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17.12.2007    16:06 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Gehirn und Bewusstsein

Die Illusion fühlt sich sehr real an

Wenn es um das Bewusstsein geht, beanspruchen Psychologen, Neurophysiologen, Kognitionswissenschaftler, KI-Forscher und Hirnforscher ein Erklärungsmonopol gegenüber den Philosophen. Susan Blackmores Inquisitionen prominenter Bewusstseinsforscher.
Von Willy Hochkeppel


vergrößern Eine Kopfoperation, gemalt von Hieronimus Bosch im 15. Jahrhundert. Wo ist der Wille?
Foto: oh
 

Seit über zwanzig Jahren hat die Philosophie des Geistes, die philosophy of mind, die zuvor dominierende Philosophie der Sprache in den Hintergrund gedrängt.

Im Zentrum dieser Philosophie des Geistes steht der Begriff des Bewusstseins. Um dessen "Rätselhaftigkeit" kreisen derzeit die gänzlich kontroversen Gedanken vorwiegend angelsächsischer, mittlerweile auch deutscher Philosophen.

Zugleich beanspruchen Psychologen, Neurophysiologen, Kognitionswissenschaftler, KI-Forscher, Hirnforscher, einzeln oder in Koalitionen, ein Erklärungsmonopol gegenüber den Philosophen. Da steht Meinung gegen Meinung, oder anders gesagt, es herrscht ein heilloses Durcheinander.

Vor acht Jahren hat Susan Blackmore begonnen, mit namhaften Forschern Gespräche über das Bewusstseinsproblem zu führen, dabei die Befragten drängend, spontan und ohne Fachjargon zu reagieren - Tacheles zu reden. Im daraus entstandenen Buch ist die Form freier mündlicher Rede, wie sie ursprünglich für Radiosendungen gedacht war, unverändert beibehalten worden.


Ein bemerkenswertes Buch

Unter den zwanzig Wissenschaftlern, die sich den hartnäckigen, kompetenten Fragen der Autorin - ihr Buch "Die Macht der Meme" wurde in elf Sprachen übersetzt - gestellt haben, sind die prominentesten und bei uns am ehesten bekannten: Daniel Dennett, etwa durch sein Buch mit dem lakonischen Originaltitel Consciousness explained; Francis Crick, Entdecker der DNA-Struktur; David Chalmers, Philosoph und Kognitionswissenschaftler; John Searle, dessen Buch Die Wiederentdeckung des Geistes (1992) die heftigsten Diskussionen auslöste; oder Roger Penrose (Wege zu einer neuen Physik des Bewusstseins).

Die Mehrheit der zu Wort Kommenden stammt aus den Naturwissenschaften oder argumentiert unter deren Auspizien. Philosophen, heißt es etwa bei Francis Crick, "tun nichts weiter, als ständig darüber zu diskutieren . . . man sollte ihren Diskussionen daher nicht allzuviel Beachtung schenken."

Dem applaudieren materialistisch orientierte Philosophen wie Daniel Dennett oder Patricia und Paul Churchland. Für sie ist, grob gesagt, der Mensch sein Gehirn. Solche Ansichten verleihen dem Band eine fragwürdige Gewichtung, wie überhaupt die Auswahl der Beteiligten nicht zufriedenstellen kann. Blackmore selbst spricht von "eklatanten Versäumnissen", entschuldigt sich sogar dafür - aber so ist es nun mal auf dem Markt.

Und doch ist dies, ungeachtet aller Einschränkungen, ein bemerkenswertes Buch. Es gibt Einblick in die Sisyphusarbeit, die das verschlungene Phänomen des Bewusstseins - "ein Grundmerkmal der Welt, so irreduzibel wie Raum und Zeit", nach David Chalmers und dem Mediziner Stuart Hameroff - menschlichen Hirnen abverlangt.

Verstünden wir die Gehirntätigkeit vollkommen, wäre damit auch das Bewusstsein (weg)erklärt, oder bliebe es als Residuum sui generis übrig? Aus der alleinigen Erklärung der Hirnprozesse lässt sich Bewusstsein nicht ableiten, erklären entschieden die Philosophen. Mitunter geben sie sich zwar funktionalistisch; sie glauben, wenn evolutionär selektierte physikalische Systeme funktionieren, dann hätten sie auch Bewusstsein. Aber, fragt sich Chalmers, "hat sich das System entwickelt, weil es Bewusstsein hatte", oder umgekehrt?

Der Zombie der Antimentalisten

Die eigentlich "schwierige Frage" (Chalmers), die Susan Blackmore zu Beginn jedem stellt, lautet: Ist phänomenales, subjektives Erleben, die Art wie es ist, Ich zu sein, das also, was einige Philosophen Qualia nennen, mit objektiven naturwissenschaftlichen Methoden erfassbar? Die Mehrzahl der hier Befragten sind dieser Meinung, andere halten Qualia für eine Mystifikation, die sich auflöst, sobald wir erst alle Hirnfunktionen erklärt haben.


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Kommentare

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18.12.2007 11:52:19

Dagobert1: F.X.Richter

Ich bin mit Schelling absolut nicht einverstanden.
Das was er da schreibt ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Auf der einen Seite legt er sich mit den Neodarwinisten an, weil er der Natur Intelligenz unterstellt, somit zweckbestimmtes handeln. Auf der anderen Seite legt er sich mit den Kreationisten an, weil hier Natur und Gott austauschbar werden. Natur = Gott mit Gedächtnisverlust und umgekehrt.

Wenn dem aber nicht so ist, dann stellt sich natürlich die Frage: Wer hat die Natur erschaffen? Wenn jemand etwas baut, dann meistens auch mit einer bestimmten Vorstellung was es bewirken soll.

Um auf den Artikel zurück zu kommen:
Bei der Frage nach der Willensfreiheit zeigt sich, dass man, philosophische Verfeinerungen hin, neueste Hirnforschung her, nicht eigentlich über das traditionelle Schwanken zwischen Determinismus und Indeterminismus hinausgekommen ist. Ferner geht aus Blackmores Fragestunden hervor, dass die naturwissenschaftlich und häufig reduktionistisch eingestellten Wissenschaftler vielfach einem Wunschdenken erliegen und ihre Erfolge in die Zukunft verlegen: Wir hoffen zu erreichen . . ., wenn die Zeit gekommen ist . . . sobald wir mehr über das Gehirn wissen . . . vielleicht in hundert Jahren werden wir . . .

Ich stehe jetzt auf und drehe das Licht auf obwohl es hell genug ist in meinem Zimmer. Warum mache ich das wenn ich keinen freien Willen habe und es eine absolut unnötige Handlung darstellt. Wahrscheinlich wollen mir meine Gehirnzellen damit einen freien Willen und ein Bewußtsein vorgaukeln.
Hmm, aber setzt dieses vorgaukeln nicht wiederum einen freien Willen mit Intelligenz und Bewußtsein voraus?


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17.12.2007 18:09:25

F.X.Richter: Schelling zu Bewusstsein

Die vollendete Theorie der Natur würde diejenige seyn, kraft welcher die ganze Natur sich in eine Intelligenz auflöste - Die toten und bewußtlosen Produkte der Natur sind nur mißlungene Versuche der Natur, sich selbst zu reflektieren, die sogenannte tote Natur aber überhaupt eine unreife Intelligenz, daher in ihren Phänomenen noch bewußtlos schon der intelligente Charakter durchblickt. - Das höchste Ziel, sich selbst ganz Objekt zu werden, erreicht die Natur erst durch die höchste und letzte Reflexion, welche nichts anderes als der Mensch, oder, allgemeiner, das ist, was wir Vernunft nennen, durch welche zuerst die Natur vollständig in sich selbst zurückkehrt, und wodurch offenbar wird, daß die Natur ursprünglich identisch ist mit dem, was in uns als Intelligentes und Bewußtes erkannt wird. Die Natur der transzendentalen Betrachtungsart muß also überhaupt darin bestehen, daß in ihr auch das, was in allem andern Denken, Wissen oder Handeln das Bewußtseyn flieht, und absolut nicht-objektiv ist, zum Bewußtseyn gebracht, und objektiv wird, kurz, in einem beständig sich-selbst-Objekt-werden des Subjektiven.

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling System des transzendentalen Idealismus aus §1, Begriff der Transzendentale-Philosophie (1800)


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