"Unser Problem ist, dass die Kosten explodieren", sagte Rühl. Zudem kaufe China mangels eigener Ressourcen weltweit Rohölvorkommen in Entwicklungsländern zu Höchstpreisen.
Ölkonzerne stecken in der Klemme. Einerseits profitieren sie als Verkäufer von Öl von einem hohen Rohölpreis. Andererseits drücken drastisch gestiegene Kosten die Gewinnmargen. Weil die globale Energienachfrage rasant wächst und viele Konzerne gleichzeitig in neue Felder investieren, sind nach Berechnungen des Analysehauses Cambridge Energy Research Associates (CERA) die Ausgaben für die Erschließung und Förderung neuer Erdölvorkommen in den vergangenen zwei Jahren um durchschnittlich 53 Prozent geklettert. Die Experten erwarten, dass die Kosten weiter steigen.
Vor allem wegen sinkender Gewinnmargen bei der Erdölförderung musste etwa Branchenprimus Exxon Mobil im dritten Quartal einen Rückgang des Nettogewinns um zehn Prozent hinnehmen. Zwar verdiente der US-Ölkonzern mit 9,41 Mrd. $ immer noch üppig. Aber Investoren sorgen sich um die sinkende Gesamtrendite. Auch Shell und BP erwirtschafteten mit der Erschließung und Förderung von Öl zuletzt niedrigere Erträge.
Zugleich drohen die privaten Ölkonzerne den Wettlauf um die verbliebenen weltweiten Ressourcen zu verlieren. Vor allem der chinesische Staat will seine strategischen Ölreserven bis zum Jahr 2010 vervierfachen und dann bis zu zwölf Millionen Tonnen Öl vorhalten. Dabei schrecken die Chinesen auch nicht vor politisch heiklen Ländern zurück, etwa Iran.
Oder Angola, heute wichtigster Öllieferant für China. Dabei gilt Angola als eines der korruptesten Länder auf dem Kontinent. Zugleich ist der chinesische Staat bereit, Höchstpreise zu bezahlen. "Wir können nicht irgendwo hingehen und sagen, wir bauen eine Eisenbahn, wenn wir dafür euer Öl fördern können", sagte Rühl. "Wir haben jede Menge solcher Zugangsprobleme."
Schon jetzt kontrollieren Ölmultis wie Exxon, BP und Shell nur einen Bruchteil der weltweiten Reserven. Fast 90 Prozent der Öl- und Gasvorkommen liegen in den Händen von Staatskonzernen wie Saudi Aramco. "Wenn der Ölpreis hoch ist, ist es für die Staatskonzerne relativ einfach, profitabel zu arbeiten", sagte Rühl. Daher hätten sie auch kein Interesse, private Konzerne an der Förderung ihrer Ölvorkommen zu beteiligen. "Im gegenwärtigen Umfeld ist es daher schwierig, die Produktion durch neue Reserven zu ersetzen", betonte Rühl. Zumal es leicht zu erschließende Ölreserven, wie sie im Nahen Osten liegen, "mit Sicherheit woanders nicht mehr gibt".
Die Internationale Energieagentur (IEA) sagt den internationalen Ölkonzernen daher schwere Zeiten voraus. Dadurch, dass sie sich kaum neue große Reserven sichern können, drohten sie im Ölmarkt zu Nischenplayern zu werden. "Wir werden gezwungen, innovative Wege zu gehen, um neues Öl zu finden und alternative Energien zu entwickeln", gesteht BP-Chefvolkswirt Rühl. Die Branche weiche auf die Förderung von Ölvorkommen aus, die viel technisches Know-how erfordern - etwa in tiefen Gewässern wie dem Golf von Mexiko, vor der westafrikanischen oder brasilianischen Küste sowie in Gegenden mit dauerhaft gefrorenem Boden wie Alaska oder Sibirien. Allerdings treibt das die Kosten.
Massiv investieren die Konzerne zudem in nichtkonventionelle Ölreserven, also Öl, das sich nicht mit herkömmlichen Methoden erschließen lässt. Dazu gehören Ölsande oder Ölschiefer. "In dem Ausmaß, wie es uns gelingt, das abzubauen und lukrativ zu gestalten, muss man sich über die Reserven keine Gedanken machen", sagte Rühl. Weltweit gibt es nach Angaben der Beratungsgesellschaft Wood Mackenzie 3600 Milliarden Barrel solcher nichtkonventioneller Ölreserven. Bislang hat die Branche erst mit der Erschließung von acht Prozent dieser Ressourcen begonnen.
Große Hoffnung setzen die Ölkonzerne zugleich in die Entwicklung von Alternativen zu Erdöl. Biokraftstoffe der ersten Generation gelten aber noch nicht als ausgereift, weil zur Produktion Pflanzen verwendet werden, die in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen, etwa Mais. Daher fokussiert sich BP, aber auch Shell, auf die Entwicklung von Biokraftstoffen der zweiten Generation, etwa aus Algen. "Wir haben schon vielversprechende Ansätze", sagte Rühl. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass in diesem Bereich in den nächsten 10 bis 15 Jahren ein Durchbruch gelinge. Zudem bauen die Ölkonzerne das Geschäft mit erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne aus.
Weil die Nachfrage nach Öl vor allem durch die hohe Nachfrage aus den Schwellenländern China und Indien weiter stark zulegen wird, erwarten Branchenexperten einen dauerhaft hohen Ölpreis. "In den nächsten drei Jahren wird das Niveau relativ hoch bleiben", sagte Rühl. "Wenn die Situation so angespannt bleibt, kann man nicht ausschließen, dass der Ölpreis über 100 $ je Barrel steigt." Mitte November hatte der Ölpreis mit mehr als 98 $ je Barrel seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht, ist seitdem aber wieder abgebröckelt.
Aus der FTD vom 27.12.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: AFP, FTD.de
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