Für Michael Herz gibt es wenig Anlass, an diesem Silvesterabend die Korken knallen zu lassen. In seinem Unternehmen steht eine Sparrunde an. Jobs sollen abgebaut, Filialen dichtgemacht werden. "Umfangreiche Veränderungen" hat der Miteigentümer von Tchibo den Beschäftigten vor drei Wochen angekündigt. Von "Schwächung der Originalität" und "Neupositionierung" ist die Rede; mit dem Betriebsrat sei ein Sozialplan abgeschlossen worden.
Damit es wieder aufwärtsgeht, stellt Michael Herz zurzeit etliche Tchibo-Filialen auf den Prüfstand - ausgerechnet er, der jahrelang ein enges Verhältnis zu seinen Mitarbeitern im ganzen Land pflegte. Früher einmal habe Herz jede Filialleiterin mit Namen gekannt, schwärmt ein ehemaliger Tchibo-Manager von der guten Zeit im Familienkonzern.
Mittlerweile jedoch ist bei Tchibo der Kaffee übergekocht. Das Konzept geht nicht mehr auf, Kunden "jede Woche eine neue Welt" anzubieten, wie es der Werbeslogan verspricht. Spargeltöpfe, Slips oder Ohrenhaartrimmer bleiben in den Regalen liegen. Nun das Sparprogramm zu verkünden sei Herz schwergefallen. Doch der Umbau müsse dringend starten, berichten Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind. Sonst hätten Tchibo in zwei bis drei Jahren rote Zahlen gedroht. Deutschlands ehemalige Vorzeigefirma - heute ein Fall für Restrukturierungsberater.
Tchibo ist zwar immer noch eingebettet in einen starken Konzern: Die Holding Maxingvest im Besitz der Familie Herz setzt jährlich mehr als 9 Mrd. Euro um, beschäftigt knapp 30.000 Mitarbeiter und stützt sich neben dem Kaffeeröster auch auf die Kosmetiktochter Beiersdorf. Doch das traditionelle Kerngeschäft ist ins Stocken geraten.
Dabei hat sich Tchibo immer wieder mit besonderen Ideen hervorgetan: Schon am Anfang, 1949, trumpfen die Kaufleute Max Herz und Carl Tchilling-Hiryan auf, indem sie Röstkaffee per Post verschicken. 1973 beginnt der Kaffeeröster, in seinen Filialen auch Güter fernab des Hauptprodukts zu verkaufen - mittlerweile reicht die Palette bis zu Krankenversicherungen und Mobilfunkabschlüssen. Das Konzept funktioniert, wird aber zunehmend kopiert. Nicht mehr nur Tchibo bietet jede Woche neue Warenwelten an, auch Discounter wie Aldi oder Plus treiben so ihre Umsätze hoch.
Im September 2006 gesteht der damalige Holdingchef Dieter Ammer die Krise ein: Ein Einbruch des operativen Gewinns sei zu erwarten. Vier Monate später ist Ammer seinen Job los. Michael Herz, früher mit Bruder Herz an der Firmenspitze, greift wieder durch. Der 64-Jährige übernimmt den Posten des Aufsichtsratschefs der Kaffeetochter Tchibo, deren Chef Markus Conrad bekommt freie Hand für die Restrukturierung.
Doch Conrads Mühen werden überschattet: Im April kommt die Nachricht, der Jahresgewinn betrage nur 143 Mio. Euro - 60 Prozent weniger als geplant. Kurz darauf schließt Tchibo die Filialen in Holland; Projekte in Frankreich und den USA waren schon zuvor gescheitert. Wachstum sollen nun Läden in Osteuropa bringen. Hinzu kommt im Juli Ärger bei Tchibos Mutterkonzern Maxingvest. Denn Joachim Herz, der mit seinen Brüdern Michael und Wolfgang im Clinch liegt, verkauft Aktionärskläger Karl-Walter Freitag vier Aktien der Holding. Die Ruhe der Hauptversammlung ist dahin.
Bisheriger Höhepunkt von Tchibos Krise ist schließlich die Betriebsversammlung im Dezember, auf der Michael Herz den Sparkurs darlegt. Zurzeit sondieren Experten, wo und wie gestrafft wird. Bis Ende Januar sollen Ergebnisse vorliegen. "Da bleibt kein Kaffeesack auf dem anderen", heißt es.
Angesichts dieser Probleme tun selbst kleine Aufmunterungen zum Jahreswechsel gut: Tchibo beziehe künftig Ökostrom, ließ der Kaffeeröster mitteilen. Wegweisender Name des Lieferanten: Lichtblick.
Unternehmen | ISIN | ||||
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FTD.de, 29.12.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration:
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