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AMERICA'S CUP

Folgenschwere Manöver

28.06.2007

Sport - Seite 14

Michael Kölmel

Nicht wenige Segler hatten vor dem 32. Finale des America's Cup einen langweiligen Plott erwartet. Eine Wiederholung der vergangenen Auflagen, die 1995, 2000 und 2003 eintönig mit 5:0-Siegen über die Bühne gingen. Zu überlegen schien die Schweizer Yacht Alinghi - nicht etwa, weil sie die Segelnation Neuseeland bei ihrem Heimspiel vor vier Jahren mit einer verlustpunktfreien Darbietung demütigten, das ist Geschichte. Doch nachdem sich Alinghi in den Vorregatten als extrem schnell, gut eingespielt, taktisch reif und so beinahe unschlagbar präsentierte, schien das Drehbuch für die Rennen vor Valencia wenig Spannung zu verheißen.

Die Wirklichkeit hat alle Spekulationen schnell überholt. Am Mittwoch gewann die Alinghi die vierte Wettfahrt zwar überlegen, aber damit steht es nicht etwa 4:0 für den Titelverteidiger, sondern 2:2. Die Neuseeländer, mit dem selbstbewussten Slogan "Let's bring it home!" und der Unterstützung ihrer Premierministerin angereist, erweisen sich als zäher Gegner. So entwickelt sich ein dramatisches Finale.

Schmach von 2003

In Neuseeland, wo der Cup eine Frage der Ehre ist und sich der Staat mit Millionen-Zuschüssen an der Kampagne beteiligt, löst das Jubel und Erleichterung aus; groß war die Schmach 2003, einer Alpenrepublik zu unterliegen. Für das weltweit wachsende Publikum ist das Finale mit nun offenen Ausgang ein Segen. Alinghi-Anhängern aber treiben die Rennen Angstschweiß auf die Stirn, denn die Niederlagen in der zweiten und dritten Wettfahrt werfen Fragen auf. Zweimal lag die Crew um Skipper Butterworth weit in Führung, verspielte aber sichere Siege mit unverständlich riskanten Manövern.

"Am Boot liegt es jedenfalls nicht", sagte Sportdirektor Jochen Schümann nach der ersten Niederlage. "Das hätte nicht passieren dürfen. Dass wir Fehler gemacht haben, ist offensichtlich." Im Anschluss an die zweite Niederlage äußerte sich Schümann vorsichtig, als sei die Wahrheit zu schmerzhaft. Im vielleicht spannendsten Rennen des America's Cup der Neuzeit, mit zahlreichen Führungswechseln, wiesen die Schweizer ein Geschenk ab. Neuseelands Vorschoter war über Bord gegangen, nur dadurch konnten die Schweizer einen riesigen Abstand wettmachen und in eine komfortable Führung umwandeln. Aber indem sie stur ihren Kurs segelten, anstatt Bewegungen des Gegners nachzuahmen, um dadurch stets denselben Wind zu nutzen, verschenkten sie den Sieg.

Konservativ, aber sicher ist diese Taktik. Sie nicht zu nutzen, grenzt an Überheblichkeit. Schwer zu sagen, ob das auch mit dem erfahrenen Taktiker Schümann passiert wäre, der anders als 2003 seinen Posten an den milliardenschweren Eigner Bertarelli verloren hat und sich als Sportdirektor auf Aufgaben an Land konzentriert. Das könnte man beurteilen, wenn Alinghi verraten würde, ob Bertarelli die folgenschweren Manöver ausgegeben hat. Aber wer will schon seinen Geldgeber öffentlich bloß stellen.

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Foto: Mann über Bord: Neuseelands Vorschoter erzwingt vorsichtiges Segeln.