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29.06.2006   11:01 Uhr

Kaiserschnitt

Abkürzung mit Folgen

Unaufhörlich steigt die Zahl der operativen Geburten - zum Nachteil für Mutter und Kind.
Von Golo Willand

 
Neugeborenes

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Foto: AFP

 

„Ich war auf nur eines fixiert: Ich wollte sie schreien hören", sagte die Schauspielerin Angelina Jolie vergangene Woche in dem ersten Interview, das sie nach der Geburt ihres Töchterchens gegeben hat. „Man hat plötzlich Angst, dass es nicht atmet."

Angst um das Kind, genau das ist der Grund, weshalb viele Schwangere einem Kaiserschnitt zustimmen, durch den auch Jolies Tochter Shiloh Nouvel zur Welt kam. „Weniger Risiken fürs Kind" sagten Frauen in einer Studie der Gmünder Ersatzkasse (GEK) vom April am häufigsten, seien ein Vorteil einer Schnittentbindung.

Dabei birgt der operative Weg in die Welt eigene Gefahren für den Säugling, die mitunter erheblich sind. So leiden Neugeborene zwei- bis viermal so häufig unter Atemnot, wenn sie per Kaiserschnitt geholt werden. Denn Babys, die auf natürliche Art zur Welt kommen, wird auf dem Weg durch den Geburtskanal das Fruchtwasser aus den Lungen gepresst.

Immer mehr Mütter sterben wegen Kaiserschnitten

In manchen Fällen ist ein Kaiserschnitt zweifelsohne medizinisch notwendig. Das sei bei etwa 15 Prozent aller Geburten der Fall, schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dann würden die Risiken der Operation auch aufgewogen. Doch die 15-Prozent-Marke haben viele Länder längst überschritten, und die Kaiserschnitt-Raten steigen weltweit weiter an. In Deutschland wurden 1994 noch 17 Prozent der Kinder über die chirurgische Abkürzung geboren, 2004 waren es bereits 27 Prozent.

Nun weist eine Studie der WHO erneut auf die gefährlichen Folgen der Überversorgung hin (Lancet, Bd. 367, S. 1819, 2006). Demnach steigt die Neugeborenensterblichkeit bereits bei Kaiserschnittraten zwischen zehn und 20 Prozent an, wie die Auswertung von 97.000 Geburten in Lateinamerika zeigte. Auch sterben mit zunehmender Zahl von Kaiserschnitten mehr Mütter - auch dann, wenn die chirurgische Operation nicht wegen erhöhter Risiken durchgeführt wurde. Dies zeige, wie eine wirksame Maßnahme für Notfallsituationen „mehr Schlechtes als Gutes tun kann, wenn sie bei Gesunden angewandt wird", so das WHO-Team.

Aber sind die Ergebnisse aus Lateinamerika überhaupt auf Deutschland übertragbar? „Nicht ganz. Bei einigen Kaiserschnitt-Komplikationen wie gefährlichen Blutungen und Infektionen sind wir hier meist besser ausgerüstet", sagt Heribert Kentenich, Chefarzt der Frauenklinik des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin. „Aber insgesamt sind diese Zahlen sehr ernst zu nehmen. Sie sollten Anlass sein, die hohen Kaiserschnittraten bei uns kritisch zu hinterfragen."

Ganz überraschend kommt die Warnung ohnehin nicht. Bereits Mitte der 90er Jahre hatte eine britische Erhebung gezeigt, dass bei Schnittentbindungen im Verhältnis fast dreimal so viele Frauen sterben wie bei vaginalen Geburten - selbst wenn der Kaiserschnitt auf Wunsch durchgeführt wurde, also nicht aus einer Notsituation entstand.


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