Ja, auch an den Universitäten in Kanada gibt es völlig überfüllte Seminare mit über 100 Studierenden, sagt Joy Mighty, Direktorin des Didaktischen Zentrums der Universität Kingston. Aber sie klagt nicht darüber, sie geht nur anders damit um, als es deutsche Hochschulen tun. Für große Lehrveranstaltungen haben viele Hochschulen in Kanada sogenannte Clicker eingeführt, berichtete sie kürzlich auf einer Tagung in Berlin. Das funktioniert so: Der Dozent hält 15 Minuten lang einen Vortrag und stellt dann eine Multiple-Choice-Frage. Die Studenten drücken auf dem Clicker die Taste ihrer Wahl. "Das ist wie bei ,Wer wird Millionär‘", sagt Mighty. Das Ergebnis wird als Diagramm an die Wand projiziert und anschließend in Kleingruppen diskutiert.
An deutschen Universitäten sind solche innovativen Methoden rar. Während im Zuge der Exzellenzinitiative Millionen in die Forschung gepumpt werden, fehlen Investitionsprogramme zur Förderung der Lehre. Der Hochschulpakt, mit dem Bund und Länder 565 Mio. Euro bis 2010 zur Verfügung stellen, sorgt zwar für eine Aufstockung des Personals, ohne jedoch deren didaktische Fähigkeiten zu fördern. Dabei besteht dringender Handlungsbedarf: Fast jeder dritte Student bricht sein Studium ab, die lehrintensiven Bachelorstudiengänge erfordern zudem eine bessere didaktische Ausbildung der Dozenten.
"In Großbritannien ist das Bewusstsein für gute Lehre stark ausgeprägt", sagt Joëlle Fanghanel, Direktorin des Bildungszentrums der City University London. Vor zwei Jahren wurden mit öffentlichen Mitteln an 74 Hochschulen Fortbildungszentren für Didaktik geschaffen. Jedes dieser Zentren erhält fortlaufend bis zu 700.000 Euro pro Jahr. Insgesamt werden innerhalb von fünf Jahren 450 Mio. Euro in das Programm gesteckt.
Für deutsche Universitäten sind das Traumsummen. An der Universität Erfurt etwa wurde 2000 ein didaktisches Zentrum geschaffen, mit dem die Lehre an allen Hochschulen Thüringens verbessert werden sollte. Das Land förderte das Zentrum mit 100.000 Euro pro Jahr - gerade genug Geld für einen Mitarbeiter mit Büro. Seitdem 2005 die Förderung ausgelaufen ist und die Hochschulen das Zentrum selbst tragen müssen, gibt es dort nur noch eine halbe Stelle. Lediglich in Baden-Württemberg beschäftigt jede Universität einen Mitarbeiter für Hochschuldidaktik. Neue Projekte wie das Berlin Institute of Professional Teaching in Higher Education, das im nächsten Jahr eröffnet werden soll, sind selten.
Die Hochschullehre leidet in Deutschland nicht nur unter zu wenig Möglichkeiten zur Fortbildung - es fehlen auch die Anreize für Dozenten, ihre didaktischen Fähigkeiten zu verbessern. Manche Länder schreiben zwar Preise für gute Lehre aus, es fehlt jedoch ein bundesweit anerkannter Wettbewerb, der das Ansehen der Lehre entscheidend stärken könnte. In Australien ist das anders: Dort wird jedes Jahr der beste Universitätslehrer gekürt - und zwar vom Ministerpräsidenten höchstpersönlich. Insgesamt vergibt die Regierung jährlich 28 Preise für gute Lehre, mit einem Preisgeld von zusammen knapp 500.000 Euro. "Die Preise genießen ein hohes Ansehen", sagt der australische Bildungsexperte Bob Lingard.
FTD.de, 25.10.2007
© 2007 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa
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