Tut man es frecherweise doch, schaut man bei der Recherche zunächst mal ziemlich verdutzt aus der Wäsche. Laut S&P; notiert der S&P; 500 nämlich sage und schreibe mit dem 20,4-Fachen des geschätzten US-GAAP-Gewinns - von 2008. Selbstredend kann man diese Zahlen nicht ernst nehmen, da die Gewinnschätzungen ja durch die - ganz bestimmt nur vorübergehenden - Kalamitäten im Finanzsektor entstellt sind. Probieren wir es also mit einem anderen herkömmlichen Bewertungsansatz: der Dividendenrendite.
Doch gemessen an Zahlungen über die vergangenen vier Quartale beträgt auch die weiterhin gerade mal zwei Prozent, wobei ironischerweise der Finanzsektor mit einer Rendite von 3,3 Prozent hervorsticht und insofern nur noch vom Telekomsektor überboten wird. Legt man die Dividendenerwartungen für 2008 zugrunde, ergibt sich für den S&P; 500 eine Rendite von 2,2 Prozent. Schön, aber wenn in Europa 3,8 Prozent winken, dürfte man von Amerika doch wohl zumindest drei Prozent erwarten. Nur müsste der S&P; 500 schon dafür um gut ein Fünftel fallen.
Nicht doch, werden viele nun einwenden. Immerhin kaufen die US-Firmen Aktien zurück wie wild. Doch wie etwa die Citigroup zeigt, kann man sich darauf ebenso wenig verlassen wie auf die verheißenen Dividenden. Und wie lange werden die nichtfinanziellen US-Kapitalgesellschaften in der Kreditkrise wohl noch eine Finanzierungslücke nach Investitionen, Dividenden und Netto-Aktienrückkäufen von acht Prozent des Nationaleinkommens durchstehen? Ein paar Wochen vielleicht.
Düstere Voraussagen, die sich nicht erfüllen, haben bei Ryanair Tradition. Am Montag verkündete Europas größter Billigflieger Q3-Zahlen, die unter den Konsenserwartungen lagen, sowie eine besonders pessimistische Zukunftsprognose. Diesmal zu Recht?
Laut Ryanair braut sich für britische Fluggesellschaften diesmal ein echter Sturm zusammen - hoher Ölpreis, abkühlende Verbrauchernachfrage und Pfund-Schwäche. Pendelt sich der Ölpreis bei 85 $ je Fass ein und fallen die Flugpreise um durchschnittlich fünf Prozent, könnte sich der Gewinn im nächsten Geschäftsjahr halbieren, so Ryanair. Der Luftverkehrsverband IATA sieht das ähnlich: Kürzlich senkte er die Gewinnprognose der Branche für 2008 von 7,8 auf 5 Mrd. $, wobei vor allem US-Fluggesellschaften betroffen sind.
Nur können europäische Fluggesellschaften nicht einfach das schlechtere Umfeld verantwortlich machen. Trotz eines scharfen Wettbewerbs stocken sie ihre Kurzstreckenkapazitäten auf, allen voran Ryanair. Auch wenn sich die Passagierzahlen bisher gut halten, werden Belastungen sichtbar. Morgan Stanley zufolge haben Air Berlin, Vueling aus Spanien und SAS Aufträge aufgeschoben oder storniert oder geleaste Flugzeuge frühzeitig zurückgegeben. Die angeschlagene Alitalia könnte ihr Geschäft zurückfahren. Tatsächlich könnten die Probleme schwächerer Rivalen Ryanair insofern sogar zuträglich sein. Überdies steigen die Nebeneinnahmen rasch an. Auch spiegelt sich der verbale Trübsinn nicht im Handeln wider. Erstmals seit dem Börsengang vor elf Jahren hat die Firma eine - klitzekleine - Nettoverschuldung, plant aber trotzdem einen Aktienrückkauf. Während der letzten Abkühlung infolge des 11. September 2001 konnte Ryanair dank seiner Schlagkraft vorteilhafte Verträge mit den Lieferanten abschließen. Die Anleger dürfen also immerhin hoffen, dass es nicht ganz so dick kommt, wie Ryanair meint.
Der jüngste Lebensmittelskandal aus China schreit quasi nach einer Verfilmung: vergiftete Teigtaschen, lasche Qualitätskontrollen in China, Hunderte kranker Japaner, und das alles vor dem Hintergrund alter Spannungen zwischen den beiden Ländern. Kommt jetzt auch noch Insiderhandel hinzu?
Aber woher denn, heißt es bei Japan Tobacco, dessen Tochterfirma JT Foods die Teigtaschen herstellt. Trotzdem haben die japanischen Regulierer im üblichen Schneckentempo Ermittlungen aufgenommen, nachdem die JT-Aktie am 28. Januar acht Prozent verloren hatte. Am 29. wurde JT nach eigenen Angaben darüber informiert, dass ein Zusammenhang zwischen Krankheitsfällen bestehen könnte. Am 30. nahm JT das Produkt vom Markt.
Verdächtige Handelsbewegungen sind in Japan und weiteren Teilen Asiens nicht ungewöhnlich. Beweisen können die Aufseher indes nur selten etwas. Die Beweisführung ist schwierig. Auch die Prozeduren zur Feststellung etwaiger Verstöße sind kompliziert, und die Offenlegungsregeln sind eher Stückwerk. Nicht selten stehen Firmenzahlen schon vor der Bekanntgabe in der Zeitung. Bei dem Lebensmittelskandal hat jetzt die Jagd nach den Schuldigen begonnen - und wird wohl mit mehr Elan geführt als die Ermittlungen zum Aktienhandel.
Aus der FTD vom 05.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de
Börsen-Tools
7.096,79 Punkte | 0,59 % | [41,76] |
---|
DOW JONES IND.AV | -0,06 % | [-7,90] | |
---|---|---|---|
EUR/USD | -0,09 % | [0,00] | |
NASDAQ-100 INDEX | 0,67 % | [13,55] | |
NIKKEI 225 INDEX | 1,52 % | [214,07] |
Nachrichten
Neue Konjunkturdaten gaben dagegen keinen Aufschluss über die zukünftige Entwicklung. mehr
Anleger reagierten euphorisch auf den Subventionsbeschluss der Koalition. mehr
Der niedrigere Ölpreis ließ die Anleger bei Europas Fluggesellschaften zugreifen. mehr
Die Anleihemärkte bleiben in Sachen Teuerung erstaunlich gelassen. FTD-Online erklärt, warum. mehr
Der Vize-Präsident der US-Notenbank hat angedeutet, die neuen Liquiditätshilfen für Investmentbanken fortzuschreiben. mehr
Diesmal geht es unter anderem um Vorkaufsrecht, Baukredit und Vermietung. mehr
Damit lag die Teuerung so hoch wie bislang erst einmal seit Einführung der gemeinsamen Währung. mehr
Die Ölpreisrally ruft die Terminbörsenaufsicht auf den Plan. Sie erhöht die Transparenz im Terminhandel - und ermittelt wegen Manipulation. mehr
Gewinnwarnungen bei Infineon gehören schon lange zum guten Ton. mehr
Der gefallene Preis für Rohöl ermöglichte den US-Märkten, an die Kursgewinne vom Vortag anzuknüpfen. mehr
Spekulationen um höhere Zinsen in den USA kosteten den Euro mehr als 1 Cent und ließen Staatsanleihen schwächeln. mehr
Mit der Inflation steigen die Löhne in den Schwellenländern und gleichzeitig die Importpreise im Westen. mehr
Print-Archiv
Alle Ausgaben
der FTD
Print-Ausgabe
Zeitung zum
Herunterladen
FTD-
Sonderbeilagen
Trends und Themen
gebündelt
Jede Menge Jobs
und unsere gratis
Potenzialanalyse
für Sie...
brainGuide
Führt Sie zum
Wissen der
Top-Experten
SemiGator:
Seminare und
Trainer in Ihrer
Nähe.
Bookmarken bei ...