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Dossier Soldatenbund warnt vor Russland

von Friederike von Tiesenhausen (Berlin)

Der Bundeswehrverband sieht die aktuelle Strategie der deutschen Armee mit Sorge. Sie sei zu einseitig auf internationale Krisen ausgerichtet, mahnt Verbandschef Bernhard Gertz. Dabei müsste man vielmehr Russland im Auge behalten.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes stellt die Ausrichtung der Armee auf internationale Krisenbewältigung infrage. Angesichts der militärischen und politischen Entwicklung in Russland müsse Deutschland wieder mehr in Landes- und Bündnisverteidigung investieren, fordert Gertz. "Die Russische Föderation befindet sich auf dem Weg, die Politik der UdSSR wiederzubeleben", sagte er der FTD. "Darauf muss man sicherheitspolitisch antworten. Derzeit haben wir aber die Fähigkeit zur kollektiven Verteidigung praktisch nicht mehr."

Bernhard Gertz fühlt sich an die UdSSR erinnert
 Bernhard Gertz fühlt sich an die UdSSR erinnert

Gertz fordert eine Neubewertung der derzeitigen Aufgaben der Bundeswehr. Seit einigen Jahren wird diese mit viel Ach und Krach zu einer modernen "Armee im Einsatz" umgebaut. Neue Hauptaufgaben sind dabei die Stabilisierung von Krisenregionen und der Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Landes- und Bündnisverteidigung geraten zunehmend in den Hintergrund. Als Konsequenz hat die Bundeswehr ihre Truppenstärke reduziert, Stützpunkte in der Fläche geschlossen und schwere Waffen abgebaut. Neue Investitionen in leichte und mobile Ausstattung haben Vorrang.

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Säbelrasseln beunruhigt Sicherheitsexperten

Doch das Säbelrasseln der russischen Führung alarmiert Sicherheitsexperten. "Wir erleben eine Restauration der militärischen Fähigkeiten in Russland", sagte Gertz. Das Land investiere wieder massiv in seine Streitkräfte und demonstriere zunehmend militärische Stärke. So werden seit einiger Zeit wieder mehr Flottenbewegungen registriert, unter anderem im Nordmeer. Zudem befindet sich derzeit ein russischer Flottenverband erstmals seit Jahren wieder auf dem Weg ins östliche Mittelmeer. Und vor einer Woche hat Russland im Streit um den geplanten US-Raketenschild in Osteuropa den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) offiziell außer Kraft gesetzt. Das KSE-Abkommen begrenzt die Zahl von Panzern, Flugzeugen und anderen konventionellen Waffen in Europa.

Unter Putin stiegen die Militärausgaben drastisch - hier Soldaten in historischen Uniformen bei einer Parade auf dem Roten Platz
 Unter Putin stiegen die Militärausgaben drastisch - hier Soldaten in historischen Uniformen bei einer Parade auf dem Roten Platz

Auch die innenpolitischen Entwicklungen böten Anlass zur Sorge, pflichtet Frank Umbach bei, Leiter des Asienprogramms bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die russische Führung pflege wieder alte Feindbilder, verhalte sich zunehmend autoritär und versuche, in den Nachbarstaaten Kapital aus der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu schlagen. Akute Bedrohungen sieht Umbach zwar nicht, zumal Russland wirtschaftlich floriere. "Doch der neue Reichtum fließt in Aufrüstung", so Umbach. "Mittel- und langfristig" hält er es daher für möglich, dass die russische Führung von innenpolitischen Krisen mit militärischen Abenteuern ablenken könnte. "Das hat schon jetzt Relevanz für uns, denn Fragen von Waffenbeschaffung und Sicherheitsstruktur sind langfristiger Natur."

Die Wehretats von Russland und Deutschland
 Die Wehretats von Russland und Deutschland

Auch Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium sehen die Entwicklungen in Russland mit Sorge. Während aber in Skandinavien, im Baltikum und in Russlands unmittelbaren Nachbarländern offen auch über sicherheitspolitische Konsequenzen diskutiert wird, geschieht das in Deutschland derzeit nur hinter vorgehaltener Hand. Gertz verlangt nun eine offene Diskussion. "Ich wünsche mir das alles nicht", sagte er. "Aber wenn man Sicherheitsvorsorge wirklich ernst nimmt, muss man auf solche Entwicklungen reagieren."

Der Verbandschef sagte, es gehe nicht darum, die Fähigkeiten zur Konfliktbewältigung aufzugeben. "Wir können das Rad nicht zurückdrehen." Der derzeitige Wehretat von knapp 30 Mrd. Euro und die Truppenstärke von 250.000 Mann reichten jedoch für eine Rückbesinnung auf die Landesverteidigung nicht aus. "Wir bräuchten mehr Personal und mehr Ressourcen." Dazu müsste der Wehretat auf etwa 35 Mrd. Euro im Jahr steigen. Außerdem wären wieder mehr Wehrpflichtige nötig. Darüber hinaus müsste die Bundeswehr schon heute verstärkt in schweres Gerät wie Flugabwehrraketen investieren. Außerdem warb Gertz für eine Überprüfung von Standortschließungen. "Wenn man Infrastruktur aufgibt, muss man eines Tages wieder bei null anfangen."

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Aus der FTD vom 19.12.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP, reuters, FTD.de

 

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