Wenn es Bosch gut geht, geht es auch Josef Vaca gut. Dann läuft der Betrieb in seiner kleinen Fachoberschule rund. Das Gebäude liegt nur ein paar Straßen von der mächtigen Fabrikhalle des deutschen Autozulieferers entfernt, in Jihlava, nahe der Autobahn von Prag nach Wien.
Bosch Diesel hat mit Vaca ein Abkommen geschlossen, das in ganz Tschechien für Furore sorgt: Bosch stellt für die Schüler Hightech-Laborplätze zur Verfügung und rekrutiert im Gegenzug unter den Absolventen seinen Nachwuchs.
Das ist deshalb so ungewöhnlich, weil die Berufsausbildung in Tschechien in der Regel außerbetrieblich stattfindet - ohne jeglichen Kontakt zur Praxis. "Bislang lernen die jungen Leute an den Berufsschulen vor allem technische Zusammenhänge", sagt Katerina Simonova vom Bosch-Werk in Jihlava, "die Fertigkeiten anschließend auch im Alltag anzuwenden, fällt vielen Absolventen schwer."
Vor allem deutsche Investoren, aus ihrer Heimat mit dem dualen Ausbildungssystem vertraut, beklagen dieses Defizit. "Viele Leute, die bei uns einsteigen, können wir so gut wie nicht einsetzen", sagt ein deutscher Unternehmenschef hinter vorgehaltener Hand, "denen fehlt schlicht das praktische Know-how."
Der Ruf nach einer grundlegenden Reform des tschechischen Ausbildungssystems wird daher immer lauter. Viele Firmen wünschen sich ein ähnliches System wie in Deutschland: die praktische Lehre in einem Unternehmen, kombiniert mit theoretischen Seminaren an einer Berufsschule. "Die Tschechen könnten eigentlich an ihre eigenen Erfahrungen anknüpfen, denn bis in die 80er-Jahre hinein gab es hier praktisch ein duales Ausbildungssystem", sagt Bernard Bauer, Geschäftsführer der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK). Seit Jahren verhandelt die Kammer mit dem Prager Bildungsministerium über die Wiedereinführung eines solchen Systems, bislang ohne Ergebnis.
Daher greifen die Unternehmen zur Selbsthilfe. "Wir bilden die Leute jetzt einfach selbst aus, wenn sie zu uns in die Firma kommen", sagt Vitezslav Ernest vom deutschen Fahrzeugzulieferer BOS, der in der Nähe von Karlsbad ein Werk mit 250 Mitarbeitern betreibt. Ähnlich wie Bosch in Jihlava hat BOS eine Kooperation mit der örtlichen Berufsschule aufgebaut.
"Für uns kleine Unternehmen", klagt Geschäftsführer Ernest, "ist das aber wesentlich aufwendiger." Die Großinvestoren kommen mit den Schulen wegen ihres bekannten Namens leichter ins Gespräch, vor allem sind sie bereit, mehr Geld auszugeben. Immerhin rund 600.000 Euro hat Bosch Diesel in Jihlava in das neue Ausbildungszentrum investiert.
Den Firmen bleibt allerdings kaum etwas anderes übrig, als auf eigene Faust in Qualifikationsprojekte zu investieren: In den vergangenen Jahren sind so viele Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe nach Tschechien gekommen, dass der Nachwuchs knapp wird.
"Was wir brauchen, ist ein Gesetz, das die Ausbildung klar regelt. Aber in der Politik fehlt es dazu schlicht an Visionen", schimpft Vitezslav Ernest. Er lässt inzwischen sogar Kaufleute für den Einsatz in technischen Berufen umschulen, um den Bedarf an Mitarbeitern zu decken. "Eine technische Ausbildung ist hier bei den Schülern nicht attraktiv. Die wollen alle lieber Manager werden. Die schlechte Ausstattung vieler Berufsschulen schreckt zusätzlich ab", sagt Ernest.
Eine Besserung ist nicht in Sicht. "Wir verhandeln schon länger mit dem Ministerium über die Einführung einer dualen Ausbildung", sagt Bernard Bauer von der Handelskammer. "Zu einer flächendeckenden Lösung wird es so bald nicht kommen. Aber wenn wir uns auf einige Pilotprojekte verständigen können, sind wir ja auch schon einen Schritt weiter."
Im kommenden Jahr will DTIHK-Geschäftsführer Bauer die erste Hürde nehmen: In Zusammenarbeit mit dem Kölner Bundesverwaltungsamt wird er eine Modelleinrichtung aufbauen, an der zunächst deutsche Ausbilder unterrichten. "Das" , so Bauer, "hat Pilotcharakter für die ganze mittelosteuropäische Region."
FTD.de, 03.12.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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