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Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden plus CD-ROM
ISBN 3-411-11009-0
149,00 € [D]

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Protestantismus

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Protestantismus [lateinisch] der, Bezeichnung für die Gesamtheit der aus der Reformation hervorgegangenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften sowie für das ihnen zugrunde liegende theologische Selbstverständnis. Der ursprüngliche politische Begriff des Protestantismus leitet sich ab von der feierlichen Protestation (Einspruch) der 19 evangelischen Reichsstände auf dem 2. Reichstag von Speyer (19. 4. 1529) gegen den Beschluss der »altgläubigen« Mehrheit, die weitere Ausbreitung der Reformation zu verhindern. Im konfessionellen Sinn hat sich der Begriff Protestantismus erst im 17. Jahrhundert durchgesetzt, während im 16. Jahrhundert die Reformatoren und ihre Anhänger die Selbstbezeichnung evangelisch wählten. Seine reichsrechtliche Anerkennung fand der Protestantismus (alle sich zur Augsburgischen Konfession Bekennenden) mit dem Augsburger Religionsfrieden (1555). Der Westfälische Friede (1648) stellte das reformierte dem lutherischen Bekenntnis rechtlich gleich. Geschichtlich haben sich auf dem Boden des Protestantismus mit den lutherischen Kirchen, den reformierten Kirchen und der eine gewisse Sonderstellung einnehmenden anglikanischen Kirche (Kirche von England) drei Hauptzweige herausgebildet, daneben entstanden evangelische Freikirchen und freie Gemeinschaften (z. B. Baptisten, Brüdergemeine, Mennoniten, Methodisten, Quäker) sowie eine Vielzahl unabhängiger Kirchen in der Dritten Welt (besonders in Afrika). Die meisten lutherischen Kirchen haben sich im Lutherischen Weltbund (gegründet 1947), die meisten reformierten Kirchen im Reformierten Weltbund (gegründet 1875) als ihren konfessionellen Weltbünden zusammengeschlossen; die Anglikanische Kirchengemeinschaft wird durch die Lambeth-Konferenzen (seit 1867) repräsentiert. Weltweit zählen die protestantischen Kirchen (2003) über 600 Mio. Mitglieder: über 75 Mio. Reformierte, rund 73 Mio. Anglikaner, rund 70 Mio. Methodisten, rund 65 Mio. Lutheraner, rund 43 Mio. Baptisten, etwa 250 Mio. Pfingstler sowie die Mitglieder der traditionellen Freikirchen (z. B. rund 850 000 Mennoniten und rund 760 000 Herrnhuter; Brüdergemeine) und der unabhängigen Kirchen. – Kennzeichnend für die protestantische Theologie in ihrer Gesamtheit ist das Verständnis von der Bibel als der einzigen Offenbarungsquelle (sola scriptura), von Jesus Christus als dem alleinigen Heilsgrund (solus Christus), von der Rechtfertigung des Menschen allein aus Gnade (sola gratia) und seiner »Gerechtigkeit« allein im Glauben (sola fide). Christliche Existenz wird als Nachfolge des Gekreuzigten angesehen (Kreuzestheologie). Die Einheit der Kirche sieht der Protestantismus v. a. in ihrer geistlichen Einheit, unterstützt jedoch im Rahmen der ökumenischen Bewegung die Bemühungen, die eine Überwindung der konfessionellen Trennung der Christenheit zum (End-)Ziel haben. In der Frage des geistlichen Amtes vertreten die protestantischen Kirchen im Grundsatz das Priestertum aller Gläubigen. – Grundlage der Ethik des Protestantismus ist das im Glauben gebundene Gewissen, das ein vor Gott verantwortetes Handeln in christlicher Freiheit ermöglicht.

Sekundärliteratur: Profile des neuzeitlichen Protestantismus, hg. v. F. W. Graf, 3 Bde. (1990–93); H. Zahrnt: Die Sache mit Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert (Neuausgabe 1996); J. Rohls: Protestantische Theologie der Neuzeit, 2 Bde. (1997); J. Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation (52000); U. Barth: Aufgeklärter Protestantismus (2004); R. Staats: Protestanten in der deutschen Geschichte (2004); L. Hölscher: Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland (2005).

Weiterführende Artikel aus dem Archiv der Wochenzeitung DIE ZEIT

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