Klaus Zumwinkel ist laut Staatsanwaltschaft nur einer von mehreren Hundert Verdächtigen. Ermittler sprechen von einem "Steuerskandal von historischem Ausmaß". Die FTD-Serie hält Sie auf dem Laufenden.


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Agenten werden zu Steuerfahndern

von Timm Krägenow (Berlin), Robert Kracht (Bonn) und Claus Hecking (Hamburg)

Ausgerechnet der Bundesnachrichtendienst hat die Aufdeckung der Massensteuerflucht nach Liechtenstein ins Rollen gebracht. Nach Angaben aus Regierungskreisen zahlte der BND für die Informationen über die geheimen Vermögen deutscher Steuerpflichtiger 4,2 Mio. Euro.

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Das Geld ging an einen anonymen Informanten. Der lieferte Medienberichten zufolge im Gegenzug eine DVD, die nicht nur detaillierte Kontounterlagen von mehr als 1000 potenziellen deutschen Steuersündern enthalten haben soll, sondern auch Dienstanweisungen des Fürstentums zur Verschleierung von Finanzströmen.

Gesetzliche Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist die Gewinnung von Erkenntnissen, die "von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung" sind. Dazu können auch Informationen über internationale Finanzströme und Geldwäscheaktivitäten zählen. Die Bekämpfung der Steuerhinterziehung gehört jedoch nicht dazu.

Entsprechend war am Wochenende die Bundesregierung peinlich genau darauf bedacht darzustellen, dass alles seine Richtigkeit gehabt habe. Der BND sei nur Vermittler der Informationen gewesen und nie in die Sachermittlung eingestiegen. Der Dienst habe lediglich Amtshilfe geleistet. In die Aktion waren nach Angaben aus Regierungskreisen BND-Chef Ernst Uhrlau, das BND-Referat im Kanzleramt und das Finanzministerium eingeweiht. Der BND lehnte zunächst jede Stellungnahme ab; am Mittwoch müsse man zunächst dem zuständigen Gremium des Bundestags Bericht erstatten.

"Steuerstraftaten sind nicht Aufgabe des BND", sagte der Geheimdienstexperte der FDP, Max Stadler. "Die Bundesregierung muss jetzt unverzüglich genaue Angaben zu den Abläufen vorlegen. Erst dann lässt sich bewerten, ob sich der BND noch im Rahmen einer zulässigen Amtshilfe bewegt hat", fügte Stadler hinzu.

So werden die genauen Abläufe bislang erzählt und vom "Spiegel" berichtet: Im Frühjahr 2006 soll sich der Informant - nach einem Bericht des "Tagesspiegel" ein früherer Mitarbeiter der LGT Bank mit Sitz in Vaduz - beim BND gemeldet und Informationen über ausländische Investoren und Finanzströme angeboten haben. Die zusätzlichen Daten über die Steuersünder seien ein "klassischer Beifang" gewesen. Nach einem ersten Treffen mit dem Informanten soll der BND die Wuppertaler Steuerfahnder eingeschaltet haben, die im Herbst 2006 ein offizielles Amtshilfeersuchen an den Dienst stellten.

Ab Spätsommer 2007 sollen dann die detaillierten Kaufverhandlungen mit dem Informanten begonnen haben. Wann genau der Kauf über die Bühne ging, ist bisher nicht bekannt. Das Finanzministerium hat dem Geheimdienst zugesagt, die Kaufsumme zu erstatten.

"Wenn die Rolle des BND wirklich so war, wie sie beschrieben wird, dann ist daran nichts zu beanstanden", sagte am Sonntag der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag. "Aber bei Geheimdiensten ist Zweifel demokratische Grundpflicht. Ich habe keinen Anlass, BND-Geschichten ungeprüft zu glauben." Montag hält es nicht für ausgeschlossen, dass der BND in der Steuerstrafsache viel aktiver war, als es derzeit dargestellt wird. "So einen unschuldigen und botenmäßigen BND habe ich noch nicht erlebt. Die Jungs zeichnen sich eher durch Aktivitätsschübe aus." Er kritisierte, dass bisher das für die Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium nicht über den Fall informiert wurde.

Wegen der umstrittenen Beschaffung der Beweismittel könnten Verteidiger versuchen, die Verwendung vor Gericht zu verhindern. "Es gibt keinen vergleichbaren Präzedenzfall. Die möglicherweise rechtswidrige Erlangung der Daten wird ein großes Element in der Verteidigungsstrategie sein", sagt Robert Esser, Professor für Straf- und Strafprozessrecht an der Universität Passau. "Sollten Vertreter des Staates als Anstifter aufgetreten sein, ist es sehr kritisch."

Das Steuergeheimnis sorgt dafür, dass der Name von Tippgebern geheim gehalten werden muss, auch wenn sie sich nicht über einen Geheimdienst an die Behörden wenden. Selbst die Strafbehörden erfahren meist nicht den Namen des Informanten. Nicht auszuschließen ist deshalb, dass jetzt Nachahmer weitere Kontodaten gegen Bares anbieten.


An der Grenze zur Hehlerei

Der Hehler gleicht dem Stehler. Dieser Grundsatz liegt Paragraf 259 des Strafgesetzbuchs zugrunde, der dem Täter mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren droht. Als Hehler wird bestraft, wer eine Sache, die ein anderer gestohlen hat, ankauft oder sie einem Dritten verschafft. Dabei muss der Täter die Absicht verfolgen, sich oder den Dritten zu bereichern. Wird die Hehlerei gewerbsmäßig begangen, erhöht sich das Strafmaß auf bis zu zehn Jahre.

Der Ankauf der Daten der Liechtensteiner LGT Bank durch den Bundesnachrichtendienst ist kein klassischer Fall der Hehlerei, denn diese Daten sind streng genommen keine "Sache". In Paragraf 90 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der auf diese Fälle angewendet wird, werden Sachen als körperliche Gegenstände definiert. Forderungen, Rechte und sonstige Daten fallen daher nicht unter Paragraf 259. Ob Daten, die keine körperlichen Gegenstände sind, vom Straftatbestand der Hehlerei dennoch erfasst sein sollen, ist unter Rechtspolitikern umstritten.

Auch die Bereicherungsabsicht, die der Hehler mit seiner Tat verfolgen muss, dürfte beim Bundesnachrichtendienst kaum vorgelegen haben. Dass der Millionendeal mit den Daten für den Staat am Ende eine gewinnbringende Investition werden könnte, wird für eine Bestrafung der Akteure kaum ausreichen. Juristisch habe der Dienst im Graufeld agiert, hieß es am Sonntag. Und dort gilt bekanntlich: Im Zweifel für den Angeklagten.Matthias Ruch

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Aus der FTD vom 18.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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