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Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden plus CD-ROM
ISBN 3-411-11009-0
149,00 € [D]

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Deutsche Einheit

deutsche Einheit, das Zentralproblem der deutschen Frage nach 1945, umfasst in sich wandelnder Perspektive und entsprechend der historischen Entwicklung folgende Schwerpunkte: 1) die Frage der Wiedergewinnung der nationalen Einheit eines souveränen Deutschlands während der Zeit seiner Besetzung (1945–55) und Teilung (1949–90), einschließlich der innerdeutschen Beziehungen zwischen den 1949 entstandenen beiden deutschen Staaten und des im Wesentlichen fortdauernden Zusammengehörigkeitsgefühls ihrer Bevölkerung, 2) den Prozess der staatlichen Vereinigung der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland (1989/90), 3) die Integrationsprozesse zur Überwindung der inneren, psychosozialen Spaltung der Deutschen und die Bestrebungen zur Herstellung einheitlicher ökonomischer und sozialer Lebensverhältnisse im vereinigten souveränen Deutschland (seit 1990). Mit dem Problem eng verbunden blieb die Frage nach der Identität der Deutschen.

Geschichte: Während die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf künftige politische Gestaltungen am Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes festhielten, ging die Deutsche Demokratische Republik (DDR), unterstützt von der UdSSR, seit Mitte der 1950er-Jahre nicht nur von der dauerhaften Existenz zweier souveräner Staaten aus (»Zweistaatentheorie«), sondern auch von der Herausbildung einer eigenständigen »sozialistischen deutschen Nation«. Der v. a. in der ostdeutschen Bevölkerungsmehrheit – trotz der trennenden innerdeutschen Grenze – bis 1989/90 fortdauernde Wille zur Überwindung der Teilung ermöglichte letztlich in einer historisch einzigartigen Situation die Wiedervereinigung im Ergebnis einer »nationaldemokratischen Revolution«. Die friedliche Revolution, die im Oktober 1989 begann, führte am 9. 11. zum »Fall« der Berliner Mauer (als dem Symbol der Teilung), den Demonstranten ab 23. 10. in Leipzig gefordert hatten. Massenflucht, Massenprotest und Vereinigungswille (»Deutschland, einig Vaterland«) waren ihre einzelnen Stationen in der DDR; begleitet oder gar unterstützt von Sympathiekundgebungen der westdeutschen Bevölkerung oder einem ähnlichen nationalen »Klima« wurden sie im Herbst 1989 nicht. Es gab aber nach der von der DDR-Bevölkerung faktisch erzwungenen Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. 11. 1989 eine spontane, überwältigende Vereinigungsfreude in Ost- und Westdeutschland sowie, ab 1990, eine breite Kooperationsbereitschaft. Die Revolution endete schließlich im vertraglichen Vollzug der deutschen Einheit (3. 10. 1990; deutsche Geschichte).

Innere Einheit: Die deutsche Einheit wie ihre künftige Vollendung mit der Schaffung der »inneren Einheit« der Deutschen ist ein Geschehen von europäischem Rang. Der »Mauerfall« war zugleich auch der Anfang vom Ende des »Kalten Kriegs« und erlangte damit in seinen Folgen welthistorische Bedeutung. Es hängt von dem gemeinsamen Willen der Deutschen ab, Trennendes zu überwinden und eine neuartige deutsche »Identität mit Legitimität stiftender Kraft« im Innern wie nach außen in einem geeinten Europa zu schaffen.

Sekundärliteratur: Die Gestaltung der deutschen Einheit. Geschichte, Politik, Gesellschaft, hg. v. E. Jesse u. a. (1992); K.-R. Korte u. a.: Geschichte der deutschen Einheit, 4 Bde. (1997–98); D. Grosser: Das Wagnis der Währungs-, Wirtschafts- u. Sozialunion (1998); W. Jäger: Die Überwindung der Teilung (1998); Handbuch zur deutschen Einheit, hg. v. W. Weidenfeld u. a. (Neuausgabe 1999); Zehn Jahre deutsche Einheit. Eine Bilanz, hg. v. W. Thierse (2000); Deutschland Ost – Deutschland West. Eine Bilanz, hg. v. H. G. Wehling (Neuausgabe 2002); A. v. Plato: Die Vereinigung Deutschlands. Ein weltpolitisches Machtspiel (22003); Deutschland auf dem Weg zur inneren Einheit, hg. v. K. Eckart u. K. Scherf (2004); C. Rice u. P. Zelikow: Sternstunde der Diplomatie. Die deutsche Einheit und das Ende der Spaltung Europas (aus dem Amerikanischen, Neuausgabe 2004); K. W. Tofahrn: Chronologie der Wiedervereinigung Deutschlands (2004).

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