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» Buddha ohne Zündschnur «

von Peter Ehrlich (Berlin)

Für seine Partei hat SPD-Chef Kurt Beck das perfekte Karma - eine Mischung aus völliger Ruhe und spontaner Explosivität. Interne Machtkämpfe hat er gewonnen, jetzt zieht er selbstzufrieden seine Jahresbilanz.

Das, was man normalerweise eine Nachricht nennt, hat der Parteivorsitzende nicht mitgebracht. Schon ein Dutzend Mal hat man gehört, dass die SPD für soziale Gerechtigkeit ist, für Mindestlohn und Kinderschutz. Kurt Beck präsentiert vor allem sich selbst und sein im Vergleich zu früheren Auftritten kräftig gewachsenes Selbstbewusstsein. Er und die SPD hätten 2007 "einiges durchmachen" müssen. Nun aber sei die Partei zunehmend erfüllt von Zuversicht, Selbstsicherheit und vor den Landtagswahlen in Hessen, Hamburg und Niedersachsen auch von Kampfeswillen.

SPD-Chef Kurt Beck
 SPD-Chef Kurt Beck

Die Partei? Wenn Beck Partei sagt, meint er vor allem sich selbst. Im Sommer häuften sich die kritischen Artikel, garniert mit süffisanten Bemerkungen aus der eigenen Partei ("BMW - Beck muss weg"). Bei seinen Auftritten in Berlin war ihm körperliches Unbehagen anzumerken, er fühlte sich verfolgt.

Aber Becks Wille zur Macht und auch seine strategischen Fähigkeiten wurden unterschätzt - bei den eigenen Leuten wie beim Koalitionspartner. Erst strich er die Zahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden von fünf auf drei und suchte sich sein eigenes Führungspersonal zusammen, darunter die neuen Stellvertreter Andrea Nahles und Frank-Walter Steinmeier und Schatzmeisterin Barbara Hendricks. Dann setzte er gegen den damaligen Vizekanzler Franz Müntefering die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere durch und beendete damit vorerst die selbstquälerische Diskussion über die Agenda 2010.

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Der entscheidende Termin für Beck war, das wird bei seiner Jahresbilanz deutlich, von Anfang an der Hamburger Parteitag Ende Oktober. Beck macht lange genug Politik, um zu wissen, dass der innere Zustand einer Partei wichtiger für Wahlerfolge ist als der aktuelle Stand in den Umfragen. Die Furche sei gezogen, "und für einen Bauern wie mich ist es eine Freude, wenn die Furche gerade gezogen ist", sagt der gelernte Funkelektroniker Beck. Und um gar nicht erst den Eindruck aufkommen zu lassen, er wolle sich in der Furche verstecken, fügt er an: "In der Furche steckt das Saatgut und nicht der Bauer."

Die Ernte soll die SPD bei den Landtagswahlen im Frühjahr einfahren, auch wenn es trotz zu erwartender Verluste der CDU keineswegs sicher ist, dass sie in Hamburg, Hessen oder gar Niedersachsen künftig den Regierungschef stellt. Aus Sicht Becks bringt der frisch bestellte Acker sogar schon heute Ertrag. Die Themen Mindestlohn und Höchstgehälter werden überall diskutiert, vor allem auch von den Unionsparteien. Am CDU-Parteitag habe ihm am besten gefallen, spottet er, dass der einen Beschluss voller Abgrenzungen zur SPD gefasst habe.

Ansonsten kommen die Wörter CDU, CSU oder Union im Eingangsvortrag Becks nicht vor, obwohl er ein Stichwort nach dem anderen von seinem Zettel abliest. "Ich hab's nicht vergessen", dass man in einer Koalition sei, sagt er dann auf die entsprechende Frage. Die werde auch halten bis 2009. Nettes über die CDU/CSU kommt dabei nicht über Becks Lippen. Immer wieder müsse man sich fragen, ob die Union vielleicht die Gemeinsamkeiten vergessen habe, etwa wenn sie den Kompromiss zur Erbschaftsteuer infrage stelle. Zur Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel fällt ihm nicht mehr als die Qualifizierung "gutes Arbeitsverhältnis" ein, und den Namen des CSU-Landesgruppenchefs Peter Ramsauer spricht er wie "Rahm-Sauer" aus. Freundschaft sieht anders aus.

Nahles hat Beck einmal als "Buddha mit Zündschnur" bezeichnet. Bei diesem Auftritt zeigt er viel Buddha, aber es besteht keine Explosionsgefahr. Nicht einmal, als sich, engagiert von einem Privatsender, der frühere Arbeitslose Henrico Frank unter die Journalisten mischt, dem Beck vor einem Jahr empfahl, sich zu waschen und zu rasieren, wenn er einen Job wolle. Frank will wissen, ob ihm der damalige Ausbruch leidtue. Das beantwortet Beck nicht, sagt aber zu Frank: "Das hat Ihnen ja am Ende Nutzen gebracht." Tatsächlich hat Frank nun einen Job - und der Buddha seine Furche gezogen.

SPD-Ziele

Kinder Die SPD will Kinderschutzrechte deutlicher im Grundgesetz verankern und die Kinderarmut bekämpfen.

Gerechtigkeit Um mehr Menschen vom Aufschwung profitieren zu lassen, verlangt die SPD Mindestlöhne nach Branchen und für tariflose Bereiche.

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Aus der FTD vom 18.12.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa

 

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