Ein cola- ein Schröpfkopf ? Das gleicht sich aus ?


Bewerten Sie diesen Kommentar



10.07.2007 17:23:02

octane lynch: Schröpfen

Ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen: Schröpfen (ohne Blut!) hilft wirklich gegen Rückenschmerzen und starke Verspannungen. Es macht auch keine blauen Flecken sondern verursacht nur eine starke Rötung, die wieder vergeht, und die auf eine verstärkte Durchblutung des Gewebes zurückzuführen ist - ähnlich wie bei Massage, Fangopackungen, Rotlicht oder anderen "Reiz"-therapien auch. Eine undifferenzierte Behauptung wie: "... ist untauglich" halte ich für untauglich in einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema.


Bewerten Sie diesen Kommentar



Wir wollen die Qualität der Nutzerdiskussionen stärker moderieren. Bitte haben Sie deshalb Verständnis, dass wir die Kommentare ab 19 Uhr bis 8 Uhr des Folgetages einfrieren. In dieser Zeit können keine Kommentare geschrieben werden. Dieser "Freeze" gilt auch für Wochenenden (Freitag 19 Uhr bis Montag 8 Uhr) und für Feiertage.


SZ Wissen
Wissen ist gemacht: Das Online-Spezial zum aktuellen Heft
Beschenk-Kalender 2007
Was war in diesem Jahr wichtig? Testen Sie Ihr Wissen im Adventsrätsel mit täglichen Gewinnen!
Medizin
Die zehn in Deutschland bestverkauften Mittel gegen fieberhafte grippale Infekte im Test.
Akupunktur, Homöopathie, Ayurveda, Bach-Blütentherapie - was steckt wirklich hinter alternativen Heilverfahren?

ANZEIGE

Innovate!