Bilder unserer Nutzer

Shop

Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden plus CD-ROM
ISBN 3-411-11009-0
149,00 € [D]

Weitere Informationen

Mundart

Deutsche Mundarten d...
vergrößern
Deutsche Mundarten d...

Mundart, Dialekt, örtlich bedingte Sprachform innerhalb einer Sprachgemeinschaft. Mundart ist wesentlich gesprochene Sprache, ist nicht an die Norm der Standardsprache (Hochsprache), die immer auch Schriftsprache ist, gebunden und kann ein von dieser phonetisch, grammatisch und lexikalisch stark unterschiedenes Sprachsystem sein. Mundart ist nicht an eine soziale Schicht, aber an bestimmte (regionale und lokale) Gruppen und Sprechsituationen gebunden. Mundarten stehen der Umgangs- und Hochsprache jeweils sehr unterschiedlich nahe, eine ständige, enge Wechselbeziehung untereinander ist immer vorhanden.

Deutsche Mundarten: Das deutsche Sprachgebiet ist in viele kleine und größere Mundarträume untergliedert. Die Ursprünge der heutigen Mundartlandschaften sind in der Völkerwanderungszeit zu suchen, als sich die großen Stämme der Franken, Alemannen, Sachsen, Thüringer und Baiern herausbildeten. Die alten Stammeslandschaften stimmen aber mit den heutigen Mundartlandschaften nicht mehr überein. Die wichtigste Grenze zwischen den deutschen Mundarten entstand durch die 2. oder hochdeutsche Lautverschiebung. Sie ist das wichtigste Einteilungsprinzip der deutschen Mundarten: Die niederdeutschen Mundarten vollzogen die Lautverschiebung nicht, die mitteldeutschen wurden nur zum Teil von ihr betroffen, die oberdeutschen haben sie vollständig durchgeführt. Die Grenze zwischen Niederdeutsch und Mitteldeutsch verläuft nördlich von Aachen, Köln, Kassel, Nordhausen, Dessau, Wittenberg, Frankfurt (Oder). Mitteldeutsch und Oberdeutsch werden durch die Linie nördlich von Zabern, Karlsruhe, Heilbronn, südlich von Heidelberg, Würzburg, Meiningen, Coburg, Plauen getrennt. Das Mitteldeutsche und das Oberdeutsche werden auch als hochdeutsche Mundarten zusammengefasst.

Eine weitere großräumige Erscheinung, die die deutsche Dialektlandschaft gestaltet hat, ist die binnenhochdeutsche (oder binnendeutsche) Konsonantenschwächung, durch die p und b, t und d, k und g zusammengefallen sind. Sie ist v. a. im Ostmitteldeutschen verbreitet und kennzeichnet das Obersächsische und Schlesische.

Die neuhochdeutsche Diphthongierung nahm im äußersten Südosten des deutschen Sprachraums ihren Anfang und erfasste die ober- und mitteldeutschen Mundarten mit Ausnahme des Alemannischen. Die mittelhochdeutschen Langvokale i, u und iu (ü) werden zu ei, au und äu (eu). – Die heutigen deutschen Mundartlandschaften reichen über die Staatsgrenzen hinaus, das Niederfränkische wird in Norddeutschland und den Niederlanden, Alemannisch in Südwestdeutschland, der Schweiz und Westösterreich, das Bairische in Bayern, Österreich und Südtirol gesprochen. Ein großer Teil der ostdeutschen Mundarten ist seit 1945 verschwunden.

Niederdeutsch: Es lässt sich in Westniederdeutsch (Niederfränkisch und Niedersächsisch) und Ostniederdeutsch unterteilen. Das Niederfränkische wird am Niederrhein gesprochen und hat sich vom 13. bis 16. Jahrhundert zu einer eigenen Schriftsprache entwickelt. Das Niedersächsische wird in Westfälisch, Ostfälisch und Nordniedersächsisch unterteilt. Kennzeichnend für das Westfälische sind die Diphthonge (z. B. haun »Huhn«) und die Aussprache von sch als sk oder s-ch. Das Ostfälische wurde stark vom angrenzenden Ostmitteldeutschen beeinflusst. Zum Nordniedersächsischen gehören die friesisch-nordniedersächsische Mischsprache in Ostfriesland, Holsteinisch und Schleswigisch, wobei sich das Holsteinische u. a. durch stimmhaft gesprochenes b, d, g für p, t, k klarer abhebt. Beim Ostniederdeutschen zeigt das Märkisch-Brandenburgische sehr viele sprachliche Bezüge zur Heimat der Siedler, die im 12. Jahrhundert aus dem niederländischen Raum, besonders Südbrabant, kamen. Das westlich der Oder gesprochene Mittelpommersche geht ins Märkisch-Brandenburgische über. Das Mecklenburgische mit dem Vorpommerschen bildet einen relativ scharf abgegrenzten Mundartraum (Zusammenhänge mit dem Westfälischen durch Siedlungsbewegungen erklärbar). Das Pommersche (Ostpommersche) östlich der Oder hat im nördlichen Teil die Formen heff »habe« und brauder »Bruder«, im südlichen Teil hebb und brooder. Ost- und Westpreußen gehören (mit Ausnahme des Hochpreußischen) zum Niederpreußischen, wobei der östliche Teil starke schriftsprachliche Einflüsse zeigt.

Niederdeutsch sprachen auch die seit etwa 1200 in das Baltikum eingewanderten Deutschen (Baltendeutsch). Nach 1600 wurde bei den Deutschbalten als Kanzleisprache das Hochdeutsche eingeführt, das dann in den mündlichen Gebrauch überging.

Mitteldeutsch: Es enthält sowohl nieder- als auch oberdeutsche Merkmale, stellt aber einen selbstständigen Sprachraum mit auch eigenen Merkmalen dar, z. B. Entwicklung von -nd- zu -ng- (hingen »hinten«). Beim Westmitteldeutschen hat das Mittelfränkische mit dem Ripuarischen um Köln und dem Moselfränkischen um Trier-Koblenz und in Luxemburg die Lautverschiebung am wenigsten mitgemacht; das Rheinfränkische hat sie weiter durchgeführt (das statt dat, unverschoben pund und appel ). Das Rheinfränkische lässt sich in Rheinpfälzisch und Hessisch gliedern, die st/scht-Grenze trennt beide voneinander (rheinpfälzisch fescht für hessisch und hochdeutsch fest). Vom Rheinpfälzischen, das die Rheinpfalz, das Saarland, den Mainzer Raum und den Odenwald umfasst, unterscheidet sich das Hessische östlich des Mainzer Raums (bis zum niederdeutschen Bereich) auch dadurch, dass es die neuhochdeutsche Diphthongierung nicht durchgeführt hat. Die westmitteldeutschen Landschaften sind im Wesentlichen altes Siedlungsland, während das Ostmitteldeutsche durch die ostdeutsche Kolonisation entstanden ist; Ausnahme ist Thüringisch (mit dem Obersächsischen fast zu einer Einheit zusammengewachsen). Gemeinsam mit dem Obersächsischen hat es z. B. das anlautende f- statt pf- (z. B. fund »Pfund«), zugleich eines der wichtigsten Kennzeichen des Ostmitteldeutschen. Stärker ausgeprägte Landschaften innerhalb des Obersächsischen sind das Osterländische und das Erzgebirgische. Östlich an das Obersächsische schloss sich das Schlesische und Lausitzische an. In zentraler Lage in Schlesien (im südlichen Warthebogen bis fast nach Breslau) wurde das Neiderländische mit zahlreichen Diphthongierungen gesprochen. Zum Schlesischen gehörte als eine Sprachinsel auch das Hochpreußische.

Oberdeutsch: Beim Oberdeutschen unterscheidet die Verschiebung des p zu pf das Südfränkische (oder Südrheinfränkische) um Karlsruhe–Heilbronn vom mitteldeutschen Rheinfränkischen; dies gilt auch für das Ostfränkische (oder Mainfränkische) um Würzburg, Bayreuth, Nürnberg und Bamberg. Das Bairische nimmt den gesamten Südosten des deutschen Sprachraums ein und erstreckt sich über Bayern (ohne Franken und Schwaben), Österreich (ohne Vorarlberg), Südtirol sowie einige Sprachinseln. Gemeinsame Merkmale des in Süd-, Mittel- und Nordbairisch untergliederten Bairischen sind z. B. alte, über das Gotische aus dem Griechischen kommende Wörter wie Ergetag »Dienstag« und Pfinztag »Donnerstag«. Das Südbairische hat als einzige deutsche Mundart die hochdeutsche Lautverschiebung vollständig durchgeführt, sodass k als Affrikata kch gesprochen wird. Die im Südbairischen nicht durchgeführte Konsonantenschwächung erscheint im Mittelbairischen und im Nordbairischen. Schwäbisch und Alemannisch werden in Schwaben, Württemberg, Südbaden, im Elsass, der deutschsprachigen Schweiz, in Liechtenstein und Vorarlberg gesprochen. Das Schwäbische gliederte sich im 13. Jahrhundert aus dem Alemannischen aus. Kennzeichnend für das Schwäbische sind die starke Näselung und die nur halb diphthongierten Zwielaute, für das Niederalemannische die Monophthonge. Das Hochalemannische wird im deutschsprachigen Teil der Schweiz und in Vorarlberg gesprochen; charakteristisch ist die Aussprache des anlautenden k als ch (z. B. chind »Kind«). Die Mundart der Südschweiz, insbesondere des Kantons Wallis, bezeichnet man als Höchstalemannisch. Es ist die altertümlichste deutsche Mundart. Durch die Siedlungsbewegungen (»Walserwanderungen«) verbreitete sich diese Mundart in verschiedenen Gegenden der Schweiz (besonders Graubünden), Norditaliens und ins österreichische Vorarlberg.

Sekundärliteratur: W. König: Dtv-Atlas deutsche Sprache (152005).

Weiterführende Artikel aus dem Archiv der Wochenzeitung DIE ZEIT

© DIE ZEIT