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Mäuse-Loch

von Matthias Lambrecht, Leo Klimm (Hamburg) und Andreas Kurz (Berlin)

Jahrelang schafften deutsche Steuerhinterzieher ihr Geld nach Liechtenstein. Dort wähnten sie sich in Sicherheit. Nun herrscht Panik - nicht nur bei ihnen. Auch der Kleinstaat fürchtet um sein Geschäftsmodell.

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"Der 15. Februar ist ein Freudentag", hat sich Regierungschef Otmar Hasler in das Manuskript der Rede notiert, mit der er die Honoratioren begrüßen will. Die haben sich am Freitag nach dem Heiliggeistamt in der Vaduzer Kathedrale im Landtagssaal versammelt, um das neue Plenargebäude des Liechtensteiner Parlaments einzuweihen.

Doch den meisten Ehrengästen ist nicht nach Feiern zumute. Nur einige Hundert Meter weiter, in der Herrengasse 12, beraten die Spitzen der LGT Bank über die Folgen des Steuerskandals, der seit Donnerstagmorgen die Nachrichten in Deutschland beherrscht. Und der das Geschäftsmodell des Fürstentums in seinen Grundfesten erschüttern könnte.

Die LGT Bank, ein doppelstöckiger Flachbau mit abgedunkelten Scheiben, steht im Zentrum des Skandals: Eine CD-ROM mit den Daten von mehr als 1000 ihrer Kunden ist in die Hände deutscher Steuerfahnder geraten. Ihre Klientel, die auf höchste Diskretion Wert legt, muss nun damit rechnen, Besuch von Ermittlern zu bekommen - ebenso wie der LGT-Kunde Klaus Zumwinkel. Und, noch schlimmer: Sie muss fürchten, dass ihre jahrelangen Versuche öffentlich werden, über verschachtelte Konstruktionen im Fürstentum illegal Steuern zu sparen. Ein Renommeeverlust, der schwerer wiegt als Steuernachzahlungen und Strafen.

Solche Szenarien konnten die Kunden sich bisher wohl kaum vorstellen, wenn sie sich im Foyer der Bank einfanden. Der Eingangsraum empfängt die Besucher mit sanftem Dämmerlicht. Ein großer Bildschirm zeigt Werke von Rembrandt und Rubens - die wertvollsten Stücke aus der Privatsammlung des Fürsten, dessen Familie auch die LGT Group gehört.

"Wir bieten Ihnen exklusiv die Möglichkeit, Seite an Seite mit der Fürstenfamilie von Liechtenstein zu investieren", wirbt die Bank auf ihrer Website. Doch die meisten deutschen Kunden, die sich am geschwungenen Empfangstresen melden, um dann zum Beratungsgespräch in die oberen Stockwerke geführt werden, lockt nicht das Geschick der Burgherren von Vaduz als Manager internationaler Portfolios. Gefragt ist vielmehr die Bereitschaft der Liechtensteiner, die ihnen anvertrauten Vermögen dem Zugriff ausländischer Steuerbehörden zu entziehen.

Sitz der Bank Liechtenstein Global Trust (LGT) in Vaduz
 Sitz der Bank Liechtenstein Global Trust (LGT) in Vaduz

Und davon hat sich das Fürstentum allem internationalen Druck zum Trotz bislang nicht abbringen lassen. Bankgeheimnis und Steuergeheimnis bilden die Basis des Geschäftsmodells. Und weil Steuerhinterziehung nach liechtensteinischer Rechtsauffassung keine Straftat ist, erhalten Ermittler aus dem Ausland auch keine Rechtshilfe. "Wir sind doch nicht die Polizei", brachte LGT-Stiftungsratspräsident Prinz Philipp von und zu Liechtenstein die Haltung der Herrscher von Liechtenstein in einem vor dem jüngsten Skandal geführten Interview auf den Punkt: "Sollen wir unsere Kunden im Hinterzimmer mit der Lampe anstrahlen und ordentlich ausfragen? So funktioniert es nun mal nicht, tut mir leid."

Wie geschmiert funktioniert dafür die vom Zugriff ausländischer Steuerbehörden abgeschirmte Vermögensverwaltung. Rund 125 Mrd. Euro haben die Liechtensteiner insgesamt nach Angaben ihres Bankenverbands in ihrer Obhut. Vergessen schienen zuletzt alte Skandale wie der um den Treuhänder Herbert Batliner, dessen deutsche Klienten Ende der 90er-Jahre ins Visier der Ermittler geraten waren. "Die vergangenen Jahre waren sehr gut für uns", räumt der Chef einer Liechtensteiner Bank ein.

Zwar hat das Fürstentum auf europäischen Druck hin versucht, seine Finanzströme unter Kontrolle zu bekommen. Kriminelle oder Terroristen, die größere Beträge in den legalen Geldkreislauf einspeisen wollen, haben es inzwischen auch in Liechtenstein schwer. Riecht das Vermögen nach Drogendelikten oder Menschenhandel, machen die fürstlichen Behörden bei ihren deutschen Kollegen schon mal Meldung. "Einem Geldwäscher würde ich nicht mehr raten, es in Vaduz zu versuchen", sagt Liechtensteins Leitender Staatsanwalt Robert Wallner. Bei Strafverfahren werde sogar das Bankgeheimnis gebrochen. "Wir können auch bei Treuhändern Hausdurchsuchungen machen", droht Ermittler Wallner.

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Aus der FTD vom 18.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa

 

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