Nieselregen lässt die Männer und Frauen dichter zusammenrücken. Die Köpfe tief in die Mantelkrägen geduckt, wagen sie kaum einen Blick hoch zu den Giebeln der backsteinernen Lagerhäuser. 300 Manager unterwegs durch die Nässe der Hamburger Speicherstadt. Eineinhalb Stunden suchen ihre Schuhe den Weg über das rutschige Kopfsteinpflaster. Das Plätschern des Elbwassers mischt sich unter das Gemurmel der Gruppe.
Den Spaziergang durchs Schmuddelwetter an diesem Januarabend haben die Führungskräfte von VDO und Continental duldsam ertragen. Die Zeit zum Kennenlernen, sie wog die nassen Füße auf. Den ganzen Tag schon hatte Conti-Chef Manfred Wennemer zuvor im Hamburger Elysee Hotel seine Vision eines verschmolzenen Gesamtkonzerns präsentiert.
Seit Dezember sind der Hannoveraner Autozulieferer Continental und der Regensburger Rivale VDO eins. 11,4 Mrd. Euro hat sich Wennemer den Kauf der Siemens-Tochter kosten lassen. Das fusionierte Unternehmen ist die Nummer fünf auf dem Weltmarkt der Autozulieferer mit 26 Mrd. Euro Umsatz. "Dieser Großkonzern ist für Wennemer die Krönung", sagt ein Conti-Manager - wenn denn die Fusion der höchst unterschiedlichen Firmen gelingt.
Für Wennemer verknüpfen sich mit der Übernahme gewaltige Hoffnungen. Mit VDOs Elektronikexpertise steigt der frühere Reifenfabrikant Conti zum zweitgrößten Anbieter von Autoelektronik nach Bosch auf. Fast zwei Drittel seiner Erlöse erzielt VDO in dieser Sparte; die Bayern sind Spezialisten für moderne Motorsysteme, Unterhaltungs- und Navigationstechnik. Dort schlummern Chancen auf lukratives Wachstum: Der Markt für Autoelektronik werde bis 2015 jährlich um rund sieben Prozent zulegen, schätzt HypoVereinsbank-Analyst Georg Stürzer - weit mehr als die Autobranche insgesamt, die wohl nur um drei Prozent pro Jahr wachsen werde.
Zudem lassen sich nach Contis Berechnungen durch den Zusammenschluss die Kosten erheblich senken. Mit 300 Mio. Euro geringeren Ausgaben kalkuliert Konzernchef Wennemer mutig.
Ob dieses Kalkül aufgeht, wird sich im Kleinen entscheiden. Der 60-Jährige muss zwei völlig verschiedene Firmenkulturen vereinen, aus 150.000 Mitarbeitern eine schlagkräftige Truppe formen, wo bislang nur Konkurrenz existierte. Raufen sich Niedersachsen und Bayern nicht zusammen, kann Marktführer Bosch nach Lust und Laune Kunden abwerben.
Übernahmen sind für Wennemer eigentlich Routine. Viele Firmen hat Conti schon geschluckt, zuletzt den Hamburger Gummiwaren-Hersteller Phönix und Motorolas Telematiksparte. Stets lief alles glatt. Aber eine Firma wie VDO mit rund 10 Mrd. Euro Umsatz zu schlucken, alle Sparten aufzuschnüren und mit den neuen zu verbinden, das hat Wennemer noch nie gemacht.
Vorsichtig tastet er sich an seine Aufgabe heran. Für das Dinner beim Kennenlern-Treffen lässt Wennemer im Hotel Elysee Stehtische mit Barhockern aufstellen. An diesem Abend will er die wichtigsten VDO-Manager für sich gewinnen - und für die gemeinsame Sache. "Er hat schon vorab zu uns gesagt, wir sollen nicht traurig sein, er werde sich vor allem um die neuen Leute kümmern", erzählt ein Conti-Mann. Geduldig zieht Wennemer im Großen Saal stundenlang von Tisch zu Tisch, fragt, hört zu, erklärt. "Warm aufgenommen" hätten sich die VDOler da gefühlt, berichtet ein Teilnehmer später.
Sogar Gewerkschafter sind beeindruckt von Wennemers winterlicher Charmeoffensive: "Er versucht, Ruhe reinzubringen. Alles wird dafür getan, die Integration schnell und konfliktfrei hinzubekommen", sagt Bernd Rübsamen, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Frankfurt.
Aus der FTD vom 22.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
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