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03.07.2007    08:16 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Teil 20: Ayurveda

Das "Wissen um ein langes Leben"

Das rund dreieinhalbtausend Jahre alte Ayurveda hat viele Anhänger. Doch dem hinduistischen Heilsystem wird zu viel zugetraut.
Von Colin Goldner


vergrößern Ayurveda-Massagen sind angenehm und entspannend.
Foto: ddp
 

Die Zeit der indischen Weisheitskünder und Gurus, die seit Anfang der 1970er Jahre auf den Westen niedergekommen waren, ist längst vorbei.

Ehedem höchst einflussreiche Figuren wie Phabhat Ranjana (Ananda Marga), Maharaj Ji (Divine Light Mission) oder Lekh Raj (Brahma Kumaris) sind heute kaum mehr jemandem ein Begriff. Und Bhagwan-Osho Rajneesh oder Seine Göttliche Gnade Bhaktivedanta Swami Prabupadha (Hare Krishna) haben schon vor Jahren das Nirvana erreicht.

Nur Sri Chinmoy macht gelegentlich noch mit seinen "Peace-Konzerten" von sich reden. Und natürlich Maharishi Mahesh Yogi, der als einer der ersten Gurus entdeckt hatte, wie man im Westen Geld macht. Mit seiner Transzendentalen Meditation ist er nach wie vor erfolgreich im Psycho- und Alternativheilergeschäft zugange.


 
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Anfang der 1980er hatte der Maharishi den "Weltplan für vollkommene Gesundheit" vorgestellt, eine Mixtur aus Transzendentaler Meditation und Bestandteilen traditioneller indischer Heilkunst.

Auf diesem Weg wurde das hinduistische Heilsystem des Ayurveda auch im deutschsprachigen Raum bekannt. Zahlreiche Heilpraktiker sowie zunehmend auch Ärzte und Privatkliniken arbeiten heute nach ayurvedischen Prinzipien (beziehungsweise dem, was sie darunter verstehen).

Ayurveda, das mindestens dreieinhalbtausend Jahre alte "Wissen um ein langes Leben", ist Teil der vier heiligen Schriften (Vedas) des Hinduismus. Der menschliche Organismus, so die grundlegende Vorstellung, spiegle das kosmische Ordnungssystem des Universums wider, das wie dieser zusammengesetzt sei aus den fünf Elementen Feuer (Thejas), Wasser (Jala), Luft (Vayu), Erde (Prithivi) und Äther (Akasha).


Hergeleitet aus diesen Elementen bestimmten drei energetische Regelsysteme, Doshas genannt, den Organismus: Vata (Luft/Äther) regle Atmung, Bewegung und Nerventätigkeit, Pitta (Feuer/Wasser) Verdauung und Stoffwechsel, Kapha (Wasser/Erde) das Immunsystem.

Das Verhältnis der Doshas zueinander soll die Konstitution und die individuellen Eigenschaften des Menschen bestimmen. Selbst die kleinste Störung in der harmonischen Abstimmung der drei Doshas führe zu Krankheitssymptomen, vor allem aber zur Ablagerung giftiger Schlacken (Ama) im Organismus, heißt es.

Mittels einer eigenen Pulsdiagnose (Nadivigyan) wird das aktuelle Verhältnis der Doshas zueinander ermittelt. Um deren rechte Balance, abgeleitet aus dem astrologischen Horoskop des Patienten (Prakriti-Analyse), wiederherzustellen und die angesammelten Schlacken auszuleiten, werden bestimmte Reinigungsverfahren (Panchakarma) verwendet.

Dazu gehören etwa Fasten, Bäder, Einläufe, Erbrechen oder Aderlass. Hinzu kommen Massagen, Yoga- und Atemübungen, Farb- und Musiktherapie, sowie der Einsatz einer Vielzahl eigener Arzneimittel.

Ob diese Vorstellungen außerhalb des kulturellen Kontexts, in dem sie entstanden sind, Sinn machen, ist umstritten.

Zweifel sind angebracht

Überprüfungen ayurvedischer Diagnose- oder Therapieverfahren nach westlichem Standard lassen jedenfalls erhebliche Zweifel an deren Wirksamkeit aufkommen. Selbst in Indien sind sie umstritten. So hielt der verstorbene indische Wissenschaftler Abraham Kovoor sie für ausgemachten Unsinn.

Ernsthafte Belege für das angeführte "Indikationsspektrum", demzufolge ayurvedische Behandlung nicht nur bei körperlichen Erkrankungen wie Diabetes oder Hepatitis angezeigt sein soll, sondern vor allem bei psychosomatischen Beschwerden wie Migräne, Neuralgien oder Magenschleimhautentzündung, gibt es bislang nicht; ebenso wenig für die angeblich phantastischen Behandlungserfolge bei psychischen Störungen.

Den diesbezüglichen Behauptungen darf zu Recht misstraut werden. Das gilt natürlich vor allem auch für ayurvedische Präparate, die zur Behandlung von Krebs und Aids empfohlen werden.

Überhaupt hält die Medikamentenlehre des Ayurveda einer seriösen Analyse kaum stand. Vor allem die traditionelle Vermengung der einzelnen Präparate mit Mineralien und Metallen - insbesondere mit dem hochgiftigen Quecksilber - ist nach heutigem Erkenntnisstand nicht mehr zu vertreten.


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Kommentare


21.08.2007 16:36:46

Reinhold Rabe: @F.X.Richter: Befreiung von der Angst

Sie schrieben:
"Die Erfahrung der Ganzheit nimmt uns die Angst - die Angst vor dem anderen Menschen und sogar die Angst vor dem Tode. (Ach wie sehr würde ich Herrn Goldner und seinen Hintermännern und -frauen die Befreiung von ihrer Angst wünschen.) "
Entwicklungsgeschichtlich erscheint mir eine Befreiung von der Angst nicht wünschenswert. In der vermutlich 5 Millionen Jahre andauernden Entwicklung affenähnlicher Wesen bis zum Menschen muss die Angst eine überlebenswichtige Rolle gespielt haben, indem immer nur die klügsten und vorsichtigsten Individuen überleben und ihre Gene weiter geben konnten. Es gab ja genug Gefahren durch Naturgewalten, wilde Tiere und feindliche Horden. Ich denke, dass Angst zum Leben gehört und dass ein Teil des Lebenssinnes darin besteht, sie anzunehmen und neben ihr zu bestehen und teilweise auch, sie zu überwinden.
In weiten Teilen dürften Gedanken von Fritz Riemann - "Grundformen der Angst" - auch heute noch Gültigkeit besitzen. S.a. die Webseite "schulz-von-thun.de".

Ich gestehe, dass ich mit Ihrer Definition der Ganzheit nichts anfangen kann, wir treffen uns in dieser Diskussion ganz einfach überhaupt nicht!


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11.08.2007 22:47:34

Parvis: Menno F.X.

So schnell wird aus einem 'Hindu Universum' eine 'Art Hindu Universum'. Alles wird beliebig und somit sinnleer.

Gratuliere.

Und wer ist Jörg Becker? Was qualifiziert ihn?

P.S. Eine Buchbesprechung gelesen zu haben heisst nicht, das Buch gelesen zu haben ;-)


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11.08.2007 22:13:20

F.X.Richter: @Parvis: Hinduismus

Ihre dissipative Energie widerspricht der schönen menschlichen Gabe der Abstraktion oder Synthese. Mein 20 Monate altes Kind kann jetzt schon von "Elefant", "Giraffe" und "Kuh" auf "Tier" abstrahieren. Die ganze Tendenz der neueren Wissenschaft strebt nach Vereinheitlichung und Synthese - eben Ganzheit. Und wenn Sie die Evolution betrachten - irgendwo muss von Anfang an die Intelligenz stecken, die am Ende dabei herauskommt, in den Atomen (die es vielleicht gar nicht gibt), in der Wellenfunktion oder im lieben Gott. Oder eben in dem universalen Bewusstsein, das sich als Individuum erkennt.

C.F. v. Weizsäcker's Festschrift: LUTZ CASTELL, OTFRIED ISCHEBECK (Hrsg.): Time, Quantum and Information. Springer Verlag, Heidelberg 2003: Buchbesprechung in der SZ von Ulrich Kühne am 23.08.2003: "...im Aufsatz von Jörg Becker, der aus der Ur-Theorie eine Art „Hindu-Universum“ ableitet, bei dem in jedem Lebenszyklus eine kleine Anzahl der „Ure“ aus dem Vorgängeruniversum durch den Urknall tunneln." "Edward Teller (schreibt) in seiner Grußadresse. 'Wenn ich Deinen religiösen Glauben teilen könnte, würde ich mir wünschen, dass Du mich einmal im Fegefeuer von einem höheren Himmel besuchen würdest'".

Der gemeinsame Nenner zwischen Ayurveda und Hinduismus ist natürlich der Veda (="Wissen"). Damit ist aber nicht ein Wissen über Objekte gemeint, sondern das Selbstwissen des Bewusstseins. So wie Meister Eckhard (?) in einem anomymen Gedicht sagt: "Es weiß sich selber allermeist." Ein vedischer Seher überwindet die Subjekt-Objekt-Dualität und taucht in dieses Selbstwissen ein. übrigens verwendet sowohl die Bhagavadgita als auch die Quantenphysik für diese Ganzheit den selben Begriff: "Feld" (kshetra).


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11.08.2007 20:45:56

Parvis: Hinduismus

hat mit Ayurveda genau soviel zu tun wie Christentum mit Homöopathie.

Naja - und Kant, zumindest seine frühen Werke sind, wie soll ich das schreiben, eher von zweifelhaften Wert. Beschäftigen sie sich mit den Vorkritischen Schriften und sie wissen, was sich meine.

Naja, und die Wellengleichung eines Milchsäurebakterium aufzustellen, welches sich auch für Fussschweiss verantwortlich zeigt, ist schwierig, aber möglich und hat mit einem Hindu-Universum (von dem von ihnen angeführten Zitat würde ich mich übrigens über eine Quelle freuen) nichts zu tun.


3 Besucher haben diesen Kommentar bewertet



11.08.2007 18:46:46

F.X.Richter: @Ein Bürger: Quantenphysik und Ganzheit

Haben Sie dafür Namen, Beispiele, Formeln? Na ja, die findet man immer in einer noch nicht abgeschlossenen wissenschaftlichen Diskussion.

Gerade in Deutschland haben sich die Denkansätze von C.F. von Weizsäcker und seiner Schule sehr um eine Aufarbeitung der ganzheitlichen Aspekte der Quantenphysik bemüht. In der Festschrift zu von Weizsäckers 90. Geburtstag vergleicht ein Wissenschaftler dessen Theorie der binären (Ur)-Entscheidungen mit einem "Hindu-Universum".

Aufklärung: Auch Kant mit seiner Transzendentalphilosophie gehört zur Aufklärung.

Empirik / Empirie: Wir sollten nicht so hochmütig sein, mit unseren 300 Jahren an empirischer Wissenschaft, die Jahrtausende andauernde und sehr systematische und hochabstrakte Bewusstseins-Empirik der indischen Seher zu ignorieren. Auch wenn bei uns die Leute, die auf gleicher Ebene mithalten konnten, gekreuzigt wurden oder, wie etwa Meister Eckhard, in der Versenkung verschwanden.

Ganzheitliche Theorien und Praktiken: Meist kommen die Gegner ganzheitlicher Theorien und Praktiken nicht aus den Reihen der wissenschaftlichen Betonköpfe, die immer noch an eine Billardball-Physik glauben, sondern aus den Reihen religiöser Fundamentalisten. Würde mich ja interessieren, wo Herr Goldner einzuordnen ist. Vielleicht können Sie, @Ein Bürger, uns dazu etwas sagen?


2 Besucher haben diesen Kommentar bewertet


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