Berlin geißelt Türkei wegen Angriffs auf Nordirak

Nach dem türkischen Einmarsch im Nordirak hat die deutsche Bundesregierung vor einer weiteren Eskalation gewarnt. Nach Militärangaben startete die türkische Armee eine große Bodenoffensive mit etwa 10.000 Soldaten. Auch EU und USA zeigten sich verärgert.

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Die Bodenoffensive mit etwa 10.000 Soldaten bedeute "ein nicht unerhebliches Destabilisierungsrisiko", sagte Martin Jäger, Sprecher des Auswärtigen Amtes. Zudem warne die Regierung vor einer weiteren Verschärfung der Lage. Auch der EU-Außenbeauftragte Javier Solana äußerte sich kritisch. Der Einmarsch in den Irak sei nicht der beste Weg, gegen die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK vorzugehen. Die US-Regierung bezeichnete die Offensive als keine gute Nachricht. Der Einmarsch bedeute eine neue Eskalationsstufe in dem Konflikt, sagte Matthew Bryza, Staatssekretär im US-Außenministerium.

Nach Militärangaben sei der Einsatz der türkischen Armee bereits am Donnerstagabend begonnen worden und richte sich nur gegen die verbotene Arbeiterpartei PKK. Vorher habe es Angriffe der türkischen Luftwaffe auf PKK-Ziele gegeben.

Türkische Truppen dringen am Freitag in den Nordirak vor
 Türkische Truppen dringen am Freitag in den Nordirak vor

Die PKK hatte aus den Kurdengebieten im Irak mehrfach tödliche Angriffe auf türkische Truppen entlang der Grenze gestartet. Das US-Militär bestätigte, dass türkische Truppen im Nordirak sind. Auch die türkische Armee gab bekannt, dass Tausende Soldaten bereits die Grenze überschritten haben und noch Tausende an der Grenze warteten.

Das türkische Parlament hat der Armee im Oktober grenzüberschreitende Einsätze erlaubt. Im Dezember waren bereits etwa 500 Soldaten einer türkischen Spezialeinheit im Irak eingesetzt.

Der außenpolitische Berater der türkischen Regierung, Egemen Bagis, hatte Ende Januar gegenüber der FTD geäußert: "Das Mandat des Parlaments für die Regierung und deren Auftrag an das Militär besagt, die PKK auszulöschen. Und die Türkei ist entschlossen, alles zu tun, um den PKK-Terrorismus zu beenden."

Keine politische Lösung in Sicht

Seit Beginn der militärischen Vorstöße im Dezember war über Schäden auf PKK-Seite wenig bekannt geworden. In türkischen Medien wurde unter Berufung auf ungenannte Militärquellen gemutmaßt, die Bewegungsfreiheit der Kämpfer und ihr Nachschub seien stark eingeschränkt. Armeechef Yasar Büyükanit hatte dank der Hilfe der US-Aufklärung von Einblicken in PKK-Bewegungen wie ins Glashaus gesprochen. Bagis würdigte das "internationale Verständnis und die Zusammenarbeit" im Kampf gegen die PKK. "Wir stellen sicher, dass keine Zivilisten leiden", versicherte er. In seiner Rede vor der internationalen Münchner Sicherheitskonferenz am 9. Februar warb auch Premier Erdogan für weitere Unterstützung gegen den PKK-Terror.

Ihr militärisches Vorgehen gegen die PKK-Bedrohung will die Türkei laut Bagis höchstens durch eine wirtschaftliche Aufwertung des türkischen Kurdengebiets begleiten, nicht durch eine politische Lösung. Unter "rechtgläubig kurdischen Bürgern" werde die PKK dann zunehmend isoliert. "Wir planen ein neues Paket mit Anreizen für Investitionen", sagte Bagis mit Blick auf amerikanisches Dringen auf soziale Fortschritte in Südostanatolien. Politische Avancen zur PKK, etwa ein Amnestieangebot, hatte Präsident Abdullah Gül in Washington zuletzt ausgeschlossen. Bagis dazu: "Für uns ist die PKK, was al-Kaida für den Rest der Welt ist."

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FTD.de, 22.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: reuters

 

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