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Filme in der Stadt der Mineralwasserquellen und des Kräuterschnapses

25.Juni 2007 | Vendula Veselá

Was haben übermüdete, rote Augen junger Menschen, Zelte, lange Warteschlangen und Rücksäcke auf dem Rücken gemeinsam mit Filmstars, Luxushotels und roten Teppichen? Einer solchen Verbindung kann sich nur ein einziges Filmfestival auf der Welt rühmen. In Karlovy Vary [Karlsbad] treffen sich zu Beginn der Sommerferien die Filmenthusiasten, um an dieser unverwechselbaren Mischung aus Filmen, deren Machern und Darstellern im Ambiente dieses weltberühmten Kurortes teilzuhaben. VIDEO IM ARTIKEL

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Nach 42 Jahren hat man über das Leben so manches lernen müssen, man hat nicht wenige schwache Momente dabei erleben müssen. Daraus aber kann man seine Lehren ziehen, und diese Fehler helfen einem dann sogar dabei, neue Glanzpunkte zu setzen. Und genau dies gedenkt auch das prestigeträchtigste tschechische Filmfestival zu tun, das zweifellos zu den europäischen Spitzenevents dies Art zählt. In diesem Jahr spielt sich dieses Schauspiel zum nunmehr zweiundvierzigsten Mal ab.  

Wie Cannes, Berlin, Tokio…

Das französische Cannes, das deutsche Berlin, das italienische Venedig oder etwa das japanische Tokio gehören zusammen mit Karlovy Vary zu den Städten, die die Ehre haben, ein internationales Filmfestival dieses Formats  ausrichten zu dürfen. Die Kategorie A, zu denen diese Festivals gehören, verleiht ihnen den Status der „nichtspezialisierten Festivals mit einem Wettbewerb für abendfüllende Spielfilme“. Die Entscheidungen fällt dort die Internationale Föderation der Filmproduzenten (FIAF). Das Karlsbader Filmfestival erhielt diesen Status im Jahr 1958. Nur zum Vergleich: Das älteste Filmfestival überhaupt ist das Festival von Venedig, das im Jahr 1932 aus der Taufe gehoben wurde.

Julietta Zacharová, Eva Zaoralová, Jiří Bartoška, Kryštof Mucha Julietta Zacharová, Eva Zaoralová, Jiří Bartoška, Kryštof Mucha - die Organisatoren des Festivals. Quelle: Film Servis Festival Karlovy Vary

Seit der Samtenen Revolution hat sich das Aussehen dieses Filmevents erheblich verändert. Im Jahr 1994 nahm sich ein neues Team der Organisation  des Festivals an, federführend waren dabei der tschechische Schauspieler Jiří Bartoška und die renommierte Filmpublizistin Eva Zaroralová, die beschlossen, die schon etwas verschlafene Filmschau in ein Filmforum von internationaler Bedeutung zu verwandeln. Eva Zaoralová, die künstlerische Direktorin des Festivals, erinnert sich noch gut an die ersten Jahre nach der Wende. „Als ich mit Jiří Bartoška [dem heutigen Präsidenten des Festivals, Anm. de Redaktion] hier begann, war das noch eine vergleichsweise kleine Aktion. Im Jahr 1994 kamen 36 Tausend Zuschauer nach Karlovy Vary. Das war für uns eine Zahl, über die wir uns wirklich freuten, denn das war weit mehr, als die voraufgegangenen Festivals hatten. Heute bewegt sich die Besucherzahl um die 140 Tausend.“

Das Team verhalf dem Festival innerhalb weniger Jahre zu großem Renommee. Ein Beleg dafür mögen die Namen prominenter Filmschaffender sein, wie etwa der Regisseur Roman Polanski, der koreanische Regisseur Kim Ki-duk, der legendäre US-Schauspieler Robert Redford, Sharon Stone und die charismatische Salma Hayek, die auf diesem Festival in den vergangenen Jahren zu Gast waren.

Herečka Sharon Stone. Die Schauspielerin Sharon Stone in Karlovy Vary. Quelle: Film Servis Festival Karlovy Vary


Filmpremieren und Stars aus allen Ecken der Welt

Es ist wieder einmal nicht eben wenig, was das Festival in diesem Jahr anbietet und präsentiert. 220 abendfüllende Spiel- und Dokumentarfilme, dazu werden 9 Filme in einer Weltpremiere zu sehen sein. Zu Letzteren gehören das argentinische Drama Als es endete, der ukrainische Dokumentarfilm Stop, Revolution über die Folgen der Tragödie von Tschernobyl und der spanische nicht eben altägliche Streifen Drei Gestalten eines Schmetterlings.

Der für die Medien attraktivste Star wird auf dem diesjährigen Festival die Oscar-Preisträgerin und Darstellerin der leicht meschuggen Brigit Jones, Renée Zellweger, sein, die den Streifen Miss Potter vorstellen wird und im Rahmen des feierlichen Eröffnungsabends des Festivals am 29. Juni der tschechischen Animationsfilmlegende, Břetislav Pojar , einen Kristallglobus für seinen herausragenden künstlerischen Beitrag übergeben wird.

Wie schon im Vorjahr wird auch der Regisseur Eli Roth wieder nach Karlovy Vary kommen. Er wird hier gleich zwei Pflichten zu erfüllen haben. Als Mitglied des Schauspielerteams stellt er den Film Grindhouse: Death Proof aus der Werkstatt seines Freundes, des extravaganten Quentin Tarantino, vor. In der Rolle des Regisseurs präsentiert er dann Hostel II, die Fortsetzung seines Horrorfilms Hostel, den er unter anderem auch in der Tschechischen Republik drehte. De erste Teil von Hostel gilt als einer der wirklich härtesten Horrorfilme überhaupt, voll von naturalistischen, gewalttätigen und Sexszenen. Wir werden sehen, ob auch der zweite Teil in der Lage sein wird, den Festivalbesuchern Schrecken und Grauen einzujagen.

Zu den Glanzpunkten wird auch die zwanzigjährige Ellen Page gehören, die sich trotz ihrer Jugend schon zu den meistgefragten nordamerikanischen Schauspielerinnen zählen darf. Auf dem Festival in Karlovy Vary präsentiert sie The Tracey Fragments, einen Steifen ihres Landsmannes, des Kanadiers Bruce McDonald. Dieser Film wurde der Sektion Eine andere Sicht zugeordnet.

Für nicht wenige mögen auch der Regisseur Monte Hellmann, einer der interessantesten Vertreter des New Hollywood und Produzent von Tarantinos Wilde Hunde, sehr verlockend sein. Er präsentiert das Road Movie Asphaltrennen, das zu den Höhepunkten seines Filmschaffens gehört.

Die Hauptaufmerksamkeit zieht Jahr für Jahr der Internationale Wettbewerb für abendfüllende Spielfilme auf sich, für den nur Filme ausgesucht werden, die in der vergangenen Saison gedreht wund bislang noch in keinem Wettbewerb eines anderen Festivals der Kategorie A aufgeführt wurden. Neben dem Hauptwettbewerb, dem Wettbewerb für Dokumentarfilme und der Wettbewerbssektion Jenseits des Westens werden für die Zuchauer die bereits traditionellen informativen Sektionen und thematischen Retrospektiven zusammengestellt.

In diesem Jahr wird erstmals im Programm des Internationalen Filmfestivals Karlovy Vary die Sektion Offene Augen enthalten sein, in die ausschließlich Filme des diesjährigen Festivals in Cannes aufgenommen wurden, die auf originelle Weise die Entwicklung des filmischen Ausdrucks vorantreiben. Wer also nicht die Möglichkeit hatte, die berühmten Festspiele in Frankreich zu besuchen, kommt nun in dem tschechischen Kurort in den Genuss diverser filmischer Neuerungen.

Atmosféra v Karlových Varech Karlsbader Atmosphäre.Quelle: Film Servis Festival Karlovy Vary


Eine Pause, bitte!

In Momenten, da den Besucher das Gefühl beschleichen sollte, dass sich nicht alles immer nur um Spiel- und Dokumentarfilme handeln sollte, bietet sich die Möglichkeit, auf das Begleitprogramm zurückzugreifen. So kann man beispielsweise die Fotoausstellung Frauen aus Kibera  von Jan Sibík besuchen. Die großformatigen fotografischen Portraits kenianischer Frauen und deren Kinder, die sich mit dem Aids-Virus angesteckt haben, werden im Karlsbader Theater ausgestellt sein. Eine Ausstellung mit polnischen Filmplakaten wird im Hotel Thermal zu sehen sein.

Zu einem unvergesslichen Erlebnis könnte auch der Besuch des Kaffeehauses Kavárna potmě [Cafe Finster] sein, eines Originalprojekts der Stiftung Světluška, in dem Blinde die Cafegäste bedienen und wo die Besucher selbst einmal unmittelbar erleben können, wie sich Menschen fühlen, die ihr ganzes Leben in der Dunkelheit leben.

Karlsbader Atmosphäre

Das Wichtigste, womit das Karlsbader Festival die Aufmerksamkeit der tschechischen, aber auch der ausländischen Gäste, auf sich zieht, ist diese einzigartige Atmosphäre und das jugendliche Flair des Publikums. Das Festival ist nämlich bestrebt, nicht nur der Fachwelt, sprich den Filmverleihern, Kritikern und all den anderen Filmschaffenden entgegenzukommen, sondern auch dem Laien in Gestalt von Studenten und normalen Kinobesuchern. Im Vergleich etwa zum französischen Festival in Cannes hat man es hier in der Tat mit einem anderen Publikum zu tun. „Eigentlich geht es alleine schon wegen der Unterbringung gar nicht, dass da Studenten mit Rucksäcken hinfahren wie bei uns,“ sagt Eva Zaoralová, die darin eines der Spezifika der Karlsbader Festivals sieht. Darüber hinaus sorgen die beginnenden Sommerferien ganz erheblich für eine hohe Besucherzahl bei diesem Filmfest.

Die Zuschauer geben dem Festival nicht nur sein entscheidendes Gepräge, sondern sie können die Qualität der vorgestellten Streifen auch bewerten und beurteilen.  Der Erfolg in dieser Kategorie signalisiert den Produzenten und Filmverleihern, ob einem Film auch außerhalb des Festivalareals Erfolg beschieden sein wird.

Atmosféra v kině. Die Festivalkinos sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Quelle: Film Servis Festival Karlovy Vary

Nicht zuletzt wird die Festivalatmosphäre auch durch diesen einzigartigen Veranstaltungsort geprägt – eine historische Kurstadt voller Kolonnaden und spezifischer Architektur, gerade mal 120 km westlich von Prag, unweit der tschechisch-deutschen Grenze. Die Karlsbader Oplaten, der Kräuterlikör Becherovka oder auch die ungezählten Mineralwasserquellen machen einen Filmbesuch noch angenehmer.

Karlovy Vary ist jedoch nicht der einzige Ort in der Tschechischen Republik, wo die Fans der Kinematografie sich alljährlich einfinden. Es gibt hierzulande vielmehr eine ganze Reihe solcher Veranstaltungen. Die mährische Sommerfilmschule in Uherské Hradiště  (auf Englisch) bietet schon seit dreiunddreißig Jahren ein recht buntes Programm. In der Woche vom 20. bis 29. Juli werden 200 abendfüllende Filme und 250 Kurzfilme aus verschiedenen Zyklen zu sehen sein. An der feierlichen Eröffnung wird auch Václav Havel teilnehmen.  

Im Oktober dann werden in Jihlava Dokumentarfilme im Mittelpunkt stehen. Das Internationale Festival für Dokumentarfilme (auf Englisch) avancierte inzwischen zum größten Event für dieses Filmgenre in Mitteleuropa.

Möglichkeiten gibt es also genug - das zeitlich nächstgelegene und größte Filmereignis aber ist und bleibt das Karlsbader Festival, dass seine Besucher vom 29. Juni bis 7. Juli willkommen heißen wird. Sämtliche Informationen finden Sie unter: http://www.kviff.com/ (auf Englisch).

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