Sollten Marcos Anwälte wegen des schleppenden Prozesses im türkischen Antalya eine Klage in Straßburg einreichen, wird das Justizministerium nach eigenen Angaben prüfen, ob Deutschland ihr beitritt. "Es gibt eine Offenheit, das so zu machen", hieß es in Regierungskreisen.
Offiziell plädierte die Regierung in dem heiklen Rechtsstreit auch am Donnerstag für Zurückhaltung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beteuerte, sie wolle sich um eine Lösung bemühen. Sie sprach sich in einem Inerview des Nachrichtensenders n-tv aber gegen öffentliche Diskussionen der Politik aus. "Wir werden tun, was dem Jungen nützt", sagte Merkel.
Vollmundige Aufforderungen von Bundespolitikern zum Prozessbeginn, den 17-Jährigen rasch nach Deutschland zu überstellen, waren der Kooperationsbereitschaft der türkischen Justiz nicht zuträglich gewesen, wird heute rückblickend eingestanden. In dem schon getrübten Verhältnis kommt die Aussage, sich gegebenenfalls einer Individualklage anzuschließen, aber einer indirekten Drohung gleich.
Der Jugendliche aus Niedersachsen ist angeklagt, die 13-jährige Britin Charlotte in den Osterferien in der Türkei sexuell missbraucht zu haben. Er bestreitet diesen Vorwurf. Der Prozess war am Dienstag abermals ohne Fortschritte vertagt worden, was vor allem in Unionskreisen für heftige politische Kritik an der türkischen Justiz gesorgt hatte.
Der Uelzener Schüler sitzt mittlerweile seit mehr als sieben Monaten in türkischer Untersuchungshaft. Der nächste Gerichtstermin am 14. Dezember dürfte darüber entscheiden, ob Marcos Anwälte wie beabsichtigt den Gerichtshof in Straßburg anrufen werden. Prozessbeobachter werfen der britischen Klägerin vor, das Verfahren unnötig zu verschleppen. Das Gericht in Antalya wird dafür kritisiert, nicht energisch genug zu handeln. So könne die vorgeschriebene Vernehmung der Belastungszeugin durch die Anwälte Marcos oder durch den türkischen Richter auch per Videokonferenz geschehen.
Die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert nach Artikel 6 ein zügiges Verfahren. Eine Klage würde die U-Haft für Marco aber nicht gleich beenden, gab Professor Hans-Heiner Kühne von der Universität Trier zu bedenken. Kühne, der auch das türkische Außenministerium berät, bezeichnete es als "unklug" von der Bundesregierung, mit einer so ungewöhnlichen Klage dem Verfahren "allzu große Aufmerksamkeit zu schenken". Sie habe sich schon "grob unsachlich und beleidigend" positioniert, sagte er der FTD.
Eine Sprecherin des Justizministeriums unterstrich, die Frage nach einem Beitritt zu einem Verfahren stelle sich erst, wenn ein Antrag auf eine Rüge wegen Verletzung der Menschenrechte in Straßburg eingegangen sei. "Dann kann die Regierung entscheiden, ob sie die Auffassung des Antragstellers teilt oder nicht", so die Sprecherin. Bei einer besonderen Bedrohungslage des Klägers, etwa in Haftfällen, sei es nicht ungewöhnlich, diesen zu unterstützen.
Auch die EU-Kommission und das Europaparlament verfolgen die menschenrechtliche Dimension des Falles sehr genau. Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) sprach am Donnerstag bei Erweiterungskommissar Olli Rehn vor. Die Vorsitzenden der Fraktionen seien über die skandalöse Länge der Verfahrensdauer besorgt, ließ Pötteruing mitteilen.
Aus der FTD vom 23.11.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa
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