Bilder unserer Nutzer

Shop

Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden plus CD-ROM
ISBN 3-411-11009-0
149,00 € [D]

Weitere Informationen

Bodenreform

Bodenreform, im weiteren Sinn die Reform des Besitzrechts am Boden allgemein, im engeren Sinn am landwirtschaftlich genutzten Boden. Während im Agrarsozialismus in der Aufhebung des privaten Grundeigentums und der Vergemeinschaftung des Bodens ein Ansatzpunkt für die Neugestaltung der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung gesehen wurde, strebten die Bodenreformer (J.‑S. Mill, H. George, F.‑Oppenheimer, A.‑Damaschke u. a.) nur die Beseitigung der Bodenspekulation und der Grundrente durch Gesetze an. Als Bodenreform mit begrenztem Ziel ist in Deutschland die seit den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts in den preußischen Ostprovinzen durchgeführte Siedlung zu verstehen.‑– Eine grundlegende Änderung der Besitzverhältnisse am landwirtschaftlichen Nutzland wurde nach dem Ersten Weltkrieg u. a. in Russland 1917/18 und im Baltikum 1919/22 sowie verstärkt nach 1945 (nach russischem Vorbild) in den Ländern des Ostblocks durchgeführt.

Die in den Ländern der westlichen Besatzungszonen Deutschlands 1946–48 erlassenen Gesetze zur Bodenreform sahen gestaffelte Landabgaben bei Betrieben über 100 ha (in der britischen Zone 150 ha) oder über einem bestimmten Einheitswert gegen Entschädigung vor und dienten v. a. als Neubauern- und Siedlerstellen für Vertriebene. Die in der SBZ Anfang September 1945 verabschiedeten Bodenreformverordnungen führten zur entschädigungslosen Enteignung von 14 000 landwirtschaftlichen Groß- und Spezialbetrieben (der gesamte Großgrundbesitz über 100 ha) mit etwa 3,3 Mio. ha Land, die zunächst v. a. an Landarbeiter, landlose Bauern und Vertriebene (»Umsiedler«) verteilt wurden. Durch die Zwangskollektivierung ging dieses Land bis 1960 zumeist in die Verfügung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) über. Die im Einigungsvertrag von 1990 getroffene Festlegung, dass Enteignungen in der SBZ (1945–49) auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage nicht mehr rückgängig zu machen sind, wurde vom Bundesverfassungsgericht in Entscheidungen vom 23.‑4. 1991 und 9. 5. 1996 bestätigt. Entschädigungsregelungen enthalten das Entschädigungs- und das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. 9. 1994. Mit Urteil vom 30. 3. 2005 wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage von 71 Alteigentümern auf darüber hinausgehende Entschädigung (beziehungsweise Rückgabe) mit der Begründung zurück, er sei nicht zuständig, da die Bundesrepublik (als Mitgliedsstaat der EMRK) für Akte der sowjetischen Besatzungsmacht und der DDR nicht verantwortlich zu machen sei. Die »Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH« (BVVG), eine Nachfolgeorganisation der Treuhandanstalt, privatisiert die von ihr verwalteten (»staatlichen«) Ländereien. – Bodenreformen sind auch häufig Bestandteil von Agrarreformen in Entwicklungsländern.

Weiterführende Artikel aus dem Archiv der Wochenzeitung DIE ZEIT

© DIE ZEIT