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Am Aschermittwoch ist alles vorbei

Aschermittwoch, Feria quạrta Cinerum [lateinisch], katholische Kirche: der erste Tag der vierzigtägigen Fastenzeit (Quadragesimalzeit; Fasten) an dem der Priester die Asche der Palmen vom Palmsonntag des vergangenen Jahres weiht (Aschenweihe) und sie als Zeichen der Buße in Kreuzesform auf Scheitel oder Stirn der Gläubigen zeichnet oder streut. Die Bußgebärde war liturgisch früher ‒ mit Bezug auf Psalm 90, 3 ‒ mit der Formel »Memento homo quia pulvis es et in pulverem reverteris.« (lateinisch »Gedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst.«) verbunden.

Kulturgeschichte:

Seit dem 7. Jahrhundert ist der Aschermittwoch als Tag der Eröffnung der öffentlichen Kirchenbuße bezeugt; das noch heute gültige Meßformular der katholischen Kirche entstand Ende des 8. Jahrhunderts zur Zeit Karls des Großen. Der Brauch des Aschenkreuzes wurde in der katholischen Kirche seit dem Ende des 11. Jahrhunderts üblich; Papst Urban II. führte ihn ein (mit Nachdruck auf der Synode von Benevent 1091), so dass an die Stelle der öffentlich Buße Leistenden nun das gesamte Kirchenvolk trat. Der Brauch der Aschenweihe ist seit dem 12. Jahrhundert belegt. Volkskultur:

Im 15. und 16. Jahrhundert war der Aschermittwoch ein Höhepunkt der erst mit dem Sonntag darauf beendeten Fastnacht mit Rats- und Zunftgelagen, bei denen häufig die Frauen von den Männern bewirtet wurden (in der Vormoderne vielerorts Tag der Weiberfastnacht), mit Umzügen und Schautänzen, Umkehrung des Machtverhältnisses zwischen Untertanen und Obrigkeit (spielmäßiges Erstürmen von Rathaus, Pfarrhof u. ä.), mit Reinigungs- und Rügebräuchen, die dem kirchlichen Sinn des Aschermittwochs entsprachen, und Scherzstrafen. Als Fastenbeginn setzte sich der Aschermittwoch nur sehr langsam, endgültig erst Ende des 16. Jahrhunderts durch (Fasten). Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts belegt ist der mancherorts geübte Brauch, das sich besonders fromme Menschen in Sackleinen hüllten, um sich als wahrhafte Büßer auszuweisen.

Im Volksglauben der Vormoderne galt Aschermittwoch als der Tag, an dem der Teufel als gefallener Engel aus dem Himmel geworfen wurde. Wie allgemein der Mittwoch wurde er vereinzelt als Unglückstag angesehen, weshalb er auch vielfach mit verschiedensten Arbeitsverboten belegt war. Im Anschluss an den mittelalterlichen Brauch, Büßer für die Dauer der Fastenzeit ‒ wie Adam aus dem Paradies ‒ von der Eucharistie auszuschließen und und mit schweren Bußleistungen zu belegen, entwickelten sich zum Beispiel in Halberstadt Adam-Spiele an Aschermittwoch (Adam als menschlicher Sündenbock). Auch allerlei Abwehr-, Reinigungs- und Fruchtbarkeitszauber zur Vertreibung böser Geister und Mächte war mit dem »äschrigen Mittwoch« beziehungsweise der geweihten Asche verbunden, die mancherorts als Heilmittel galt. Als Lostag war der Aschermittwoch u. a für Liebesorakel bedeutsam.

Im Volksbrauch erscheint vielerorts das Vergraben der Fastnacht als zentrale Handlung, das Begraben, Verbrennen (beispielsweise die Nubbelverbrennungen im Rheinland) oder Ertränken einer zumeist in Stroh gehüllten Figur, stellvertretend für das symbolische Ende der Fastnacht oder das Verbannen des Winters. In einigen Landschaften glitten dabei ursprüngliche Fastnachtsbräuche auf den Aschermittwoch über wie das »Äschern«, das Schlagen mit der Lebensrute, regional auch verbunden mit dem Waschen der Füße und Beine. Vielfach noch heute wird am Aschermittwoch die Fastnacht »begraben«.

Die traditionelle Fastenspeise am Aschermittwoch ist der Hering, weshalb noch heute von Vereinen, Parteien und der Gastronomie das traditionelle Heringessen gepflegt wird.


Politischer Aschermittwoch:

In der politischen Kultur entwickelte sich speziell in den Städten Niederbayerns eine besondere Tradition, der politische Aschermittwoch, eine deftige Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner von hohem Unterhaltungswert. Im eigentlichen Sinn erstmals 1919 vom Bayerischen Bauernbund in Vilshofen veranstaltet und dann bis 1933 gepflegt, aber in seinen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert bzw. bis in die frühe Neuzeit zurückzuführen (Viehmarktdiskurse in Vilshofen), erhielt die 1948 von der Bayernpartei in Vilshofen wieder belebte Veranstaltung ihre besondere politische Ausprägung in den 1950er-Jahren durch Franz Josef Strauß (CSU). Von der CSU seit 1953 in Vilshofen, seit 1975 in Passau zelebriert, beteiligen sich heute alle großen Parteien ‒ auch außerhalb Bayerns ‒ an dem politischen Massenspektakel, das v. a. mit seiner derben Polit-Rethorik immer wieder für hohen Zuspruch sorgt.


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