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Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden plus CD-ROM
ISBN 3-411-11009-0
149,00 € [D]

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Weltwirtschaft

Weltwirtschaft, Gesamtheit der wirtschaftlichen Beziehungen und Verflechtungen einzelner Wirtschaftssubjekte, die sich in den Bereichen Welthandel, Direktinvestitionen, Arbeitskräftemigration und Technologietransfer zunehmend von nationalstaatlichen Grenzen und Beschränkungen emanzipieren. Im Unterschied zur Außenwirtschaft bedeutet Weltwirtschaft nicht zwischenstaatliche (»internationale«) Wirtschaftsbeziehungen, sondern ein Netz aus ökonomischen, politischen und sozialen Beziehungen zwischen einzelnen Akteuren, die auf vielfältige Weise direkt und indirekt miteinander kommunizieren und in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander stehen. Die Entwicklung der Weltwirtschaft ist in zunehmendem Maße mit der des Welthandels verknüpft, wobei Welthandel die Gesamtheit der Handelsbeziehungen meint. Welthandel: Der Welthandel konnte seit dem Zweiten Weltkrieg hohe Wachstumsraten verzeichnen; seit 1950 hat sich das Welthandelsvolumen mehr als verhundertfacht. Allein die Weltexporte stiegen von (1950) 61 Mrd. US-$ auf (2005) 10 393 Mrd. US-$. Allerdings schwankten die Wachstumsraten seit 1970 sehr stark, was v. a. mit der konjunkturellen Entwicklung der Weltwirtschaft und besonderen Ereignissen (z. B. starke Erhöhungen des Erdölpreises) zusammenhängt. Ein Großteil des Welthandels entfällt auf die westlichen Industrieländer und konzentriert sich auf die »Triade« (Westeuropa, Asien sowie Nordamerika), wobei dem Handel zwischen diesen Gruppen beziehungsweise Regionen wiederum besondere Bedeutung zukommt. Der Handel zwischen den Entwicklungsländern (Süd-Süd-Handel) ist demgegenüber gering, hat aber zwischen den Schwellenländern Südostasiens und Lateinamerikas in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Auch die Struktur des Welthandels ist starken Veränderungen unterworfen, so hat der Anteil von Halbfertig- und Fertigprodukten sowie Dienstleistungen gegenüber Rohstoffen ein stärkeres Gewicht gewonnen.

Geschichte: Obwohl bereits in der Antike und im Mittelalter Handel zwischen verschiedenen Wirtschaftsräumen getrieben wurde, hat sich der moderne Welthandel erst im Laufe des 19. Jahrhunderts herausgebildet, bedingt durch Industrialisierung und damit verbundene Überschussproduktion bei gleichzeitig erheblich gestiegenem Rohstoffbedarf sowie durch die Einführung moderner Verkehrsmittel (Eisenbahn, Dampfschiff), die einen kostengünstigen, regelmäßigen, weiträumigen und sicheren Massenguttransport erlaubten. Begünstigt wurde die Entwicklung auch durch das starke Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung in Europa. Das Bevölkerungswachstum führte zu einer umfangreichen Auswanderung in die überseeischen Kolonialgebiete und die USA und bewirkte gleichzeitig eine erhebliche Expansion der Weltwirtschaft. Daneben spielten die Ausbreitung des Freihandels, der allgemeine Übergang zur Goldwährung sowie die Zunahme der internationalen Kapitalbewegungen und zwischenstaatlichen Handelsverträge eine Rolle. Im 19. Jahrhundert wurde der Welthandel von Großbritannien, der Bank von England, dem britischen Pfund und London mit seinem internationalen Bank- und Versicherungswesen dominiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zur Überwindung von Protektionismus und Autarkiestreben internationale Organisationen wie IWF und Weltbank sowie das GATT geschaffen. Problematisch blieb die Eingliederung der Entwicklungsländer (EL) in die Weltwirtschaft. Neue Weltwirtschaftsordnung: Vor dem Hintergrund der extremen strukturellen Unterschiede zwischen Ländern und Ländergruppen erhoben die Entwicklungsländer seit Anfang der 1970er-Jahre auf internationaler Ebene (UN, UNCTAD u. a.) die Forderung nach einer Neuordnung der Weltwirtschaft. Die neue Weltwirtschaftsordnung setzte insbesondere auf die wirtschaftliche Souveränität und Anerkennung der Entwicklungsländer als gleichberechtigte Akteure im internationalen System (Selbstbestimmung, Verfügungsgewalt über die Rohstoffe, Recht auf Verstaatlichung ausländischen Besitzes nach nationalstaatlichen Regelungen). Im Einzelnen forderte man u. a. Rohstoffabkommen zur Exporterlösstabilisierung, Erleichterungen für Entwicklungsländer im Außenhandel durch Abbau von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen, Schaffung von Präferenzsystemen für Entwicklungsländer, Kontrolle der Tätigkeit multinationaler Unternehmen, Verbesserung des Technologietransfers sowie mehr Mitbestimmung der Entwicklungsländer beim Internationalen Währungsfonds (Neuordnung des Weltwährungssystems). Verglichen mit den Forderungen sind die Erfolge der Neuen Weltwirtschaftsordnung bescheiden geblieben.

Die Entwicklung der 1990er-Jahre war v. a. geprägt durch eine fortschreitende Liberalisierung des Welthandels und des internationalen Zahlungsverkehrs (z. B. Abschluss der Uruguay-Runde des GATT und Gründung der Welthandelsorganisation) sowie zunehmende Globalisierung bei gleichzeitiger regionaler Blockbildung. So wurde z. B. 1993 der Europäische Binnenmarkt vollendet, 1994 trat der Europäische Wirtschaftsraum in Kraft und zum 1. 1. 1999 die EWU; in Lateinamerika formierte sich der Mercosur; die Staats- und Regierungschefs aller amerikanischen Länder beschlossen 1994 die Schaffung einer weit über die bisherige NAFTA hinausgehenden Amerikanischen Freihandelszone (Free Trade Area of the Americas; FTAA), deren angestrebter Abschluss bis 2005 jedoch nicht eingehalten werden konnte; 2002 trat die Asiatische Freihandelszone (AFTA) in Kraft und 2004 kam es zur EU-Erweiterung. Kritiker dieser Entwicklung verweisen auf die Gefahr, dass es durch eine Diskriminierung von Drittländern (Freihandel nach innen – Protektionismus nach außen) zu einer ineffizienten, komparative Kostenvorteile vernachlässigenden Konzentration der Welthandelsströme auf den Regionalhandel innerhalb der Blöcke und gleichzeitig zu einer Abkopplung einzelner Ländergruppen kommen kann. Die fortschreitende Liberalisierung von Handels- und Kapitalströmen ebenso wie die immer kompliziertere Kontrolle der internationalen Finanzmärkte und multinationalen Unternehmen durch nationalstaatliche Institutionen lassen die Schaffung einer internationalen Wettbewerbsordnung sowie die Neuordnung multinationaler Institutionen (z. B. Weltbank und IWF) zu einer der zentralen weltwirtschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden. Dies wird u. a. durch die weltweiten Auswirkungen der Finanzkrisen, v. a. in Asien und Lateinamerika, seit Ende der 1990er-Jahre verdeutlicht. Weitere drängende Probleme sind die Überwindung der Schuldenkrise, der Folgeprobleme des Transformationsprozesses in Mittel- und Osteuropa, der Massenarbeitslosigkeit, der Armut und Umweltzerstörung sowie der Übergang zu einer ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen und sozial ausgewogenen Weltwirtschaft.

Weltwirtschaft: Die 20 größten Exportländer und deren Anteil am Weltimport (2004, ohne Dienstleistungsverkehr)
RangStaatExportwert (in Mrd. US-$)Anteil am Weltexport (in %)Importwert (in Mrd. US-$)Anteil am Weltimport (in %)
1Deutschland912,310,0716,97,6
2USA818,88,91 525,516,1
3China593,36,5561,25,9
4Japan565,86,2454,54,8
5Frankreich448,74,9465,54,9
6Niederlande358,23,9319,33,4
7Italien349,23,8351,03,7
8Großbritannien346,93,8463,54,9
9Kanada316,53,5279,82,9
10Belgien306,53,3285,53,0
11Hongkong1)265,52,9272,92,9
12Süd-Korea253,82,8224,52,4
13Mexiko189,12,1206,42,2
14Russland183,52,096,31,0
15Taiwan182,42,0168,41,8
16Singapur179,62,0163,91,7
17Spanien178,62,0249,32,6
18Malaysia126,51,4105,31,1
19Saudi-Arabien126,21,444,60,5
20Schweden122,51,399,31,0
Welt2)9 153,0100,09 495,0100,0
1)Seit 1. 7. 1997 Sonderverwaltungszone in China.2)Einschließlich signifikanter Reexporte.
Weltwirtschaft: Bruttonationaleinkommen (Bruttosozialprodukt) je Einwohner nach Ländergruppen und Ländern 2003 (in US-$)
Lateinamerika und Karibik3 260
Naher Osten und Nordafrika2 250
Europa und Zentralasien2 570
Südasien510
Ostasien und Pazifik1 080
Schwarzafrika490
Deutschland25 250
Japan34 510
USA37 610
OECD-Staaten28 550
Welt5 500

Sekundärliteratur: G. Volz: Die Organisationen der Weltwirtschaft (2000); G. Dieckheuer: Internationale Wirtschaftsbeziehungen (52001); Rechtsfragen der Weltwirtschaft, hg. v. K. A. Schachtschneider (2002); W. Klohn: Weltwirtschaft und Globalisierung (2003); H. Wagner: Einführung in die Weltwirtschaftspolitik (52003); Johannes Müller u. J. Wallacher: Entwicklungsgerechte Weltwirtschaft (2004); M. Payandeh: Weltwirtschaft (2004); Internationale Wirtschaft. Rahmenbedingungen, Akteure, räumliche Prozesse, hg. v. H.-D. Haas u. S.-M. Neumair (2006).

Weiterführende Artikel aus dem Archiv der Wochenzeitung DIE ZEIT